Ein Förderer der Gesellschaft ist gegangen

Ohne Bürger wie ihn wäre ein Gemeinwesen ärmer. Er kümmerte sich im Stadtrat um gute Entscheidungen für die Kevelaerer, sorgte im Verein zur Förderung des Rosenmontagszugs (VFR) für ihre Erbauung in der fünften Jahreszeit und beschaffte ihnen selbst zu unmöglichen Zeiten frische Brötchen. Kammann, als „Egon der Knackige“ längst in die Heimatgeschichte eingegangen, war zwischen Ernst und Spaß einer der wichtigsten Förderer der Kevelaerer Gesellschaft.
Am Freitag, 15. September 2017, ist Egon Kammann im Alter von 74 Jahren gestorben.
Er war aus Leidenschaft Handwerker und überließ große Reden gern anderen, obwohl seine Kraftstimme problemlos ganze Säle füllte. Er schmetterte lieber bei den Swingenden Doppelzentnern mit und sorgte ansonsten dafür, dass gehandelt und nicht gequasselt wurde.
Als Selbstständiger mit den Zusammenhängen der heimischen Wirtschaft bestens vertraut, war er für die Orts-CDU ein Glücksfall, denn nur wenige Unternehmer muten sich zeitraubende Ehrenämter zu. Ab 1974 Mitglied der CDU, übernahm Egon Kammann Vorstandsaufgaben in der Ortspartei Kevelaer-Mitte sowie im Stadtverband und arbeitete ab 1989 ermuntert von Hannes Selders im Stadtrat und im Ausschuss für Planung, Umwelt und Verkehr mit.
Er drängte sich nie vor und wäre 1994 – da kürte ihn seine Partei zum Chef von Kevelaer-Mitte – lieber in der Vorstandskolonne geblieben.
1997 machte er aus seiner Seele keine Mördergrube und sprach sich für Hannes Selders (statt Heinz Paal) als den Bürgermeisterkandidaten der CDU aus; da lernte er einige seiner Parteifreunde kennen. Sie straften ihn ab und verhalfen dem damals 19-jährigen Marc Henry de Jong beim generalstabsmäßig vorbereiteten „Putsch“ zum Erfolg. Kammann schenkte ihnen das sehr kurze Vergnügen und arbeitete – weiter.
Wer die Rats- und Ausschussprotokolle jener Jahre liest, stößt immer wieder auf Anfragen von Egon Kammann. Meist bezogen sie sich auf konkrete Bürgeranliegen. Kammann kannte sie und kümmerte sich darum. Über eine lange Zeit holte er bei den Kommunalwahlen in seinem Bezirk Spitzenwerte.
Ab 2004 war er zweiter stellvertretender Bürgermeister und Vorsitzender des Kulturausschusses. 2009 wurde er erster stellvertretender Bürgermeister von Kevelaer. Im selben Jahr übernahm er den stellvertretenden Vorsitz der neu gegründeten CDU-Mittelstandsvereinigung Kevelaer-Weeze.
Da war er längst seit Jahrzehnten ein stadtbekannter Bäcker. Seinen Meisterbrief hatte er mit 21 Jahren bekommen. Nach einer „Zwischenstation“ an der Wember Straße und der Übernahme der Bäckerei Wackers an der Maasstraße 35 gingen Erika und Egon Kammann 1978 einen entscheidenden Schritt: Sie kauften von Egons Kegelbruder und ehemaligem Lehrmeister Werner Mölders die Bäckerei an der Bahnstraße 41 bis 43. Bei eben diesem Werner Mölders hatten sich die Bäckerei-Fachverkäuferin Erika und der Bäckergeselle Egon einst kennen- und lieben gelernt.
Ab 1993 boten die großen Schaufenster der neuen Filiale an der Hauptstraße 32 die überaus ansehnliche Brotfülle aus der Backstube Kammann feil. Vor der Scheibe drückten sich Passanten vor 70 Brotsorten, viele drapiert in Zwei-Meter-Backformen, die Nasen platt. Zeitweise belieferten die Kammanns bis zu sieben Supermärkte mit ihren Backwaren.
Marie-Luise Marjan, die „Mutter Beimer“ aus der Lindenstraße, war ein Fan von Kammanns Schwarz-Weiß-Brot und gönnte sich die Krume aus Kevelaer zum Geburtstag. Viele weitere Kreationen entstanden unter der Hand des Meisters (darunter in den späteren Jahren die Stibitzchen, benannt nach Bürgermeister-Kandidat Axel).
1995 übernahmen die Kammanns den „Tante-Emma-Laden“ an der Hubertusstraße und kümmerten sich bewusst um die älteren Kunden, die nicht mehr zu den Supermärkten kamen.
Ein wichtiger Mann war Egon Kammann zudem für Auszubildende – in seinem eigenen Betrieb und darüber hinaus. Über Jahre engagierte sich der Bäckermeister im Prüfungsausschuss der Handwerkskammer und im Innungsvorstand. „Man sollte stets bemüht sein, Gutes mit Gutem zurückzugeben.“ Das sagte er einmal in einem Interview.

