Aus dem Dschungel befreit

Ohne Zweifel ist die Schulentlassung eine der markanten Wegmarken im Leben eines jeden Menschen. Am gestrigen Mittwochvormittag war die Schulgemeinschaft der Hauptschule Kevelaer zusammenzukommen, um ihre diesjährigen Abgänger „ins Leben“ zu entlassen. Ob man dabei nun mehr das Ende eines Lebensabschnitts betonen oder den „Zauber eines neuen Anfangs“ beschwören möchte, ist im Grunde gleichwertig und so widmeten sich auch zahlreiche Beiträge mal der einen und mal der anderen Perspektive.
Schulleiterin Renate Timmermann begrüßte Schüler, Eltern, Lehrerkollegen und Ehrengäste dieses Vormittags. Allerdings sollen an so einem besonderen Tag natürlich die Schüler im Mittelpunkt stehen und so übernahmen die charmanten Damen Laura Fleddermann und Lorentina Aslani die meiste Zeit die Moderation des gut zweieinhalbstündigen Programms, das unter dem Motto „Ich bin ein Schüler – Holt mich hier raus!“ stand.
Erster Beitrag war eine Darbietung des Kurses Darstellendes Spiel/Gestalten der Gesamtschule Kevelaer-Weeze. „Fehler sind menschlich!“ – Dieser nur allzu natürlichen, aber nicht immer als selbstverständlich begriffenen Eigenschaft von uns allen widmeten sich die Schüler in verschiedenen Szenen, die sowohl ihren Spaß an der Schauspielerei als auch am gemeinsamen Tanz erlebbar werden ließen.
Der Ernst des Lebens holte alle aber mit der ersten Rede schnell wieder ein, obwohl Bürgermeister Dr. Dominik Pichler eben genau darum bemüht war, diese kurzweilig vorzutragen. Das am Beginn stehende Zitat von Sokrates, der die Verderbtheit der Jugend tadelt, dürfte hinlänglich bekannt und so manchem in der Schulzeit begegnet sein. Doch bei aller Aktualität der Schelte durch den großen Philosophen liegt in der Gewissheit, dass er diese bereits vor 2400 Jahren formulierte, der Trost, dass manches verwerfliche Verhalten der Heranwachsenden in einer gewissen Kontinuität steht – kurzum, eine Aufforderung an die Älteren, Ruhe zu bewahren und Zeit zur Entwicklung zu geben. Schlussendlich gab Pichler den jungen Leuten die Einsicht Konfuzius‘ mit den auf den Weg, dass der Mensch drei Wege beschreiten kann, klug zu handeln: den Weg des Nachdenkens – der Edelste –, den Weg der Nachahmung – der Leichteste – und den Weg der Erfahrung – der Bitterste.
Hinter einem erfolgreichen Jahrgang stehen nicht nur Lehrer, Sonderpädagogen, Schulsozialarbeiter und all die Menschen im Hintergrund, die einen Schulbetrieb erst möglich machen, sondern auch die Eltern. Allen gebührlich zu danken übernahmen sowohl die Schülervertreter als auch später im Verlauf des Vormittags die Schulleiterin Renate Timmermann. Beim Dank von Torben Schellenberg als Schülervertreter an die Lehrer war auch eine gewisse Einsicht an manche schülertypische Schandtat und Grenzüberschreitung zu spüren, die den einen oder anderen im Saal zumindest schmunzeln ließ.
Wenn der Tag schon unter einem Motto in Anlehnung an das hinlänglich bekannte TV-Format stand, so galt es nun auch ein paar „Dschungelprüfungen“ zu absolvieren. Mal standen Schüler und mal Lehrkräfte im Fokus und mussten Quizfragen beantworten oder sich Prüfungen mit zumindest „simuliertem Ekelfaktor“ stellen – die Regenwürmer aus Gelatine dürften am Ende wohl doch geschmeckt haben. Impressionen der durch die ganze Stufe absolvierten Berlinreise rundeten den „Showteil“ des Programms ab. Mehrfach kam zum Ausdruck, dass es sich dabei um ein ganz besonderes Highlight des Schuljahres gehandelt haben muss.
Das Finale des Vormittags bildete die Übergabe der Zeugnisse an die Schüler durch ihre Klassenleiter Rebecca Elger, Pia Heine, Bernd Druyen und Kerstin Kindermann. Insgesamt 54 Schüler aus drei Klassen durften das wohl heißersehnte Dokument in Empfang nehmen. Besondere Leistungen wurden dabei auch gewürdigt. Stellvertretend sei an dieser Stelle Jasmin Krawinkel aus der Klasse 10A2 von Bernd Druyen für ihre besonders guten Prüfungsergebnisse genannt. Aber nicht nur besonders gute Prüfungsergebnisse, auch das über das Normale hinausgehende Engagement fand Würdigung, zum Beispiel bei der Vorbereitung dieser gut organisierten Veranstaltung oder der Erstellung der Abschlusszeitung.
Freude und Nachdenklichkeit liegen an so seinem Tag oftmals dicht beieinander. Einerseits werden die Schüler der neunten Jahrgangsstufe, die sich in diesem Jahr um Gastronomie und Technik hervorragend kümmerten, die letzten sein, die an der Hauptschule Kevelaer ihren Abschluss erwerben – eine Ära geht zu Ende. Andererseits macht auch die Zahl nachdenklich, dass nur neun der 54 Absolventen nach derzeitigem Stand ein Lehrverhältnis aufnehmen werden. Und sollte es nicht gerade die Hauptschule sein, die Nachwuchs für Gewerbe und Handwerk qualifiziert?