Wenn Anspruch auf Wirklichkeit trifft

Es ist ein Dokumentationsfilm, der die Gemüter erregen und zum Nachdenken anregen dürfte. Am Donnerstag, 4. Mai, startet die 90-minütige Dokumentation von Thomas Binn „Ich. Du. Inklusion. – Wenn Anspruch auf Wirklichkeit trifft“, bundesweit in 80 Kinos.
Zweieinhalb Jahre begleitete der Kevelaerer Filmemacher eine Uedemer Grundschulklasse. Hier erlebte er den Schulalltag einer Klasse, die von Schülern mit und ohne Unterstützungsbedarf besucht wird. Daraus entstand eine 90-minütige Dokumentation, die die Wirklichkeit an der Basis zeigt. Dabei wird deutlich, dass der Ansatz der Inklusion ja nicht schlecht ist, nur: „Die Rahmenbedingungen sind eine Vollkatastrophe“, behauptet der gelernte Sozialpädagoge.
Mit dieser Meinung steht Thomas Binn nicht alleine dar. Eltern, Schulleiter und Lehrer stoßen zweieinhalb Jahre nach Einführung der Inklusionsklassen an ihre Grenzen. Seit Sommer 2014 haben in Deutschland Kinder mit Unterstützungsbedarf einen Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht in den Regelschulen. Viele Förderschulen wurden daraufhin geschlossen, Pädagogen auf Schulen verteilt.
Die Umsetzung der Inklusion gestaltet sich allerdings mehr als schwierig. „Jeder ist für Inklusion. Doch unter den jetzigen Bedingungen ist es nicht zu schaffen, den Kindern gerecht zu werden“, erklärt Binn. Der Sparzwang werde auf Kosten der Kinder ausgetragen. Schon seit einigen Jahren setzt Thomas Binn als freier Pädagoge, Projekte an verschiedenen Grundschulen um. Für ihn ist die Verbindung von Film und Pädagogik die logische Entwicklung seiner Arbeit und politischen Botschaft. Der Schuldirektor an der Geschwister Devries-Grundschule in Uedem, Johannes Nolte, war es, der Thomas Binn darum bat, eine Inklusionsklasse filmisch und dokumentarisch zu begleiten. „Ich habe nicht gleich ja gesagt“, erklärt Binn, dem die Brisanz des Themas bewusst war. Unglaublich engagierte Lehrer und Schulleitung ließen den freien Autor jedoch zustimmen. Auch die Eltern der Grundschulkinder erklärten sich mit diesem Projekt einverstanden. Mit der Einschulung von 22 Kindern mit und ohne Förderbedarf, begann auch das Filmprojekt von Thomas Binn.
Der Filmemacher hielt die Entwicklung der Kinder fest. Während der Dreharbeiten hörte er zu, schaute hin. Das was er sah, hielt er mit der Kamera fest, wühlte auch ihn als Filmemacher auf. „Wir müssen wissen, dass sich die Anzahl der Kinder mit Förderbedarf in den letzten 15 Jahren verzehnfacht hat“, erklärt Binn. Das mag vielfältige Gründe haben. Reizüberflutung, Überforderung, Anspruch Denken oder Umgang mit Medien. „Wir Erwachsene müssen wieder lernen, Vorbilder für unsere Kinder zu sein. Wir müssen zeigen, dass es nicht nur ums arbeiten, Geld verdienen und Luxus geht“, sagt der Filmemacher. Um sich dem Bildungssystem anzupassen, würden Kinder mit Psychopharmaka eingestellt. „10 Prozent der Kinder erhalten Ritalin, damit sie funktionieren“, so Binn.
Die Entwicklung in der Schulklasse der Geschwister Devries Grundschule, wird im Film ganz deutlich. In einem selbstinszeniertem Theaterstück, „Die Schule der Tiere“, entdecken die Schüler die Andersartigkeit der Tiere, übertragen diese in kindlicher Art und Weise auf sich. „Sie beobachten, dass eine Schlange keine Füße hat, ein Nashorn nicht klettern kann. Dafür haben die Tiere aber andere Begabungen“, berichtet der Pädagoge, der zwei Jahre nach Beginn der Dreharbeiten, endlich die Unterstützung von „mindjazz-pictures“ aus Köln erhielt.
Thomas Binn möchte mit dieser Dokumentation ein Fenster öffnen, möchte zeigen was los ist, wachrütteln. „Schließlich kann ich auch nicht mit einem Tropfen Benzin nach Köln fahren“, erklärt Thomas Binn.
Film und Diskussion am Freitag in Geldern
Der Caritasverband lädt am Freitag, 5. Mai, ins Kino „Herzogtheater Geldern“ zu einer besonderen Filmvorführung von „Ich. Du. Inklusion.“ ein. Nach der Filmvorstellung um 17 Uhr bieten die Caritas-Mitarbeitenden des Projektes Inklusionsförderung, die Gelegenheit, sich im Foyer des Kinos mit Politikern über die Inhalte des Films und den aktuellen Stand der Inklusion auszutauschen. Neben Gelderns Bürgermeister Sven Kaiser, dem Kevelaerer Bürgermeister Dr. Dominik Pichler und der stellvertretenden Bürgermeisterin von Straelen Monika Lemmen, werden auch zahlreiche Landtagskandidaten mit interessierten Bürgern, Eltern und Lehrern diskutieren. Margret Voßeler (CDU), Norbert Killewald (SPD), Hans-Hermann Terkatz (Bündnis 90/Grüne), Ben Dinklage (FDP) und Mario Krude (Linke) haben bereits zugesagt. Eintrittskarten für den Film gibt es zum Preis von 8 Euro an der Kinokasse.