Verleihung des Marketing-Preis-Kevelaer bot Spannung und Unterhaltung

Diesmal gab es kaum Kritik: Die Verleihung des Marketing-Preis-Kevelaer 2016 war ein unterhaltsamer und spannender Abend. Im Mittelpunkt standen die diesjährigen Gewinner: die Kaffeerösterei „Kaffeehimmel und Co“ in der Kategorie „Unternehmensgründung“, die „Möllenhof GmbH“ in der Kategorie „Agrobusiness“ und „Walther Faltsysteme“ in der Kategorie „Dienstleistung, Handwerk und Handel“. Über den Sonderpreis freuten sich die Bewohner des Achterhoek.
Zunächst allerdings war der Mittwoch ein Abend der beschwingten Reden. Moderator Christoph Kepser führte launig und souverän durch die Veranstaltung, und Bürgermeister Dr. Dominik Pichler hielt eine muntere Begrüßungsrede, die trotz der für ihn rekordverdächtigen Länge nicht langatmig wurde. Dabei diente die Länge nicht zuletzt dazu, die wenigen Minuten zu überbrücken, die Festredner Christian Lindner verspätet eintraf.
Im Vorfeld der Preisverleihung war die Personalie Lindner in mancher Ratsfraktion mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl fürchteten einige Politiker eine Wahlkampfrede des FDP-Bundesvorsitzenden. Wahlkampf wurde dem 37-Jährigen also im Vorfeld schon untersagt. Aber hat es wirklich jemanden überrascht, dass der Vortrag über die wirtschaftliche Situation Deutschlands am Ende doch nicht unpolitisch bliebt? Wie hätte das auch gehen sollen.
Linder teilte in seiner Bestandsaufnahme allerdings gleichmäßig aus. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien „historisch einmalig“, Deutschland müsse viel stärker wachsen. Und: „Das Thema ist Verteilung, sondern Sicherung des Wohlstands.“ Später stellte Lindner allerdings fest: „Die Bedrohung des Wohlstands ist nicht der Sozialismus, sondern der Bürokratismus.“ In diesem Zusammenhang kritisierte er das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Einschränkungen durch den Landesentwicklungsplan und auch den jüngsten Klimaschutzplan aus dem Ministerium von Dr. Barbara Hendricks – was ihm später im Internet reichlich Kritik aus den Reihen der SPD einbrachte.
Der Landtagsabgeordnete scherzte aber durchaus auch auf Kosten der eigenen Partei: „Wenn ein SPD-Bürgermeister den Vorsitzenden der FDP einlädt, dann ist das ein Zeichen, dass die Solidarität mit Schwächeren in der SPD keine leere Phrase ist.“ Und als nach einer Forderung im Saal ein, zwei Personal Beifall klatschten, fragte Lindner ins Publikum: „War das die FDP-Ratsfraktion?“
Eine zentrale Forderung des Liberalen betraf den Ausbau der Infrastruktur. „Ich hätte meine Verspätung ja angekündigt, aber ich hatte kein Netz“, nahm er Bezug zum Thema. „Schlaglöcher besorgen mich nicht so sehr wie Funklöcher.“ Sein Vorschlag: Die Post AG verkaufen und die acht, neun Milliarden Euro in den Breitbandausbau investieren. „Wer mit Platz acht in Europa beim Breitband zufrieden ist, der ist auch mit Platz 8 in Lebensqualität zufrieden“, kritisierte er.
In seiner Rede lobte der FDP-Vorsitzende das Handwerk und den Mittelstand als Säulen der Wirtschaft. Er kritisierte aber auch, der Mittelstand investiere zu wenig in moderne Prozesse und entnehme zu viel Geld ins Privatvermögen. Eine der Ursachen dafür sah Lindner in der Verunsicherung bei Erbschaftssteuer und Spitzensteuersatz. Zur Kasse bitten solle der Staat besser die „Apples, Googles und Ikeas dieser Welt“, die praktisch keinen Cent zum Gemeinwohl beitrügen.
AnzeigeIm zweiten Teil des Abends wurden die Preisträger – wie schon im Vorjahr – durch gelungene Filme vorgestellt. Einmal mehr stellte sich die Frage, inwieweit die Lobreden durch Wirtschaftsförderer Hans-Josef Bruns überhaupt noch erforderlich sind. Bruns gab sich jedenfalls Mühe, inhaltliche Überschneidungen mit den Filmen gering- und die Länge der Reden kurzzuhalten. So erfuhren die Gäste im Konzert- und Bühnenhaus unter anderem, dass im Kaffeehimmel im Oktober Kaffee für 56.000 Tassen geröstet wurde, auf dem Müllenhof täglich zwischen 20- und 25.000 Eier gelegt werden und Walther Faltsysteme mehr als zwei Millionen Faltboxen pro Jahr umsetzt.
Dem Sonderpreisgewinner Achterhoek attestierte Laudator Pichler, den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ „amtlich gerockt“ zu haben. Er lobte das „phänomenale Vereinswesen“ und schloss: „Ich möchte Ihnen zwei Worte mit auf den Weg geben: weiter so!“
Nach einem weiteren Auftritt der „Munich All Stars“, die den Abend musikalisch begleitet hatten, begann der dritte Teil der Veranstaltung, der informelle Austausch der zahlreich anwesenden Unternehmer. Da konnte dann auch die Frage diskutiert werden, ob anstelle des Quartetts der Munich All Stars, das Bandaufnahmen durch Geige, Saxophon und Gesang ergänzte, nicht eine günstigere, aber nicht minder qualifizierte Kevelaerer Formation dem Anlass angemessener gewesen wäre. Unter dem Strich blieb ein gelungenes Dankeschön an die Kevelaerer Unternehmerschaft, an die Bürgermeister Pichler noch eine Bitte richtete: „Machen Sie bei der Befragung mit, die wir Ihnen zugeschickt haben. So können wir besser werden und Ihren Wünschen gerechter.“


