Seine Liebe zur Backkunst reichte weit zurück

Am 1. Juli 1973 stand der junge Paul Vloet zum ersten Mal in seiner eigenen Backstube im hinteren Windschatten der Basilika. Seine Geschäftsprinzipien waren Frische und Qualität. Sie ließen die Planungen für einen erfolgreichen Betrieb aufgehen wie einen saftigen Hefeteig. Im Oktober 2019 wäre Paul Vloet 80 Jahre alt geworden. Er starb am Sonntag, 4. März 2018.

Vor Jahr und Tag hatte das KB den Bäckermeister in jener Bürostube interviewt, in der er einst die Kaufverhandlungen mit Vorgänger Herbert Franke erfolgreich abgeschlossen hatte. Zu dieser Zeit hatte er in Geldern bereits selbstständig und mit großem Erfolg einen Rewe-Markt mit Fleischerei geführt, damals ein Novum. Es gab Zeitgenossen, die die moderne Geschäftspolitik von Paul Vloet für unseriös hielten: Der operierte doch glatt mit Sonderangeboten.

Vloets Traum sah anders aus. Er liebte die Backkunst. Und diese Liebe reichte weit zurück. „Bis in meine Kindheit!“, sagte er vor Jahren. „Meine Mutter backte fast alles selbst, nur die großen Brote nicht; dafür knetete sie den Teig, und ich brachte ihn zum Ausbacken in eine Bäckerei.“

Wenn er die Brote später abholte, blieb er oft stundenlang in der Nähe der Öfen. „Ich konnte mich von dem Duft und den Backwaren nicht trennen. Ich habe mich über jedes schöne Brot gefreut.“

Paul Vloet war in einer Arbeiterfamilie in Weeze aufgewachsen. Mutter und Vater, ein Schreiner bei den GeGe-Werken, hatten acht Kinder zu versorgen. Paul Vloet war das viertälteste und das erste, das einen Beruf erlernen durfte.

Erste Erfahrungen als Aushilfe

Da hatte er bereits als Aushilfe in einer Bäckerei Erfahrung gesammelt und einen schweren Schlag zu verkraften gehabt. Bei einem Arbeitsgang war ihm ohne sein Zutun der Stiel eines Backschiebers ins Gesicht geraten. Er verlor ein Auge. Paul Vloet erinnerte sich später: „Mein Vater wollte kaum glauben, dass ich ausgerechnet in dieser Bäckerei meine Ausbildung beginnen wollte.“ 1961 war ein besonders intensives Jahr: Der junge Mann knetete 80 bis 90 Stunden in der Woche Teig um Teig, besuchte nebenbei den Meisterkursus in der Bäckerfachschule in Geldern und lauschte als Katholik in einem „Brautkurs“ den Verhaltensregeln der Kirche, um seine Christa, geborene Fleuren, zum Traualtar führen zu können. Er erreichte beide Ziele: den Meister und seine Eheschließung. 1962 kam Sohn Georg auf die Welt.

Bei seinem Arbeitsgeber sammelte Paul Vloet weit übers Backen hinaus Erfahrungen zu Logistik, Betriebsabläufen und Strukturen. In einem Interview sagte er einmal: „Schon früh hatte ich den Kopf voller Ideen, wie ich eine eigene Bäckerei anpacken würde; und ich dachte, wenn ich andere wirtschaften sah und meinen Stundenlohn betrachtete, ‚das kriegst du auf eigene Rechnung hin‘.“

Mitarbeiter fühlten sich wohl

Als er dann seine eigene Bäckerei hatte, achteten er und seine Frau Christa immer darauf, dass die Mitarbeiter sich bei ihnen wohl fühlten. Das klappte augenscheinlich: Die Fluktuation war sehr gering, obwohl sie den Stamm von zunächst sieben auf über 30 Angestellte ausbauten. Das Ehepaar Vloet sah zu, dass die Mitarbeiter gut von ihrem Geld leben konnten und sich ständig qualifizierten.

Im Lauf der Jahre waren bei Paul und Christa Vloet über 50 Jugendliche in der Lehre. „Wir haben uns viel Mühe mit den jungen Leuten gemacht, besonders mit denen, die nicht die besten Voraussetzungen mitbrachten. Jeder, der wollte, hat später in seinem Beruf einen Arbeitsplatz gefunden.“

Paul und Christa Vloet bei der Arbeit.

Paul Vloet hatte noch weitere Qualitäten. Bevor er mit seiner Frau den Betrieb aufbaute, hatte er sich in der fünften Jahreszeit unter die Narrenkappe begeben. „Jahrelang bin ich in meiner Heimatgemeinde Weeze für den MGV und die Kolpingfamilie in die Bütt gegangen.“ Als er sich 1973 selbstständig machte, war ihm klar, dass er dafür keine Zeit mehr haben würde.
Doch nach einigen Jahren zog er Bilanz: „Außer Familie, Backen und Schlafen war nichts los. Ich wollte noch etwas anderes machen. Da lag die Arbeit in der Bäckerinnung nahe.“
Es war kein Geheimnis, dass er von der Innung für meisterliches Schaffen, Berufsethos und berufsständische Treue hochgeschätzt wurde. 2004 erhielt Paul Vloet das Goldene Ehrenzeichen, die höchste Auszeichnung, die die Handwerkskammer Düsseldorf an Ehrenamtsträger vergeben kann – eine Wertschätzung all seiner Engagements, für die er teilweise schon zuvor Ehrungen erhalten hatte, die andere allenfalls am Ende ihrer Berufslaufbahn bekommen.

Mehr als 15 Jahre hatte er der Gesellenprüfungskommission und fast 20 Jahre dem Vorstand der Bäcker-Innung angehört und dort als stellvertretender Obermeister und als Obermeister gedient; viel bedeutete ihm die Ernennung zum Ehrenobermeister; zudem arbeitete er überregional als Vorstandsmitglied des Verbandes des Rheinischen Bäckerhandwerks und stellvertretender Landesinnungsmeister.
Verlässlich jedes Jahr erhielt Vloet zudem Bestnoten für seine Backwaren.

Das Jahr 2004 hielt eine weitere Auszeichnung bereit: Vloet bekam den Marketingpreis der Stadt Kevelaer.

2005 übergab er Bäckerei und Café an seinen Sohn Georg, Bäckermeister wie er selbst.
Paul Vloet hatte mehr Zeit für die Mußestunden – bei den Bürgerschützen, deren König er 1989 wurde, im KMGV, dessen Präsident er einige Jahre war, und kegelnd im Club der „harmlosen Jungs“. Nach Jahrzehnten ohne Urlaub reiste er gern mit seiner Christa. Und liebend gern dankte er ihr für all die gute Begleitung in den über 55 Jahren ihrer Ehe.

Einmal sagte er bewegt vor Publikum: „Wir haben zusammengehalten in guten und in schlechten Tagen.“ Dann kam der Schalk durch: „Die schlechten haben wir abgeschafft. Es gibt nur noch gute!“ Jetzt mussten die beiden ihren gemeinsamen Weg auf Erden beenden.