Wehe, wenn sie „loose“ gelassen

Kevelaer. Bei so vielen und so peppigen Pop-Songs fällt‘s nicht leicht, auf den Plätzen sitzen zu bleiben. Kunststück, geht‘s doch in der Geschichte „Footloose“, die es erst auf die Theaterbretter, dann auf Zelluloid und schließlich auf die Musiktheaterbühne schaffte, um nicht mehr und nicht weniger als ums tanzen zu Meldodien, die seit dem Kinoerfolg von 1994 jeder zumindest mitsummen kann. Aus dem Tanzfilm wurde das Tanzmusical und das ist mittlerweile auch schon wieder 20 Jahre her. Und der „Hype“ hält an, jedenfalls lassen das die gut besuchte Vorstellung und das niedrige Durchschnittsalter der Besucher am Samstagabend in Kevelaer vermuten.
Einfach mitreißend
Schon der Aufmarsch eines Großteils der insgesamt 18 Schauspieler und Sänger dieser Produktion („London West End Musical Company“ in Zusammenarbeit mit „Seberg Showproduction“) durch den Zuschauerraum geriet mitreißend. Die nicht eben riesige Bühne in Kevelaer bot so eben Platz für die in Details wie in Gänze üppigen Choreografien, welche die durchweg sehr jungen Darstellerinnen und Darsteller mit Elan über die Rampe schickten.
Die dünne, auf der Realität in einer amerikanischen Kleinstadt beruhenden Geschichte der gegen ein Tanz-, Konzert- und Alkoholverbot rebellierenden Jugendlichen geriet ob der prallen Ausstattung mit Ohrwürmern schnell in den Hintergrund. So fiel nicht weiter auf, dass die Verlagerung der Geschichte in eine Amish-People-Gemeinde zwar zu Beginn nicht völlig aus der Luft gegriffen, gegen Ende jedoch reichlich abstrus erschien.
Das Ensemble bot durchweg hohe Qualitäten, sowohl was die Stimmen, als auch was die tänzerischen Darbietungen anbetraf. Birgit Widmann als Ariel und Alexander Wilbert als Ren ließen‘s ordentlich krachen, Lydia Gritz als Rusty und Max Menéndez Vàzquez als Willard sorgten als komiache Randfiguren für reichlich Spaß und Ági Heiter rührte als gefühlvolle Vi Moore.
Die oft in das Bühnengeschehen integrierte vierköpfige Live-Band sorgte für reichlich Druck aus den Lautsprechern, dem die Qualitäten der Headsets der Sängerinnen und Sänger manchmal nicht durch das Mischpult folgen wollten. Dennoch: Es rockte schon ordentlich, bei Bonnie Tylers „Holding out for a hero“, Deniece Williams‘ „Let‘s hear it for the boy“, und bei Kenny Loggins‘ Titelsong „Footloose“. Aber auch und gerade die Balladen gerieten in dieser Produktion zu Höhepunkten, etwa das spektakulär inszenierte „Somebody‘s Eyes“, das anrührende „Almost Paradise“, und das von der bereits erwähnten Ági Heiter ergreifend erzählte „Can you find it in your heart?“.
Eine solide Bühne, die Raum für die Choreografien, aber auch für szenisch stimmige Bilder, eine Leinwand, ein paar einfache, aber wandelbare Möbel ließ, ein stimmungsvolles Lichtdesign und ein paar entspannt-schmunzelige Regie-Einfälle von „Fifty schades of grey“ bis „Mutti“ Angela Merkel am Rande, ließen nie Langeweile aufkommen.
Das Kevelaerer Publikum belohnte die Mühen, die so wunderbar mühelos über die Rampe schwappten, mit langanhaltenden Standing Ovations und absolvierten die Zugabe ebenfalls im Stehen. Natürlich mit mindestens wippenden Füßen…