Schauspielerin aus Leidenschaft

Beim Blick in die Theatermappen der vergangenen 40 Jahre muss Gisela Franzen lächeln. „Das war meine Paraderolle“, erinnert sich die 67-Jährige mit Blick auf das Bild, das sie als „Meta Bold“ in dem Stück „Tratsch im Treppenhaus“ zeigt.
Den Bezug zum Theater verdankt sie ihrem Vater, der bei Otterbeck in der Schuhfabrik als Vorarbeiter arbeitete und im „Theaterverein Gemütlichkeit“ lange selbst aktiv war. „Er ist schon 1950 in den Verein eingetreten“, erzählt Franzen, die sich als Kervenheimer „Ur-Frosch“ bezeichnet.
Damals wurde das Theaterwesen in der Ortschaft wiederbelebt, nachdem es im Dritten Reich geruht hatte. Franzen erinnert sich an die Zeit, wo sie als Kind zu den Generalproben mitkommen durfte: „Die alte Theatergruppe war in dem Haus Spittmann, wo heute der Trödelladen drin ist.“
Schon damals übte das Geschehen auf der Bühne eine unheimliche Faszination auf sie aus: „Die Atmosphäre, diese Nervosität, die sich zum Publikum herunterwälzte. Das hat mich direkt begeistert.“ Rollenspiele habe sie immer gern gemacht, sich „als Kind aber nicht so getraut.“
Das Mädchen ging erstmal in Kervenheim in die Grundschule und später auf das Kevelaerer Gymnasium. Gisela Franzen wurde Bankkauffrau. Sie arbeitete bei der Xantener Commerzbank, dann in einer Kevelaerer Firma in der Datenverarbeitung. 1982 war sie dann stundenweise bei Jürgen Aben in der Provinzial-Geschäftsstelle tätig, ab 2001 bei Mera „Mädchen für alles.“
Zwischendurch wohnte sie mit ihrem Mann,, auch ein Banker“, erst über der Kevelaerer, dann über der Winnekendonker Volksbank. 1978 und 1980 werden ihre beiden Töchter geboren. Und heute genießt das Paar gemeinsam den Ruhestand in Kervenheim.
In den „Theaterverein Gemütlichkeit“ trat Gisela Franzen 1979 ein: „Die jüngeren Mitglieder haben Karneval forciert, da war ich mit führend.“ Sie brachte die erste öffentliche Sitzung mit „De Jäcksges“ auf die Bretter. „Das hat viel von meinem Engagement in Anspruch genommen.“
„Du kannst sein, was Du im wahren Leben nie sein kannst.“
Wann sie das erste Mal Theater spielen durfte, weiß sie nicht mehr genau. Es war wohl Anfang der 80er Jahre. Sie bekommt bis heute „die extremen Rollen“ zugewiesen, sagt sie selbst: „Ich bin jetzt auch im Spielleiterteam, aber übe darauf keinen Einfluss aus.“
Mal ist sie bei „Love & Peace“ die ältere Hippiemama, dann die durchgeknallte Wahrsagerin oder spielt bei „Taxi, Taxi“ eine von zwei englischen Geliebten, die vor einem kreativ gestalteten Bühnenbild gleichzeitig agieren. „Das war eine schöne schauspielerische Herausforderung“, findet Franzen, die von 1992 bis 2005 Vorsitzende des Vereins war.
Doch was reizt sie am Theater? „Dieses Reinschlüpfen und diese Verwandlung in eine andere Rolle“, antwortet die agile Frau. „Du kannst das sein, was Du im wahren Leben nie sein kannst.“ Daraus entstehe ihr persönlicher Antrieb. „Ich versuche die französische Dame zu sein und die Wahrsagerin so im Dialekt zu sprechen oder Kölsch, das fällt mir leicht.“
Für sie ist es etwas Besonderes, wenn es gelingt, „über die imaginäre Schwelle zu hüpfen“ und „die andere Persönlichkeit darzustellen. Dann hat man eine Bestätigung in der Tasche“, so wie bei ihrer „Paraderolle als „Meta Bold“, der negativen Tratschtante.
“Um diese Rolle habe ich gekämpft wie um keine anderen“, gesteht sie. „Da habe ich lange gebraucht, um damit zufrieden zu sein.“ Das gelang ihr erst, als die Bewohner von St. Bernardin zu der Generalprobe in die Gaststätte „Brouwers“ kamen. Da kam sie dann von unten aus dem Kellerraum heraus und ließ ihre „Tiraden“ ab.
„Nach der ersten Runde war da unheimliches Gemurmel. Beim nächsten Erscheinen ging ein fürchterlicher Tumult los. Die haben mich richtig ihren Hass und ihren Umut auf diese Person spüren lassen.“ Später kommen die Zuschauer auf sie zu und sagen ihr: „Toll gespielt, aber was für eine fiese Frau.“
Immer wieder wird das Stück in der Theatergruppe angesprochen: Aber es so noch ein zweites Mal auf die Bühne zu bringen, „das wird man nicht erleben können.“
Heute sind es mehr die moderneren Komödien und Boulevardstücke als das „klassische“ Ohnsorg-Theater, was sie mit ihren Kollegen in Kervenheim auf die Bühne bringt: „Wir müssen aber auf das Ensemble Rücksicht nehmen.“
Sie ist froh, „dass wir Nachwuchs gefunden haben“, auch die Älteren mit einbezogen werden, „um das Gemeinschaftsgefühl“ mit nach vorne zu bringen. Und die viele Aktiven hielten die „Fahne“ des Vereins mit hoch.
2019 wird der Verein zum 140-jährigen Bestehen ein neues Stück aufführen, am 26. und 27. Oktober und am 1. und 3. November. Welches Stück es sein wird, das wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Aber es wird was Komödiantisches sein: „Die Menschen wollen lachen und sich entspannen“, sagt Franzen.
Theater spielen will sie, solange es geht. „Aber wenn ich spüre, dass es für die Mitspieler eine Last ist, dann würde ich aufhören.“ Sich so wie „Jopi“ Heesters „auf die Bühne rauf- und runterschieben lassen, das möchte ich lieber nicht.“