„Menschlichkeit in Zeiten von Digitalisierung & Biotechnologie“

Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) oder auch „CDU-Sozialausschüsse“ ist eine Vereinigung der CDU mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Gesellschaftspolitik. „Es gibt wohl keinen Ort, wo man besser über die katholische Soziallehre reden kann, als im Priesterhaus. Sie ist der genetischen Code der CDA und somit der CDU“, begründete Matthias Wirth, CDA-Kreisvorsitzender, den ungewöhnlichen Ort für eine politische Veranstaltung bei der Begrüßung.

Beim Informations- und Diskussionsabend zum Thema: „Menschlichkeit in Zeiten von Digitalisierung & Biotechnologie – Braucht die Soziallehre ein Update für das 21. Jahrhundert?“ waren 13 interessierte Kevelaerer und vier Gäste aus Kerken gekommen. Veranstalter war die CDA Kreis Kleve und die CDU Kevelaer-Mitte.

Bevor Wirth an den Referenten des Abends übergab, wies er darauf hin, dass in der zunehmend schnelllebigen Zeit, in der Orwells Welt immer realere Züge annehme und  Menschen zunehmend durch Maschinen ersetzt werden, immer die soziale- und Sinnfrage gestellt werden muss.

Als Referenten konnte Pfarrer Dr. jur. Christian Stenz aus Kerken gewonnen werden, der ein Impulsreferat hielt, das den Weg zum neuen Grundsatzprogramm der CDU aufzeigen sollte.

Da „den Menschen die Kenntnisse über die katholische Soziallehre abhandengekommen ist“, wie es Wirth formulierte, gab Stenz zunächst einen Überblick über deren Inhalte. „Evangelisierung und Soziallehre“, „Rechte und Pflichten der Kirche“, oder „Die Soziallehre unserer Zeit“, wurden angeschnitten. Dabei führte er aus, dass nach der Zusage, in der Offenbarung des Johannes (Kpt. 21,3), dass Gott seine Wohnung unter den Menschen nehmen wird, diese auch bereitet werden müsse. Die Soziallehre sei nicht als eine Idee von irgend welchen Menschen zu verstehen, sondern als ultimativer Auftrag Gottes. Hierbei ginge es nicht um das Reden, sondern um das Handeln. „Soziallehre setzt Gottes Wort in die Tat um“, sagte Stenz.

Er beschrieb die Weiterentwicklung der Soziallehre, die als eine Summe von Äußerungen der Kirche zu verstehen sei, durch einen ständigen Dialog mit anderen Wissenschaften, wie Philosophie, Rechts- und Sozial- sowie Naturwissenschaften. Hierdurch ergebe sich eine Interpretation der heutigen Welt, die sich unter anderen in den Enzykliken, den Lehrschreiben der Päpste widerspiegele.

Diese beschäftigen sich bereits im „Rerum novarum“ 1892 mit den neuen Dingen, fordern im „Populorum progressio“ 1967 weltweit humane Lebensbedingungen, befürworten im Schreiben „Sollicitudo rei socialis“ 1988 Demokratie, die freie Marktwirtschaft und Solidarität um letztlich in der Botschaft von Papst Franziskus „Laudato si“ 2015 den Blick auf die ganzheitliche Ökologie richtet, wo dazu aufgefordert wird, die Welt zu einer bewohnbaren Wohnung zu machen, in der auch die nächsten Generationen leben können.

Da die Weiterentwicklung immer aus dem Wort Gottes erfolge, käme so die katholische Soziallehre immer aus der richtigen Richtung.

Stenz wies auch noch auf die Prinzipien der katholischen Soziallehre hin. Diese seien die Personalität, bei der letzter Maßstab immer der Mensch sei: Die Subsidiarität, die Entscheidungen von der untersten Ebene festlege und die oberen Ebenen nur als Hilfegeber ansehe. Die Solidarität, bei der es bei Problemen im Alltag immer darum ginge: Einer für Alle, Alle für Einen. Die Nachhaltigkeit, die bestimmen würde, dass wir so handeln müssen, dass für spätere Generationen noch gute Lebensbedingungen vorhanden sind und schließlich das Gemeinwohl, welches zu einem gerechten Leben für alle Menschen führen würde.

Um zu zeigen, was katholische Soziallehre an Antworten auf dem Weg ins Zeitalter der Industrie 4.0 bereithalte, was sie für Lösungen biete um Menschsein in Zeiten künstlicher Intelligenz und Biotechnologie zu ermöglichen, beantwortete Stenz mit einer Erklärung der Stiftung CAPP. Sie beschreibt die „Ethik für ein Zeitalter der neuen Dinge“ und damit Verantwortung, Kreativität und persönliches Engagement im digitalen Zeitalter. An erster Stelle steht hier die Ausbildung im digitalen Bereich, denn nur so sei es möglich, dass nicht viele Menschen abgehängt werden, sondern die Technik erwerben, um die vorhandene Technik als Werkzeug zu nutzen.

In den Familien müsse es einen Dialog zwischen den Generationen geben, um Respekt und Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Technologieanwender müssten Schwache schützen, denen durch den Fortschritt droht, von Computern ersetzt zu werden. Bei der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten sei ein fließender Verlauf unumgänglich. Durch eine unvorbereitete und plötzliche Modernisierung würden sonst Menschen in ein Vakuum fallen, ohne Möglichkeiten der Anpassung zu finden. Gerechte Verteilung der Erträge wird gefordert, damit es nicht zu Klassenkämpfen kommt, sondern zu einer Zusammenarbeit.

Da, wo die Rechte der Arbeitnehmer wegfallen (Streik wird unsinnig, wenn Maschinen dann die Arbeit machen), müssen neue Mechanismen entwickelt werden, um Arbeitnehmer zu stärken. Bei den Banken wird eine Institualisierung der Rechenschaftspflicht eingefordert. Umweltschäden müssen durch Verursacher heute beseitigt und nicht auf die folgenden Generationen abgeschoben werden. Das Internet muss so modifiziert werden, dass Missbrauch und Menschenhandel verhindert wird. Die Wegwerfkultur, bei der über 30 Prozent der vorhandenen Lebensmittel vernichtet werden, muss aufhören und innovative Lösungen gefunden werden, um die notleidenden Menschen in armen Ländern zu unterstützen. Kreativität und Verantwortung muss als Grundlage der Gerechtigkeit gefördert werden.

Die CAPP hat diese Erklärung an den heiligen Vater nach Rom geschickt und hofft, dass ein Teil der Erklärung in die nächste Enzyklika einfließt.

Im Anschluss fand noch eine rege Diskussion statt, die aufgrund der Intensität den gesetzten zeitlichen Rahmen deutlich überschritt. Ob die Soziallehre ein Update benötigt, wurde nur indirekt beantwortet.

Zur Person

Dr. Christian Stenz, 1962 in Ludwigshaven geboren, der zunächst Jura studierte und als Personalleiter in der Medien- und Pharmaindustrie in Berlin, Dresden, Paris und Asien im Einsatz war, beschloss mit 40 Jahren Priester zu werden. Nach seiner Priesterweihe durch Bischof Dr. Felix Genn 2015, wurde er im November 2018 Pfarrer von St. Dionysius in Kerken. In diesem Jahr wurde er auch Mitglied der päpstlichen Stiftung Centenimus Annus Pro Pontifice (CAPP) die sich die Förderung der katholischen Soziallehre zum Ziel gesetzt hat.