Die einstige Geschäftsfrau und Politikerin Christel Janßen wird 65 Jahre alt

Christel Janßen ist eine Frau, die immer viele „Beinamen“ hatte: Ehe-Frau, Geschäfts-Frau, Haus-Frau und Rats-Frau. Vor allem ist und war sie Mutter ihrer drei Kinder Theo, Ralf und Kristina. Am Dienstag, 25. April, wird sie 65 Jahre alt.
Längst ist ihre Familie gewachsen. Die acht Enkelkinder Johanna, Lisanne und Elias, Anton, Josephine und Marleen sowie Titus und Cora zählen dazu. Jeden Mittwochnachmittag feiert Christel Janßen mit ihrem Mann Theo und den Enkeln an der Biegstraße Oma-und-Opa-Tag. „Oma“ backt Brot (und kocht liebend gern); „Opa“ spendiert hausgemachtes Schokoladeneis. Dann wird gespielt.
„Meine Familie war und ist der Mittelpunkt meines Lebens; und sie ist mein Ruhepol“, sagt Christel Janßen. Den hatte sie in ihrer aktiven Zeit als Geschäftsfrau und selbstbewusste Politikerin nötig.
Christel Janßen kommt 1952 auf dem Leukerhof an der Walbecker Straße zur Welt und freut sich noch heute darüber, „dass mein Bruder Theo und ich nicht verwöhnt wurden“. Sie leben vom eigenen Hof, schon als Kind packt sie mit an, brät abends die Kartoffeln und füttert die Hühner. Sie ist dankbar für Vater Theo († 1989), der den Schalk im Nacken hat, und für ihre zurückhaltende Mutter „Berni“ Bernhardine († 2015), die bis ins hohe Alter gern auf dem Hof mit anpackt.
„Ich war als Kind glücklich und zufrieden. Ich konnte mit allem zu meinen Eltern gehen. Bei uns wurde nichts unter den Teppich gekehrt. Wir haben über alles geredet und alles bereinigt“, sagt sie.
Sie besucht je vier Jahre die Marktschule und die neue Antoniusschule an der Biegstraße. Noch weiß sie nicht, dass sie eines Tages schräg gegenüber zu Hause sein wird. Sie wechselt auf die Kreisberufs- und Berufsfachschule, hauswirtschaftliche Richtung und schafft ihre Mittlere Reife.
Sie ist 16 und kennt längst Metzgermeister Theo Janßen von der Biegstraße. Er kommt auf den Hof, um beim Vater Vieh zu kaufen. Manchmal linst er über ihre Schulter, wenn sie Hausaufgaben macht.
1968 schließt sie die Berufsschule ab. Anschließend steht sie mit zwei Kameradinnen an der B 9 und will „per Anhalter“ nach Kevelaer. Sie sind ausgelassen, haben ihre guten Abschlüsse in der Tasche – und wer hält? Der Metzgermeister aus Kevelaer, Theo Janßen.
Etwas später trifft sie ihn beim Tanz in den Mai, sie ist noch immer 16, trägt ein Faltenröckchen und eine weiße Bluse. Theo Janßen, zwölf Jahre älter, tanzt mit ihr. Mit 17 ist sie sicher: „Das ist der Mann, den ich heiraten möchte.“ Ihr angehender Schwiegervater sagt zu ihrem angehenden Ehemann: „Ein bisschen jung ist sie schon!“ Theo entwaffnet ihn: „Alt wird sie von allein.“
Hans Brocks vermittelt ihr eine Stelle in einer Walbecker Metzgerei. Mit einem roten Mofa knattert sie drei Jahre zur Arbeit und lernt neben dem Beruf einer Fleischerfachverkäuferin eine Menge für Laden und Leben. 1971 wechselt sie zu Thielen nach Weeze und schneidet Schinken im Akkord.
1971 die Wende: Der Vater von Theo ist an Krebs erkrankt. Christel und Theo verloben sich. Sie gönnen dem sterbenden Mann das Gefühl, dass für die Zukunft alles zum Besten bestellt ist. Die junge Christel sagt ihm: „Wir müssen ja mal langsam für ein paar kleine Janssens sorgen“ und rührt ihn zu Tränen. Er stirbt kurz darauf.
