Zwischen Hoffen und Bangen

Ein Jahr ist es her, dass eine Hitze wie in den Tropen mit knapp 38 Grad nicht nur für volle Schwimmbäder und Eiscafés sorgte, sondern die Landwirte der Region hinsichtlich ihrer Ernten wortwörtlich „ins Schwitzen“ brachte.
Schon zu dieser Zeit hatten die beiden Kervenheimer Johannes van den Boom und Thomas Cleven die Sorge, dass sich das Klima auf ihre Finanzen und ihre Produktion massiv auswirken würde. „Die Befürchtungen von damals haben sich bestätigt“, sagt van den Boom.
Er führt seit 2009 in der dritten Generation einen 150 Hektar großen Betrieb mit 180 Milchkühen, Mais, Grünland, Weizen, Gerste und Rüben. Die Dürre, die bis Herbst herrschte, habe das Grünland verdursten lassen. Nur 50 Prozent seien zu ernten gewesen. Und beim Mais waren 30 Prozent an Schaden zu bewältigen. „Es gab Futterknappheit, wir mussten Futter zukaufen“, berichtet der 32-Jährige.
Nicht nur Weizen für Kühe
Die Qualität der Maisernte war 2018 das größte Problem und die Kühe hätten nicht so viel Ertrag gebracht. „Man kann halt nicht nur Weizen füttern, die Tiere brauchen als Wiederkäuer die diversen Grundfutterkomponenten wie Mais und Gras. Das funktioniert nicht – auch aus gesundheitlicher Sicht.“ Man versuche, Futtervorrat für ein knappes halbes Jahr zu halten, ergänzt sein Kollege Thomas Cleven. „Aber wenn man zwei solche Jahre hintereinander hat, dann ist der Puffer irgendwann weg.“
Cleven baut auf seinem 140 Hektar großen Areal in der vierten Generation Mais und Gras für die Fütterung seiner 300 Milchkühe an. Dazu kommen Zuckerrüben und Kartoffeln für die Direktvermarktung.
„Als wir den schlechtesten Mais weg hatten und den besseren Mais verfütterten, ging die Milchleistung auf halbwegs normales Niveau. Davor war sie sehr im Keller, wo man das nicht ausgeglichen kriegt.“ Teuer erzeugen, die Felder beregnen und trotzdem weniger Milch melken – „das haben wir quasi doppelt bezahlt“, sagt der 41-jährige Landwirt.
Beim Grünland habe er statt fünf nur zwei Schnitte gemacht und auch „sehr viel Mais“ zugekauft. „Ich glaube, es waren 60 Hektar – das ist dann schon fast eine sechsstellige Summe.“ Und bei der Milch gab es finanzielle Einbußen von „20 bis 30 Prozent“.
Verständnis der Verbraucher
Diese Verluste spiegelten sich nicht an der Ladentheke wider, sagt Cleven. „Bei der Kartoffel war das anders, da hatten die Leute Verständnis dafür, dass die im Geschäft mehr Geld kosten.“ Aber Milch sei ein Produkt, „das weltweit gehandelt wird, und der Verlust hier gleicht sich an der anderen Ecke der Welt wieder aus.“

Die Hitze macht dem Anbau von Thomas Cleven und Johannes van den Boom zu schaffen Foto: KB-Archiv


