Grenzgänger in Corona-Zeiten

Seit 20 Jahren ist Björn Koppers in den Niederlanden berufstätig. „Ich bin Teamleiter in einer Großkonditorei, einer sogenannten Banketbakkerij’ in Panningen“, erzählt der 40-jährige Kevelaerer, der seine Ausbildung in der Bäckerei des „Honigkuchenmannes“ Werner Goldkuhle gemacht hatte. „Das Arbeitsamt hat mich nach der Ausbildung dahin vermittelt. Die haben gefragt, ob ich in Holland arbeiten will. Da habe ich einfach zugesagt.“ So eine Art des Betriebes gebe es in Deutschland nicht. „Bei uns würde man das Konditorei nennen. Das ist so eine Art Industrie-Konditorei: frisch, aber vom Fließband.“ 

Zwölf Jahre war er in Sevelum tätig, danach jetzt in Panningen. Dort werden Gebäck und Torten produziert – „Luxuslebensmittel“, sagt Koppers. Er ist einer von fünf Kevelaerern, die dort ihrem Job nachgehen. Fünf Tage die Woche geht es für ihn um halb sechs Uhr morgens mit dem Wagen auf die 42 Kilometer lange Strecke, um ab halb sieben dort seiner Arbeit nachzugehen. „Wachwerden findet im Auto statt“, sagt er und dass ihm das relativ frühe Aufstehen nicht viel ausmache. „Ich habe jahrelang schlechtere Arbeitszeiten gehabt. Da musste ich um viertel vor vier oder abends um 23 Uhr anfangen.“

Die Mentalität in den Niederlanden sei anders als hier, offener, sagt Koppers. „Egal welche Anstellung Du hast – ob Betriebsleiter, Manager oder was auch immer – es geht immer per Du. Die Türen sind immer offen, ich kann immer beim Betriebsleiter anklopfen. Die Holländer hören sich jede Meinung an.“ Und auch das Vorgehen bei der Arbeit sei anders. „Die Holländer agieren erst und steuern dann bei, um auf 100 Prozent zu kommen. Der Deutsche plant vor.“ 

Als die Corona-Pandemie begann, habe er sich schon Gedanken gemacht wie „Was ist, wenn die Grenzen schließen, wie wird das weiter bezahlt? Was ist, wenn Dein Betrieb davon betroffen ist?“ Schlussendlich wäre es so gewesen, „dass wir weiter durchbezahlt worden wären.“ Kurzarbeit, dass kenne er aus den Niederlanden nicht. „Die arbeiten einfach.“ Und im harten Shutdown bekommen die Beschäftigten auch Zuschläge, werden unterstützt. Selbst hatte er nie Probleme, hin- und wieder zurückzukommen. „Ich hatte einen Brief, dass ich in einem systemrelevanten Beruf bin. Den musste ich einmal vorzeigen.“ Er sei in dem Jahr vielleicht ein oder zweimal angehalten worden. „Da musste ich langsamer fahren, damit die Beamten sehen konnten, ob mehrere Leute im Auto sitzen.“ 

Mundschutzpflicht und Abstand

Das Gefühl sei aber schon komisch gewesen. „Ich arbeite mit 360 Mitarbeitern und habe 70 Leute unter mir, zu denen ich konstant Kontakt habe. Wir arbeiten mit Zeitarbeitsfirmen und Leuten, die Du nicht kennst.“ Das sei schon gewöhnungsbedürftig. Aber er sei „einfach froh, Arbeit zu haben“ in diesen besonderen Zeiten. In Sachen Maßnahmen sei man in Panningen sofort zur Stelle gewesen. „Die hatten sofort Mundschutzpflicht, Abstand einhalten auch in der Produktionslinie. Wir haben zu unterschiedlichen Zeitabständen produzieren lassen, um nicht zu viele Leute in der Hygieneschleuse zu haben. Und es wurde mehr geputzt, mehr desinfiziert“, was man heute immer noch mache.

Viele Mitarbeiter*innen im Bürobereich arbeiteten im Home Office. „Wir haben uns da schon mit allen Leuten Gedanken drüber gemacht“, sagt Koppers, obwohl er eines schon festgestellt hat: „Die Holländer sind da am Anfang lockerer mit umgegangen. Das hat man nachher gesehen, dass die Zahlen hoch gingen.“ 

Zu Beginn musste Koppers‘ Erinnerung nach jemand „nur acht statt vierzehn Tage“ in Quarantäne. „Das hat sich immer wieder geändert.“ Auch in Supermärkten wurde lange kein Mundschutz getragen, „da hatten wir das hier schon lange.“ Der Grundgedanke war zunächst: „Das wird nicht so viel.“ Die legere Haltung habe sich geändert. „Wenn jemand Erkältungssymptome hat, dann muss er innerhalb von 48 Stunden einen Coronatest machen. Und sobald der Test negativ ist, muss man wieder arbeiten. Das ist nicht so wie hier beim Hausarzt, wo Du anrufst und bist 14 Tage in Quarantäne. Wenn Du in Holland zuhause jemanden hast, der Corona hat, dann ist man auf jeden Fall acht Tage zu Hause.“

Termin zum Test in 48 Stunden

Zum Glück habe man in der ganzen Zeit im Betrieb gerade mal einen Corona-Fall gehabt. „Das war eine jüngere Kollegin. Die war nach zwei Wochen wieder in Ordnung.“ Das Testen, das gehe relativ gut in Holland. „Die werden alle hingeschickt. Das geht schneller als hier mittlerweile. Da kannst Du dich mit einer App anmelden, und Du bekommst in 48 Stunden einen Termin.“  Auch in seinem Betrieb werde darauf richtig geachtet. „Es gibt einen Ansprechpartner bei uns, wo jemand das regelt, wenn es in 36 Stunden keinen Test gibt.“

Zum Vergleich habe er eine deutsche Mitarbeiterin der Firma vor Augen, die akut erkrankt sei. „Die wird vom Kreisgesundheitsamt erst angerufen, wann die zum Test kann.“ Da könne man in Deutschland gleich sagen, dass man 14 Tage zu Hause bleibt. „Warum testet man überhaupt ?“, so seine Frage. Er selbst sei im März getestet worden. „Ich hatte Erkältungssymptome, und der Hausarzt hatte mich hingeschickt, weil die Holländer so flapsig mit dem Testen seien.“ Das Ganze lief dann wie beim „McDrive”. Und das Ergebnis hat vier, fünf Tage gedauert.

Kinderbetreuung

Die Kinderbetreuung, die laufe wie in Deutschland. „Wenn Du keine Möglichkeit hast, kannst Du sie bringen.“ In Sachen Lernen machten die niederländischen Schüler*innen das auch von zu Hause aus. „In der Technik sind die Schulen schon weiter“, gibt Koppers seinen Eindruck wieder.

Aktuell haben die Niederlande ihren Shutdown bis zum 8. Februar verlängert – einen harten Shutdown, in dem bis auf die Lebensmittelläden so gut wie alles geschlossen ist. Seine Hoffnung ist, dass das mit Corona nicht mehr zu lange andauert. „Aber wir müssen halt da alle die Zähne zusammenbeißen, ob Holländer oder Deutsche.“

Den zweiten Artikel zum Thema „Grenzgänger in Corona-Zeiten” finden Sie hier auf unserer Website.