„Wir müssen noch einiges tun“

Seit 2018 hat Kevelaer mit Dr. Nina Jordan eine Klimaschutzmanagerin. Jetzt steht die Verlängerung der Stelle um zwei Jahre an. Das Kevelaerer Blatt sprach mit Nina Jordan über ihre bisherigen Erfahrungen, Klimakrise in der Coronakrise und die vor uns allen liegenden Aufgaben.

KB: Frau Dr. Jordan, wie haben Sie die Situation in Kevelaer bei Ihrem Amtsantritt erlebt?

Dr. Nina Jordan: Mein erster Eindruck war der European Energy Award und eine große Teamsitzung dazu. Der Energy Award ist in Kevelaer ja ein seit vielen Jahren gut etabliertes System. Da habe ich gemerkt: Hier fängt man nicht bei null an.

Womit haben Sie selbst denn angefangen?

Ich habe mich zunächst in allen Ortschaften vorgestellt, mit einem Vortrag zu Klimawandel und Klimaschutz. Das war natürlich sehr allgemein, aber ich wusste ja nicht, wo die Leute stehen. Viele dieser Menschen sehe ich noch heute regelmäßig wieder, wenn ich etwas organisiere, zum Beispiel bei der Filmreihe, da waren die gleichen Leute oft bei drei bis fünf der Filme dabei.

Welche Aufgaben haben Sie hier seitdem erwartet?

Das meiste sind Dinge, die man einmal anfängt und die dann nicht mehr weggehen (lacht). Oft macht es keinen Sinn, die Dinge nur einmal zu machen, zum Beispiel den Handwerkermarkt, der in diesen Tagen leider ausfallen muss. Letztes Jahr habe ich für die Medien das Thema Photovoltaik aufbereitet. Das müsste ich eigentlich dieses Jahr wieder machen, denn viele Anlagen werden jetzt 20 Jahre alt und fallen aus der Förderung heraus.

Ein großes Thema, das mich begleitet, ist zudem die Altbausanierung, verbunden mit dem Netzwerk Altbauneu. Da ist immer was los wie jetzt die geänderten Förderbedingungen und damit eine neue Broschüre. Man erreicht auch nicht immer jeden zu jeder Zeit. Wer jetzt ein Haus kauft, interessiert sich heute und nicht in einem Jahr für das Thema Sanierung.

Welches Thema konnten Sie noch nicht so voranbringen, wie Sie es gern getan hätten?

Ich versuche schon länger, das Thema Neubau zu platzieren, aber da muss man viel erklären. Das Potenzial beim Altbau verstehen viele, aber wir dürfen den Neubau nicht aus den Augen verlieren, denn neue Häuser stehen für 100 Jahre. Wir wollen 2050 klimaneutral sein, also müssen wir jetzt schon klimaneutral bauen. Dazu müssen wir mehr beraten und als Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen. Aber das ist abhängig vom politischen Willen.

Am politischen Willen ist auch die Ausrufung des Klimanotstands für Kevelaer gescheitert. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?

Es hat keinen Einfluss auf meine Arbeit, weil dadurch nicht beschlossen wurde, alle Anträge der Politik auf die Klimafolgen abzuklopfen, wie das andere Kommunen machen. Für mich ist die Entscheidung ein zweischneidiges Schwert: Mit Klimanotstand würde ich wohl nicht mehr von den Vorlagen loskommen. Aber ich mache gerne Vorschläge, was man noch anpacken kann. Wir sind auf einem guten Weg, aber mehr geht immer.

Bedeutet Ihr Job oft Reibung mit den Kollegen und der Politik?

Klimaschutzmanager sind per se Störenfriede in der Verwaltung. Es ist nicht meine Aufgabe, mich beliebt zu machen, sondern das „Wir-haben-das-immer-so-gemacht“ zu hinterfragen. Ist das so gut für uns und fürs Klima? Das gilt natürlich auch für jeden einzelnen von uns, wenn wir zum Beispiel entscheiden: Fahren wir mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Sport?

Wie beeinträchtigt die Coronakrise Ihre Arbeit gegen die Klimakrise?

Durch Corona war es ein paar Wochen etwas ruhiger, gut um Dinge abzuarbeiten. Es trifft meine Arbeit, weil keine Veranstaltungen mehr stattfinden, aber ich mache Medienarbeit, kann Maßnahmen vorbereiten und stehe zur Telefonberatung zur Verfügung. Im Moment läuft die Vorbereitung für das Stadtradeln, das in diesem Jahr mehr Vorbereitung erfordert, da erstmals alle Kommunen im Kreis teilnehmen. Außerdem laufen ja meine beiden Wettbewerbe zu klima- und insektenfreundlichen Vorgärten ganz normal.

Wenn der Haupt- und Finanzausschuss wie erwartet die Stelle der Klimaschutzmanagerin verlängert – welche Aufgaben bringt das dann für die zusätzlichen zwei Jahre mit sich?

Ich sehe wie schon angesprochen großes Potenzial beim Thema Neubau, aber auch für das Thema Grün in der Stadt – Dach- und Fassadenbegrünung – sowie bei nachhaltiger Mobilität. Die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses wird diesbezüglich sehr spannend, weil sie richtungsweisend wird beim Thema Peter-Plümpe-Platz. Da kann man vieles richtig oder falsch machen. Ich wünsche mir weniger Parkplätze und mehr Aufenthaltsqualität. Man plaudert miteinander, wenn man zu Fuß unterwegs ist, aber nicht, wenn man im Auto sitzt. Eine lebenswerte Stadt hat viele Vorteile für die Bürger, auch beim Umgang mit ganz unterschiedlichen Krisen, selbst bei einer Pandemie.

Zusammengefasst: Ist Kevelaer denn beim Klimaschutz auf Kurs?

Ich habe im vergangenen Jahr die CO2-Bilanzierung gemacht. Da kam heraus, dass wir Stand 2017 gegenüber 1990 20 Prozent eingespart haben. Damit stimmen wir in etwa mit dem Landesziel von NRW überein. Das bedeutet aber auch, dass wir noch einmal ungefähr den gleichen Zeitraum haben, um 80 Prozent einzusparen. Da müssen wir noch einiges tun. Schwierig. Wir können aber auch nicht alles als Kommune erreichen. Manche Hebel liegen höher, in Berlin oder Brüssel.

Das Interview führte Björn Lohmann.