Kaffeehimmel & Co

Es war im Mai 2015, als der heute 49-jährige Diplom-Ingenieur, Kaffee-Sommelier (IHK) und Röster von Spezialitätenkaffees (IHK), Guido Thelen seinen ganzen Mut zusammennahm und in Kevelaer seinen Traum von der Kaffeerösterei Kaffeehimmel & Co verwirklichte.
Hier röstet er aus zertifiziertem Bio-Rohkaffee mit „irdischen“ Mitteln „himmlische“ Spezialitätenkaffees. In seiner gemütlichen und geschmackvoll eingerichteten Ladenrösterei lädt auch eine kleine Kaffeebar zum Verweilen ein.
Bereits sehr früh kam er zu Hause durch das Kaffeerösten seines Vaters mit dem Duft und Geschmack von Kaffee in Berührung. Als Ingenieur faszinieren ihn bis heute die chemischen und physikalischen Prozesse während des Röstens so, dass er sein Wissen durch gezielte Aus- und Weiterbildung vertieft und professionalisiert hat. Heute kann er seinen Kunden zeigen, dass Kaffee nicht nur heiß und schwarz ist, sondern welche Bereicherung im Leben der Genuss eines qualitativ hochwertigen, traditionell gerösteten Spezialitätenkaffees sein kann und wie spannend es sein kann, mit verschiedenen Sorten und unterschiedlichen Zubereitungsarten Geschmack neu zu erleben. Die fachliche Beratung seiner Kunden ist ihm dabei genauso wichtig wie die Vermittlung von Kaffeewissen, auch in den dafür speziell von ihm angebotenen Kaffee-Kursen.
„Mir ist wichtig, dass ich bei einem Besuch eines Kunden in meiner Kaffeerösterei dem Kunden aus unseren 11 Sorten die für seine Zubereitungsmethode und seinen Geschmack möglichst harmonischste Sorte anbiete.“
Nicht nur aus Kevelaer und benachbarten Städten am Niederrhein, sondern auch aus dem weiten Umkreis bis Duisburg, Krefeld und Mönchengladbach kommt inzwischen seine Stammkundschaft, welche die besondere Magenfreundlichkeit und den Geschmack der langsam und schonend auf traditionelle Weise gerösteten Bio-Röstkaffees zu schätzen weiß. Auch Gastronomie und Firmen setzen auf seinen Kaffee, um ihre Gäste und Mitarbeiter mit den erlesenen Aromen zu verwöhnen. Weiter entfernte Kunden bestellen über den Internetshop der Kaffeerösterei.
Geröstet werden die Bohnen auf relativ niedrigen Temperaturen – je nach Sorte zwischen 200°C und 220°C. Anders als bei Industrieröstungen (2 bis 4 Minuten bei 400°C bis 600°C) lässt sich Guido Thelen hierbei Zeit. Zwischen 12 Minuten und 18 Minuten liegen seine individuellen Röstprofile. Für Kontinuität im Geschmack sorgt eine moderne Steuerung im traditionellen Röster. Im Gegensatz zu Industriekaffee wird selbstverständlich auf die Zugabe von kaffeefremden Stoffen, künstlichen Aromen und Wasser verzichtet.
Die Verbindung von Tradition und Innovation, die praktizierte Kundennähe und die Ausrichtung am Handwerk wird bei dienstleistungsorientieren Unternehmen aus Handwerk und freien Berufen in der Kategorie „Dienstleistung“ näher betrachtet.