Am 3. Oktober 1972 heiraten sie. Neun Monate und neun Tage später ist der kleine Theo da. Sie findet, „dass es nichts Wichtigeres in meinem Leben gibt als meine Kinder“ und dass es ihnen nichts nützt, sie mit ständiger, mütterlicher Verfügbarkeit unselbstständig zu halten. Sie gibt ihnen nicht „alle Zeit der Welt“, sondern Intensität in der begrenzten Zeit. Als einer ihrer Söhne weinend aus der Schule kommt, weil die Lehrerin ein Bild von ihm zerrissen hat, lässt sie alles stehen und liegen, wappnet sich mit ihrer Empörung und gibt der Frau Bescheid. – Ansonsten steht sie im Geschäft.
Christel Janßen ist bereits Mutter von zwei Kindern, als sie beschließt, ihre Gesellenprüfung nachzuholen. Sie möchte Lehrmädchen ausbilden, nimmt Privatunterricht, wird erneut schwanger und sitzt schließlich mit herrlich dickem Bauch in der Prüfung. 1978 erhält sie ihren Gesellenbrief mit sehr guten Noten. Sie ist Verkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk Fleischer, bildet Nachwuchs aus und gibt ihm weit mehr mit auf den Weg als Wissen. Sie sagt freundlich und sachlich ihre Meinung. Und es liegt gewiss nicht nur am Personal, dass sie mit keiner Angestellten Schiffbruch erleidet.
Als die Kinder größer werden, sieht sie sich nach einer neuen Herausforderung um. Sie und ihr Mann engagieren sich in der Mazedonienhilfe. 1992 meldet Christel Janßen sich in der CDU an, wird 1997 Beisitzerin im Vorstand Kevelaer-Mitte und Beisitzerin im Stadtverbandsvorstand. 1999 kandidiert sie für den Stadtrat und gewinnt ihr Mandat direkt.
Sie bedient keine Erwartungen und keine Seilschaften und bleibt sperrig, wenn ihr gesunder Menschenverstand sie anders berät als Parteifreunde. Sie freut sich an harmonischer Zusammenarbeit, beherzigt aber zugleich, dass „Gesülze niemanden weiterbringt.“ Sie ist sicher: Wo keine Debatten ausgefochten werden, ist Demokratie am Ende.
Zwei der größten politischen Kontroversen in diesen Jahren übersteht sie gegen die „Mehrheitsmeinung“; sie wendet sich gegen die heimlich angezettelte Abwahl des Beigeordneten Ulrich Braasch, und sie protestiert gegen das geplante SB-Warenhaus. Die Wähler mögen sie dafür; sie ist, ohne es zu wollen und ohne es zu sollen, ein Aushängeschild für die Fraktion geworden.
Die Stadtoberen verkennen das. Jahrelang hat Familie Paal bei Fleischer Theo Janßen Würstchen gekauft. Fortan kauft sie woanders. Schuld am Umsatzeinbruch trägt, natürlich, Ehefrau Christel. Sie ist zu aufmüpfig. „Ich kann mich mitten zwischen zwei Stühle setzen, wenn dort mein Platz ist.“
2004 schreibt sie einen Brief an ihre Fraktion. Sie will nicht länger Entscheidungen durchwinken, die die Spitze diktiert. Sie zerpflückt klug das fadenscheinige Vorgehen der Fraktionsführung und beharrt darauf, bei Entscheidungen wie Abriss und Neubau des Rathauses die Bürger einzubeziehen.
Eine Parteikollegin erregt sich darüber, dass „bei der Janßen nichts Gescheites rumkommen kann. Wenn man die schon mit ihren kurzen Röcken sieht!“ Die Länge eines Rocksaums als Gradmesser für Geist und intuitive Kraft – da muss man erst mal drauf kommen. Christel Janßen zieht die Reißleine. Sie gibt der Politik den Laufpass.
Kurze Röcke gehören übrigens zu Christel Janßen, wenn sie die Gelegenheit hat, sich für ein Fest schick zu machen. Das tut sie gern und führt dann ihre schlanken, tennis- und tanzsporterprobten Beine unterm Mini aus. Noch immer trainiert sie mit Theo sonntags in einem Sevelaner Tanzclub.
2005 verkaufen die Janßens ihren vielfach ausgezeichneten Betrieb. Später nimmt Christel Janßen in einer Metzgerei in Twisteden eine Stelle als Fachkraft an und belebt mit ihrer Art das Geschäft.
Sie ist und bleibt mutig, unverblümt offen und herzlich, kräftig im Ausdruck und durchwachsen mit Humor, gesegnet mit geistiger und intuitiver Kraft und schön im Mini. Sie ist eine starke Frau.