Ein Mann wie ein Pott Kaffee

Kevelaer. Dieser Mann passt in keine Schublade. Sieht man davon ab, dass Männer gemeinhin ohnehin nicht in normalformatige mitteleuropäische Schubladen passen, so scheint es – selbst im neuen Katalog eines schwedischen Pressspanplattenverwerters – keine Schublade zu geben, die groß genug für Torsten Sträter wäre.
Von Format
Das liegt einerseits, und andererseits natürlich auch, an seinem Format. Den stämmigen Waltroper wird so schnell keine Diät aus dem Wams hauen. Deshalb macht er auch keine und schnürt sich geschmacklich wie mengenmäßig in keinerlei Korsett. Sprich: Er spricht fast schon unaufhörlich gute zweieinhalb Stunden lang und man darf sagen: Er spricht sein Publikum an. Das hatte auch am Samstagabend im ausverkauften Kevelaerer Bühnenhaus gutes Samstagabend-Unterhaltungsformat einschließlich Überlänge und das Publikum dankte es ihm am Ende mit viel Applaus.
Torsten Sträter gilt derzeit als so etwas wie der „Blockbuster“ unter den Poetry-Slammern. Die Häuser sind voll von jenen, denen Mario Barth zu laut und Fips Assmussen zu lächerlich sind, die Hagen Rether zu anstrengend und politisches Kabarett ausreichend im Wahlkampf vertreten finden. Das weiß er und schnallt dann doch den Gürtel enger: Kein politisches Kabarett, aber dafür Alltagssituationen, die fast jeder nachvollziehen kann: Den Arztbesuch – mit Prostata – oder die wunderbare Verwechslung von Waage und Staubsaugerroboter im Fitness-Studio schüttelt er mal eben so aus dem Ärmel und im Saal hält man sich den Bauch vor lauter Lachen.
Von Hölzken auf Stöcksken
Diese ineinander verwobenen „Von Hölzken-auf-Stöcksken-Geschichten“ machen den größten Teil des Bühnengeschehens aus, dazwischen ahnt man, dass es, wenn schon keinen roten Faden, so doch zumindest jede Menge „Running Gags“ gibt, wie den nach der politischen Korrektheit des Begriffs „Hottentotten“. Die Mutter, der Bruder, die Oma werden häufig zitiert, die Klammer vom ersten in den zweiten Teil beschert einem eine inspirierende Pause, und wenn dieser begnadet-reduzierte Entertainer, der mit einer Flasche Wasser und einem Becher Kaffee als Requisiten auskommt, das alles doch auswendig gelernt haben sollte, dann fällt das absolut nicht auf.
Er lässt jedenfalls keinen Gag auf der Strecke, auch nicht in Dialog und Ansprache eines Zehnjährigen in der ersten Reihe: „Du weißt, dass ich wegen Dir 80 Prozent meines Programms heute Abend nicht spielen kann?“. Ein wenig ins Hintertreffen geraten dabei seine Lesungen – aber die kann man ja in seinen Büchern nachlesen oder sich auf seinen CDs anhören, falls man das nicht schon getan hat. Und am Ende kann man dann doch noch zaghaft zwei Schubladen, muss aber kein Fass aufmachen: Torsten Sträter war an diesem Abend in Kevelaer mehr ein Stand-Up-Comedian als ein Poetry-Slammer – aber eben ein guter und ein gut unterhaltenes Publikum im Bühnenhaus glaubte ihm sofort, dass auch er sich bei diesem Auftritt bestens amüsierte.