Walther Faltsysteme

Seit Walther Faltsysteme in 1979 die ersten Mehrwegbehälter gefaltet hat, gehören die Kunststoffboxen des Behälterspezialisten aus Kevelaer zu den Besten am Markt. Der Erfolg basiert auf dem richtigen Knick: ob längs oder quer, mit Scharnier oder ohne. Das bestimmen allein die Anforderungen der Kunden.
Individuelle Lösungen statt simp­ler Katalogverkauf, nach dieser Maxime entwickelt das Unternehmen Lager- und Transportboxen für den Logistikbereich. Mit einer Volumenreduzierung von bis zu 80 Prozent verspricht die geringe Höhe höchste Kosteneffizienz beim Leergut-Rücktransport.
Walther Faltsysteme vereint den kompletten Produktionsablauf, von der technischen Zeichnung bis zur Serienproduktion, unter einem Dach. Das Unternehmen ist ein Kunststoff-Profi, der alle wesentlichen Methoden der Kunststoff-Bearbeitung beherrscht, ob Spritzguss, Tiefziehen oder Extrusion. Spritzgießmaschinen mit Zuhaltekräften von bis zu 1300 t ermöglichen die Herstellung von kleinen Behältern bis zu hochstabilen Kunststoffboxen oder Paletten für anspruchsvolle Transportaufgaben. Für Großbehälter werden Hohlkammerplatten verarbeitet, die aus großvolumigen Kunststoffboxen flache Leichtgewichte machen.
Mit Innovationen werden immer neue Maßstäbe im Bereich der falt- und klappbaren Mehrwegboxen gesetzt, zum Beispiel bei der Anpassung an automatische Förderanlagen oder für die individuellen Anforderungen der Transport-Logistik im stark wachsenden E-Commerce Sektor. Bei der Entwicklung individueller Mehrweglösungen werden bei Walther Faltsysteme zunehmend Prototypen im 3D-Druck produziert, was für den Kunden Zeitgewinn und Sicherheit für die Projektplanung bedeutet. Die jüngste Innovation des Unternehmens ist die Produktserie Greenline, die aus 100% regenerativem Material hergestellt wird. Die lange Nutzungsdauer der Boxen, die Rücknahme und das Recycling der Behälter schaffen einen Kreislauf, der zum Erhalt der Umwelt beitragt. Walther Faltsysteme ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen und beschäftigt derzeit 35 Mitarbeiter – Tendenz steigend.


Möllenhof

Seit mehr als einem halben Jahrhundert lebt und arbeitet die Familie Werner auf dem Möllenhof, einem mehr als 150 Jahre alten Bauernhof in Kevelaer an der Grenze zu Geldern-Kapellen.
Der respektvolle und behutsame Umgang mit der Natur und ihren Geschöpfen ist seit Firmengründung in den 60er Jahren stets Leitgedanke allen Wirtschaftens gewesen. Damals steckte das Thema „Bio“ allgemein noch in den Kinderschuhen, wurde aber bereits in der artgerechten Legehennenhaltung auf dem Möllenhof gelebt – damals noch eine reine Stallhaltung, die von der Gründergeneration, Ingrid und Georg Werner, in enger Zusammenarbeit mit dem Tierschutz entwickelt worden war.
Nach dem Generationswechsel im Jahre 2005 wurde diese Tradition konsequent durch die nachfolgende Generation, Jörg und Romy Werner, weitergeführt, indem der Hof bereits im Jahr der Betriebsübernahme auf „Biologische Auslaufhaltung“ umgestellt wurde. Die ursprüngliche Einzelfirma „Ingrid Werner“ wurde in diesem Zuge in die Möllenhof GmbH umgewandelt.
Heute werden noch an weiteren Standorten des Möllenhofs Hühner in Freilandhaltung gehalten, sodass insgesamt die Eier von ca. 25.000 glücklichen Hühnern zusammen mit anderen ländlichen Erzeugnissen unter dem Markenzeichen „Möllenhof – ländlich-köstlich“ an den Lebensmittelfachhandel am Niederrhein sowie im Großraum Ruhrgebiet vermarktet werden.
Weitere Produkte, wie z.B. Nudeln aus unseren Bio-Eiern, werden z. Zt. entwickelt, um das Biosortiment zukünftig abzurunden und auszuweiten.


