Wie aus dem Sketch ein Stück wird

Beim Boulevard-Theater klappern Autoren und Schauspieler, die ihr Handwerk verstehen, oft mit den Türen. Bei „Dinner for One“, einem Boulevard-Stück das dem berühmten Sketch nachspürt, verzichtete man fast vollständig auf Türen und beließ es bei Türrahmen. Besser so, schließlich spielt der Hauptdarsteller sechs Männerrollen und darf sich dementsprechend oft in Sekundenschnelle umziehen – eine schauspielerische Meisterleistung, bei der Türen nur im Weg wären.

Der künstlerische Leiter der Comödie Dresden, Christian Kühn, ist eigentlich zu jung und zu schlank für das Bild des gealterten Buttlers James, das wohl jeder aus dem Sketch vor Augen hat – und doch parodiert er ihn nach der Pause, als ebendieses „Dinner for One“ über die Bühne geht, beinahe originalgetreu. Mehr noch: Er setzt noch ein paar schöne Spitzen obendrauf.

Dabei hat er schon im ersten Akt überzeugt und die vier männlichen Gäste des Dinners, die wir ja alle nur als Verstorbene kennen, auf eindrucksvolle Weise zum Leben erweckt. Die um den Sketch gestrickte Rahmenhandlung, für die Kühn, seine Spielpartnerin Dorothea Kriegl und Genre-Tausendsassa René Heinersdorff verantwortlich zeichnen, ist wie der Silvesterklassiker selbst recht simpel gestrickt. Genau das aber erfordert schauspielerische Höchstleistungen und eine unerhörte Detailverliebtheit. Kühn und Kriegl boten beide Beides in hervorragender Weise.

Zunächst und immer wieder zwischendrin verkörperten sie ein junges Journalisten-Pärchen auf der Suche nach einer möglichst reißerischen Story hinter dem Ereignis im Sketch. Sehr gut nachvollziehbar zeigten sie auf, wie die beiden jungen Leute immer mehr in die Geschichte hineingezogen werden – bis sie schließlich in die Rollen der Miss Sophie, des James und der vier Gäste in jungen Jahren schlüpften und damit die Geschichten hinter dem Sketch lebendig werden ließen.

Die Ideen zu den Figuren und ihren Lebensgeschichten waren so skurill wie einfallsreich und ließen den Spannungsbogen in rund einer Stunde Spielzeit bis zur Pause nie abreißen. Naturgemäß hatte Christian Kühn bei seinen Sprüngen von einer Rolle in die nächste und zurück eine Wahnsinnsarbeit zu leisten – die er aber mit einer außergewöhnlichen Leichtigkeit und einem ständigen Draht zum Publikum gekonnt über die Rampe brachte. Dorothea Kriegl stand ihm in ihrem Können in nichts nach und spielte vor der Pause eine wunderbare junge Miss Sophie, die gekonnt-kokett das Geheimnis um ihre Verbindung zu den vier Herren und Butler James lüftete.

Letzterer war dann auch die Verbindung zur Story nach der Pause, die mit dem Sketch begann. Nachdem der mit hoher Originaltreue für begeisterte Wiedererkennungsmomente gesorgt hatte, und das junge Journalisten-Pärchen auf der Bühne noch über das ,was bisher geschah‘ reflektierte, folgte ein Theaterkunstgriff, der auch schon mal daneben gehen kann: Die Schauspieler stiegen aus ihren Rollen aus und ließen alle Masken fallen. Doch in diesem Falle war das fast schon logische Konzequenz des Spannungsbogens – und mit einem kleinen Schlussgag sogar noch ein i-Tüpfelchen.

Jubel und stehende Ovationen gab es vom Publikum für einen wunderbaren Theaterabend im ausverkauften Kevelaerer Bühnenhaus.