Cool-subversiver Un-Sinn

Dass Kevelaer kein Ort ist, wo sich großstädtische Subkultur breitmacht, scheint auf der Hand zu liegen. Dass sich aber mit dem KuK-Atelier nahe der Basilika ein Ort gefunden hat, an dem auch mal Künstler ganz anderer Art aufschlagen, davon konnte man sich beim Konzert von Henning Sedlmeir überzeugen.

„Er singt radikal subjektiv, mit starken Emotionen und absichtlichen Übertreibungen, die amüsieren, überraschen und alles andere als konventionell sind“, erklärte KuK-Inhaberin Frederike Wouters später, warum sie den Künstler bereits zum zweiten Mal eingeladen hatte. „Bei seiner Performance verbiegt er Wahrheiten und zeigt uns, dass jede Wahrheit nur eine vorübergehende Wahrheit ist“, kündigte sie den 52-jährigen Berliner mit saarländischen Wurzeln vor den gut zwei Dutzend Zuhörern als „Erfinder des Gozo-Rock´n Roll“ an.

Atmosphärisch und subtil-schräg. Foto: AF

Und Sedlmeir präsentierte sich tatsächlich „überraschend“, skurill und wahrlich unkonventionell – begleitet von einem Sound-Playback, selbst die Gitarre oder die Mundharmonika bedienend. Dabei bot er musikalisch einen Mix aus schlichtem Synthie-Pop mit DAF- und Kraftwerk-Einflüssen, gepaart mit gitarren-knarzender Punk-Rock-Attitüde. Dazu gesellten sich so wunderbar eigenwillige Textzeilen mit sinnfreier Ästhetik wie „Du bist gut zu mir und ich kaufe dir ein Bier und wir sitzen da bis morgens um vier“, „Ich spendier dir einen Zungenkuss, weil es einer tun muss“, „Ewiger Disco-Schuh, bring mich nach irgendwo“, „Tiere brauchen Rock´n Roll“ oder „Mathematik ist der Triumph der Kreatur im Sumpf“.

Und wer mag sonst auf die Idee kommen, Stücke wie „Lied gegen die Jugend“, „Senioren gegen Faschismus“, „Fluchtpunkt Risiko“, „Oberklasse-Unterschicht“ oder „Ein guter Tag zum Stehen“ zu schreiben. Der Betrachter schwankt zwischen Lachen, kopfschüttelndem Unverständnis und Anerkennung für den Mut, mit subversiv-intellektuellem Un-Sinn die Welt aufmischen zu wollen.

Dazu kommt ein Künstler, der nach dem dritten Song sagt: „Ich bin jetzt schon im Arsch“, um dem Publikum zu empfehlen: „Wer Tee will, muss eine Pause machen“ und seine Platte „Fluchtpunkt Risiko“ als „Meilenstein der Stereo-Ära der nächsten 50 Jahre“ anzupreisen. Mit Videoschnipseln und Worteinblendungen sorgte der Musiker noch für eine visuelle Komponente seines Auftritts.

Und nach gut zwei Stunden konnte man den Eindruck gewinnen, als habe der Künstler einiges gesagt, ohne viel Sinniges gesagt zu haben. Aber genau darin lag seine subtile Kunst – Dinge so ganz anders anzusprechen, als es gewöhnlich ist. Dazu passte auch die Bemerkung des Musikers zu seinem eigenen Antrieb: „Das kommt so aus mir raus, das ist so drin.“