Dazu komme die Tatsache, dass es in den vergangenen fünf bis zehn Jahren immer mehr Auflagen gegeben habe. Viele davon seien „umweltmäßig“ sicher auch richtig, sagt Thomas Cleven. „Aber wir kriegen dafür keinen Cent mehr und müssen die Produktion dadurch lukrativer gestalten.“
Diese Kosten, und sicher auch die Dürre, führten langfristig dazu, immer weniger Tiere zu haben und da dann auch nur die Effizientesten, um Kosten zu sparen. „Immer größer, immer mehr, bringt uns ja auch nicht weiter“, sagt Johannes van den Boom. „Aber wir müssen auch mit weniger Tieren Geld verdienen.“
Nach der „miserablen Ernte durch den Starkregen 2016“ und der „Vollkatastrophe 2018“ blicken beide mit einer Mischung aus Hoffen und Bangen auf 2019. „Dieses Jahr wird auch sehr schwierig“, lautet Clevens Prognose. Wirklich viel geregnet habe es nicht, bei 40 Grad seien ein paar Zentimeter Regen in drei Tagen wieder weg.
Keine Entwarnung
Und ein Grundwasser-Puffer von 1,50 Meter sei auch nicht mehr da, die Böden seien trocken. „Am Samstag waren es 15 Millimeter Regen – ich bin danach durch das Feld gegangen, das war trotzdem wie Staub“, berichtet van den Boom. Seine Hoffnung ist trotzdem, dass „der Weizen keine Vollkatastrophe“ wird. Da seien die nächsten drei, vier Wochen und Regen entscheidend.
Schon jetzt ließen sich Felder beobachten, auf denen der Mais in der oberen Etage bei 40 Grad einfach verbrannt ist. Direkt daneben stehen aber auch Maispflanzen, dank der wochenlangen, eigenen Beregnung noch ganz gut da.
Da es in anderen Teilen Deutschlands normal geregnet habe, könne man sicher diesmal besser Weizen zukaufen, wenn nötig. 2018 war das nicht möglich, weil die Trockenheit bundesweit zuschlug. Und beim Getreide werde es vielleicht auch nicht so schlimm. Die Verluste würden wohl geringer ausfallen, glaubt Cleven. „Das Dramatische ist nur, dass man auch noch die Löcher von 2018 stopfen muss.“
„Von vier Jahren hatten wir jetzt drei extreme Jahre“, meint auch van den Boom. „Jetzt müsste man eigentlich mal fünf, sechs normale Jahre haben.“ In seinen Worten schwingt der Zweifel daran mit. „Man kann nicht abstreiten, dass sich da irgendwas verändert hat“, sagt der Landwirt.
Versicherungsfälle
„Meine Eltern haben nie über eine Beregnung oder Bewässerung nachgedacht oder über eine Hagel- und Starkregenversicherung. Die haben wir jetzt schon dreimal in Anspruch nehmen müssen.“ Van den Boom denkt darüber nach, sich eine Beregnungsmaschine selbst anzuschaffen, „um mit solchen Dingen zurechtzukommen.“
Natürlich habe man auf der Landwirtschaftsschule vor 20 Jahren und insgesamt in der Gesellschaft schon vom Klimawandel gehört. „Jetzt kommt er an“, sagt Thomas Cleven.
Als Landwirt habe man aber bei den Wetterextremen nur geringe Möglichkeiten, sich auf Hitze oder Starkregen einzustellen. Irgendwie müsse man planen können. „Wir haben mal vor Jahren Luzerne angebaut, die Hitze besser verträgt, aber hatten leider keinen kalten Winter“, erzählt van den Boom, „darum haben wir damit aufgehört.“
Oder man könnte auf Wintergerste umsteigen. „Keiner weiß aber, wie sich das Wetter im nächsten Jahr wieder ändern wird.“ Und legt man wie im letzten Winter Mulchsaate an, lockt man damit Schädlinge wie den Drahtwurm an, die den Mais im Frühjahr fressen.
Ein ehrlicher Milchpreis
Die Landwirtschaft könne den Umweltschutz nicht alleine tragen, meint auch van den Boom. „Die Verantwortung muss auch bei dem Verbraucher, bei allen liegen.“ Dazu gehören ein allumfassender gesellschaftlicher Ansatz, der Kauf regionaler Produkte und ein ehrlicher Milchpreis, mit dem man die Situation finanziell besser auffangen kann. „Lebensmittel müssen langfristig einfach teurer werden“, meint Johannes van den Boom.
Beide wollen nicht den Eindruck erwecken, als würden die Landwirte mitleidig herumjammern. Aber sie sehen die Perspektive, dass es hier sonst irgendwann weniger Landwirte und mehr Produkte aus dem Ausland geben werde.
„Massenhaft Schweine werden heute schon aus Dänemark importiert“, versichert Cleven. Und die Bestandteile der Eiernudeln kämen aus Ländern wie Bulgarien, wo man nichts über die Tierhaltung wisse. „Das muss beim Verbraucher mal ankommen“, so Cleven.
Man habe Technik, sei innovativ und produziere mit die besten Lebensmittel der Welt. „Aber das muss auch jemand bezahlen.“ Schon jetzt würden Kollegen aufgeben, sicher nicht nur wegen der Dürre. „Das ist vielleicht das Tüpfelchen auf dem I“, sagt Cleven. „Das aber kann nicht unser Ziel sein.“