Ein besonderer Streifzug

Immer wieder dazulernen – diesem Gedanken fühlten sich viele Neugierige verpflichtet, die sich dafür interessierten, wie die Geschichte der Wallfahrt sich seit den Zeiten des Handelsmannes Hendrik Busman weiter entwickelt hatte. Das ging selbst Wilhelm Brocks, dessen Frau als erfahrene Stadtführerin des Verkehrsvereins die Gruppe führte, so: „Sie hat immer wieder was Neues.“

Eine 50-jährige Dame aus Winnekendonk, die ihren Namen nicht preisgeben wollte, meint: „Das sind so die Perlen an Wegesrand – man kann nie genug über seinen Lebensort erfahren. Und der Spirit ist ganz besonders hier.“

Vom Büro der „Info-Wallfahrt“ an der Ecke Kapellenplatz/Maasstraße schlenderte die Gruppe dann Richtung Marienbildnis. Wynants-Brocks führte in die Zeit um 1641 zurück, als die Menschen, die vom Ertrag nicht leben konnten, auf der Straße unterwegs waren. Der Gelderner Handelsmann Henrik Busman sei einer derjenigen gewesen, „der auch immer Neuigkeiten auf seinen Wegen mitgebracht“ hatte. Bis ihm dann inmitten der Kevelaerer Heide eine Stimme auftrug: „Ihr sollt mir hier ein Kapellchen bauen“ und das Bild 1642 eingesetzt wurde.

Damals habe es für Pilger „keine Eisdiele oder Café gegeben“, machte sie deutlich, dass „die Pilger zunächst „so auf sich selbst gestellt waren“, trotz der dauerhaften Bautätigkeit, die dann einsetzte. „Oft legte man sich unter den Pferdeanhänger auf freiem Feld.“

Das Priesterhaus sei später dann die erste offizielle Pilgerstätte gewesen – aber „quasi erst der Tropfen auf dem heißen Stein.“ Kevelaer habe dann die Chance erkannt und schlichte Häuser gebaut. 1757 habe es 54 Wirte gegeben, ein Jahrhundert später nur noch 25. „Das hatte wohl mit den hohen Steuern und Abgaben zu tun“, vermutete die Führerin.
Übernachtungen gab es über Jahrhunderte in Privathäusern – bis in die Neuzeit, so die Stadtführerin. „Eine Frau Ende 70 erzählte mir, sie sei nachts von den Eltern geweckt worden: „Es kommt ein Gast, steh auf.“

Ein paar Schritte weiter ging die Stadtführerin auf den Bau der Kerzenkapelle und die Streitigkeiten um die Öffnung ein, die dazu führte, dass sie jahrelang geschlossen blieb. Sie reichte dann immer wieder Bilder herum – wie vom Kapellenplatz ungefähr 60 Jahre nach seiner Begründung: „Man muss da staunen, was da schon alles gebaut wurde.“ Oder sie verwies auf den Besuch Friedrich Wilhelm I. in Kevelaer. „Als Protestant?“, fragte da eine Frau überrascht.

An der Stele der interreligiösen Wallfahrt verwies die Führerin auf die aktuellen Ansätze der Wallfahrt. „Was mir da ganz persönlich noch fehlt, ist was Muslimisches“, verwies sie auf zwei Säulen der Basilika, wo man einen Davidstern sehen könne. „Aber ich hab nirgendwo einen Halbmond gesehen.“

Auch die Hochkonjunkturzeit Mitte des 19. Jahrhunderts war ein Thema – mit dem Eisenbahnanschluss 1863, dem Bau der Basilika, dem Ausschmücken der Fassade und den vielen Künstlern, die kamen.
„Und das ist der alte Pilgerweg, der heute noch von Gruppen beschritten wird“, gingen alle die Hauptstraße entlang, der als Hauptgeschäftsweg auch Sitz diverser Devotionaliengeschäfte war.

Bei Stassen endete am Ende der Hauptstraße der Wallfahrtsweg. Mit Blick auf die Antonius-Kirche unterstrich Renate Wynands-Brocks den Gedanken, „dass die Kirche auch schon da war, als der Bussman hier unterwegs war“.Sie skizzierte den Kontrast zwischen den arbeitenden Frauen, die „für die Versorgung der Pilger putzen und kochen“ mussten, während die Männer und die Wirte die wichtigen Dinge beim Frühschoppen beredeten.

Da war dann die Geselligkeit ein Thema und ein Ausdruck der Verbundenheit zur Wallfahrt im Alltag, wo ein umgedichtetes Trinklied auf Platt gesungen wurde.

Wynands-Brocks erinnerte sich selbst an ein niederländisches Marienlied, das sie als Kind noch kannte und ihre Kinder von der Oma gelernt haben. „Das zeigt, wie sehr viele Kevelaerer mit diesem Thema verbunden sind und das zum Alltagsgeschehen dazugehörte.“