Beiträge

Meine geflüchtete Familie

„Schatz, wir sind doch nicht auf der Flucht!“ Wie oft haben wir diesen Satz schon ausgesprochen, wenn wir es mal wieder eilig hatten oder der eine bei der gemütlichen Fahrradtour etwas heftiger in die Pedale trat als der andere. Wir sind nicht auf der Flucht – Gott sei Dank! Wir haben ein gemütliches Zuhause und ein friedliches Leben. Das ist in unserer Welt gar nicht so selbstverständlich – und war es auch noch nie.

Wir gehören zu der Generation, deren Eltern noch den Krieg erlebt haben. Mein Vater war als Soldat weit weg von seinem Zuhause, musste seine vertraute Umgebung und die ihm nahestehenden Menschen auf unbestimmte Zeit verlassen. Es gab keine Gewissheit, ob er diese jemals wiedersehen würde. Es ist gut gegangen! Anderenfalls wäre ich jetzt nicht auf der Welt.

Mein Schwiegervater flüchtete mit 18 Jahren aus der DDR, saß deshalb sogar im Gefängnis. Ganz allein machte er sich auf den Weg in den Westen – in eine unbestimmte Zukunft. Es ist gut gegangen!
Meine Schwiegermutter musste im Krieg ihre Heimat verlassen. Der Weg von Ostpreußen bis in den Westen Deutschlands war weit und alles fremd. Niemals hat sie ihre alte Heimat wiedergesehen. Es ist gut gegangen!

Und meine Mutter wurde im Krieg zusammen mit ihrer Mutter evakuiert, die restliche Familie verstreut. Ungewiss war, ob man sich jemals wiedersehen würde und ob die Stadt, aus der man kam, noch existierte. Sie verlor ihren Bruder, aber sonst ist auch das gut gegangen.

Für viele andere Menschen ist das nicht gut gegangen, sie haben großes Leid erfahren. Sie haben die Flucht nicht überlebt und hatten nicht das Glück, von ihren Mitmenschen aufgefangen und beherbergt zu werden.

Das alles ist lange her, aber trotzdem ist das Thema allgegenwärtig. Mitten unter uns leben inzwischen viele Menschen, die einen ähnlichen Weg hinter sich haben. Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben in eine ungewisse Zukunft.

Als wir die geflüchtete Familie kennenlernten, sprachen sie kein Wort Deutsch und auch kein Englisch. Wie sollte das gehen? Es ging! Mit Händen und Füßen, mit Theater und Malen, mit allem, was uns gerade einfiel, konnten wir uns langsam immer mehr verständigen. Wir lernten genau wie sie eine fremde Welt kennen, die für uns nicht einfach war zu verstehen. Und ganz langsam entstand ein vertrauensvolles Mitein­ander.

Es ist etwas ganz anderes, in den Medien von Flucht, Not und Gräueltaten zu hören und zu lesen, als es von Mensch zu Mensch zu erspüren. Welche Not steckt dahinter, wenn man sich mit vier Kindern, darunter ein Baby, auf den Weg macht in eine ungewisse Zukunft? Es ist gut gegangen!

Vor drei Jahren kamen sie hier an und wurden konfrontiert mit einer völlig fremden Kultur und Sprache. Sie waren unsicher und angewiesen auf die Unterstützung ihnen ganz fremder Menschen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als diesen Fremden zu vertrauen.

Die Kinder lernten schnell und haben sich mittlerweile gut integriert – Schule, Kindergarten, Sportverein – es läuft. Und auch die Erwachsenen machen Fortschritte, die Sprache wird besser und auch der Alltag wird bewältigt.

Viele Menschen haben geholfen und mit daran gearbeitet, dass dieser Familie das Leben in der Fremde gelingt, und das macht mich unglaublich froh. Denn es ist ein Zeichen der Hoffnung. „Meine“ geflüchtete Familie hat nicht aufgegeben. Dieses Vertrauen, dass es gut gehen wird, hat sicherlich auch mit dem Glauben zu tun, der immer wieder aufs Neue Kraft gibt.

Denn auch hier holt sie die Not in ihrer Heimat ein, durch die Berichte im Fernsehen, aber auch durch schlimme persönliche Nachrichten, die sie per Handy aus aller Welt erreichen. Denn ihre Angehörigen sind über viele Länder verstreut. In diesem Fall ist es ein Segen, dass es die modernen Medien gibt, ansonsten wäre es kaum möglich, in Kontakt zu bleiben.

Flucht, Vertreibung, Krieg und Gewalt ziehen sich durch die ganze Menschheitsgeschichte und machen auch vor dem Heute nicht halt. Der Einzelne kann nicht die ganze Welt retten, aber jeder kann etwas tun, um in kleinen Schritten etwas zu bewegen. Nicht aufgeben und darauf vertrauen, dass es gut gehen wird. So wie Maria und Josef, als sie sich auf den Weg machten an den Ort ihrer Geburt, um gezählt zu werden. Die Not war groß, als sie keine Herberge fanden, aber da waren auch Hoffnung und Vertrauen. Und damals ist es auch gut gegangen.

Die Erfüllung sehen

Frau Marie-Luise Langwald schreibt:

Die kleine Tür in Betlehem.
Wie oft muss ich leisten
und möchte nur lieben,
muss ich stark sein
und fühle mich schwach,
muss ich groß sein
und bin doch ganz klein.

Die kleine Tür in Betlehem
macht mir Mut.
Nur wer klein ist,
kommt zum Großen,
wer schwach ist,
trifft auf Stärke,
wer liebt,
findet das Leben.