Egon Kammann, 1987 frisch gekürter Karnevalsprinz, betrachtet mit seiner Frau Erika und seinem Adjutanten Franz Ophey eine gerade fertig gestellte Pellerine.

Egon Kammann, 1987 frisch gekürter Karnevalsprinz, betrachtet mit seiner Frau Erika und seinem Adjutanten Franz Ophey eine gerade fertig gestellte Pellerine.


Er hatte reichlich Schönes zu leisten: Er glänzte blau-golden als VFR-Chef, setzte als langjähriger Sitzungspräsident ganze Saalbelegschaften in Lachtränen, gab gern und glaubhaft den Nikolaus, musizierte bei den Swingenden Doppelzentnern und feierte 1988 einen seiner großen Lebenshöhepunkte: Er zog Zepter schwingend als Karnevalsprinz durch die Straßen der Stadt.
2002 zählte er zu den Initiatoren der Wallfahrt der Karnevalisten, die sich längst zu einer Großwallfahrt entwickelt hat. Sie zeigt, wie sehr Kammann sich der Marienstadt und ihrem inneren Kern verbunden fühlte.
2005 freuten sich die Kammanns über den Marketingpreis der Stadt Kevelaer (weitere Preisträger waren Stahlbau Porath sowie Sabine und Klemens Dicks vom Hotel „Goldener Schwan“).
2008 richteten sie an der Busmannstraße eine Kaffeestube ein (im Oktober 2015 verabschiedete sich das älter werdende Paar vom Nostalgiecafé).
2014 bekam Egon Kammann einen anderen Lebens-Höhepunkt geschenkt: Der VFR proklamierte ihn beim Heimatabend der Geselligen Vereine zum Festkettenträger, und Kammann war mächtig stolz darauf, der erste Mensch in diesem Amt zu sein, auf dem schon die Prinzenwürde geruht hatte.
Legendär ist Kammanns köstlicher Humor – gleich ob in der Politik, im Karneval, in der Familie oder im Geschäft. Er brach sich Bahn mit einem offenen Lachen aus empfindsamer Seele. Er traute den Menschen am liebsten Gutes zu und war betroffen wie ein wehrloses Kind, wenn es anders kam.
Als er sich einmal von einer angesehenen Kevelaerer Geschäftsfamilie übel hintergangen und in der Entwicklung seines Betriebs stark behindert fühlte, verzichtete er auf öffentliche Gegenwehr. Die Sache setzte ihm schmerzhaft zu. Wie so oft ihm Leben halfen ihm seine Familie mit Frau Erika und den Töchtern Sonja und Ute – und sein im besten Sinn gutgläubiges und gutmütiges Naturell.
In einem Nachruf auf Egon Kammann schreibt der VFR: „Deine unnachahmliche Stimme brauchte kein Mikrofon, denn du hast dir auch so Gehör verschafft.“
Egon Kammann hatte die Begabung, mit lauter Stimme überall da, wo er war, leise Töne anzuschlagen. Er war ein feiner Mensch.