Achterhoek

Neben vielen Gewerbetreibenden und unternehmerisch tätigen Preisträgern des Marketing-Preises-Kevelaer gibt es seit drei Jahren und vereinzelt auch in den Vorjahren die Auszeichnung mit einem Sonderpreis. Gruppierungen und Einzelpersonen, die durch ihr Wirken, ihre Persönlichkeit, ihre Ideen und ihr Engagement zu der Ausstrahlung Kevelaers beigetragen, werden mit diesem besonderen Marketing-Preis ausgezeichnet.
Im Jahr 2014 wurde der Hospiz-Verein Kevelaer-Wetten mit dem Sonderpreis ausgezeichnet und im vergangenen Jahr Basilika-Organist Elmar Lehnen geehrt. Das Votum des Initiativkreises Wirtschaft für den Achterhoek war einstimmig. Engagement und Auszeichnungen höchsten Grades und damit eine Öffentlichkeitswirksamkeit, die ihresgleichen nur schwerlich finden wird, sei geradezu prädestiniert für die Anerkennung mit dem Marketing-Preis-Kevelaer als Sonderpreis.
Die enorme Außenwirkung durch die Auszeichnung im Landes- und Bundeswettbewerb strahlt für den Standort Kevelaer weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Die Dorfgemeinschaft Achterhoek erhielt auf Landesebene am 14. September 2015 „Gold“ und auf Bundesebene im Sommer 2016 „Silber“. Am 27. Januar 2017 werden die Vertreter aus Achterhoek diese Auszeichnung in der Bundeshauptstadt Berlin entgegennehmen dürfen.
„Unser Dorf hat Zukunft“ ist der bundesweite Wettbewerb überschrieben, der den Einsatz der Dorfgemeinschaften und die damit verbundene Prägung unserer Heimat in besonderer Weise seit nunmehr 25 Jahren würdigt. „Als aktive Dorfgemeinschaften haben Sie Beeindruckendes für Ihre Heimat geleistet. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Ihr Dorf durch zivilgesellschaftliches Engagement und ehrenamtliche Leistungen stärker, attraktiver und zukunftsfähiger zu machen. Kreative Ideen sind die Antwort auf zentrale Herausforderungen. Die Zukunft der ländlichen Regionen hängt von Menschen ab, die sich engagieren und das Schicksal ihrer Heimat selbst in die Hand nehmen“, so Auszüge der Würdigung des Bundeslandwirtschaftsministers Christian Schmidt. Der Dorfwettbewerb hebt damit gute Ideen und regionalspezifische Lösungen besonders hervor, ist aber auch Motivation und Vorbild für andere Dörfer und Dorfgemeinschaften.
Das entstandene „Wir-Gefühl“ bei Ideenfindungen und deren Umsetzung, die Einbindung der unterschiedlichsten Gruppierungen und die Initiative von Einzelpersonen haben im Achterhoek letztendlich zum Erfolg geführt. Mit der Entscheidung zur Teilnahme am Wettbewerb kam „der Stein ins Rollen“.
Die Ideen sprudelten und es entwickelte sich ein bunter Strauß. Projekt für Projekt wurde angestoßen, entwickelt und umgesetzt – und „Steine“ wurden bewegt, Gemeinschaften neu gebildet und gemeinnütziges Handeln angestoßen. Aus der Umsetzung entwickelte sich eine nicht erahnte Dynamik. Der nach und nach entstandene Elan breitete sich aus und die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen. Das „Alle packen an“-Gefühl führte die Achterhoeker zu „Gold“ auf Landesebene und zu „Silber“ auf Bundesebene. Mit Publikationen machten die „Achterhoeker“ auf „ihr“ Dorf und damit auf Kevelaer aufmerksam. Marketing für Kevelaer par excellence.
„Dass wir mit unserem Anstoß zur Teilnahme am Wettbewerb zu diesem für unsere Bauernschaft grandiosen Erfolg kommen konnten, haben wir allen Beteiligten zu verdanken,“ sind sich Johannes Baaken und Willi Gietmann einig. „Und,dass es nicht nur der Spleen zweier‚ älterer Herren‘ geblieben ist, macht uns glücklich. Unsere Dorfgemeinschaft hat Zukunft.“