Die kleine Tür in Betlehem
führt zu ihm.

Wer einmal in Betlehem war, weiß, was es bedeutet, sich tief zu bücken, sich klein zu machen, um die Herrlichkeit des menschgewordenen Gottes in einer Höhle wahrzunehmen. Kommt nach Betlehem um die Erfüllung unserer Sehnsucht zu sehen. Dort lernen wir das Staunen über Gott, der sich bis in die tiefste Tiefe hineinbegibt. Dort haben wir keine Privilegien mehr, dort sind wir alle arm und angewiesen. Dort tat Gottes Liebe sich kund mit einem Schrei, wie jedes neugeborene Baby ihn tut.

Was wir in diesen Tagen feiern, was damals in Betlehem geschah, muss sich in unseren Herzen vollziehen. Unser Herz ist die Höhle von Betlehem. Hier will Gott Mensch werden. Hier soll Neues geboren werden. Meine Armut ist kein Hindernis. Gott hat eine Vorliebe für das Kleine, das Arme.

Gott wird unser Bruder, er steht auf unserer Seite. Das Kind, das in der Krippe liegt, ist die Hoffnung aller Menschen. Seine Wehrlosigkeit besiegt den Hass, den Unfrieden, die Unterdrückung.

Das Kind, das in der Krippe liegt, ist unser Erlöser. Es reicht uns die Hand, wenn wir vor ihm knien.

Im Stundengebet der Kirche beten wir um diese Erfüllung und sie wird uns zugesprochen, wenn es in einer Antiphon heißt: „Seht, nun hat sich alles erfüllt, was der Engel Gabriel Maria verkündete“.

Erfüllt sein von der großen Liebe und Freude Gottes! Das wünsche ich Ihnen.

Schw. M. Bernadette Bargel osc
Klarissenkloster Kevelaer

„Es geschieht in Europa zu wenig Begegnung“

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen guten Willens“ – Der Bibel zufolge verkündeten Engel den Hirten von Bethlehem diese Worte in der Nacht der Geburt Christi. „Frieden auf Erden“, das ist ein Traum der ganzen Menschheit, nicht nur an Weihnachten. Über den Frieden auf Erden sprach das KB auch mit Dr. Norbert Otterbeck vom Pax Christi Dialog in Kevelaer.

Sie sind seit langen Jahren für Pax Christi in Kevelaer aktiv. Wann begann Ihr persönliches Engagement für die katholische Friedensbewegung?

Dr. Otterbeck: Mein Engagement begann mit dem Papstbesuch in meiner Heimatstadt im Jahr 1987. Damals war ich als Zivildienstleistender im Priesterhaus tätig. Bei der Predigt sagte der Papst: „Tretet ein für eine schrittweise Abrüstung und einen verstärkten Einsatz für den Frieden in der Welt.“ Das nahm ich ganz wörtlich und gründete mit anderen gemeinsam in Kevelaer eine Pax-Christi-Gruppe.

Wann und wie entstand die Pax-Christi-Bewegung eigentlich?

Dr. Otterbeck: Die Pax-Christi-Bewegung entstand nach dem Krieg in Frankreich, der deutsche Zweig im April 1948 in Kevelaer. Der damalige Bischof von Lourdes, Pierre-Marie Théas, wagte sich als erster französischer Bischof in Feindesland und setzte in der Zeit der Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland ein starkes Zeichen der Versöhnung und des Friedens. Er spendete damals 266 Kindern aus Kevelaer die Erstkommunion und mindestens 10 000 Menschen waren bei diesem politisch wegweisenden Ereignis am „Weißen Sonntag“ auf dem Kapellenplatz dabei. Wir in Kevelaer feierten am 14. April den 70. Jahrestag dieser Friedensgeste. Viele der Kinder von damals, heute um 80 Jahre alt, konnten ihre Jubelkommunion mit Weihbischof Rolf Lohmann festlich begehen.

1987 gründeten Sie dann auch deshalb eine Pax-Christi-Gruppe Kevelaer, um die Erinnerung an diesen wichtigen Versöhnungsprozess lebendig zu halten?

Dr. Otterbeck: Ja, mit Elisabeth Heeser, Gisela Meis und einigen anderen gründeten wir eine Pax-Christi-Gruppe in Kevelaer, um dieses alte Erbe im Gedächtnis zu behalten und Aufmerksamkeit für das Friedensanliegen zu finden. Bischof Spital sah damals die Chance, dass diese Gruppen sich als christliche Basisgemeinschaften profilieren könnten. Die Saat ist allerdings nicht ganz so prachtvoll aufgegangen.

Was ist das eigentliche Anliegen der Bewegung?

Dr. Otterbeck: „Pax Christi“ war immer offen für alle, die sich vom Friedensauftrag Jesu Christi „anstecken“ lassen, in Gebet, Studium und Aktion. Heute ist der Zugang oft eher intellektuell geprägt: sich mit den Friedensfragen auseinandersetzen, eigene Sachkompetenz erwerben und mit anderen darüber ins Gespräch kommen. Deshalb heißt unser Verein hier vor Ort seit 2010 „Pax Christi Dialog“. Wir kooperieren mit „Pax Christi“ im Bistum, sind aber organisatorisch selbstständig.

Ist die Gruppe von 1987 denn heute noch aktiv?

Dr. Otterbeck: Es gab früh eine Aufspaltung. Aus einem Teil ging die Eine-Welt-Initiative hervor, die ihren erfolgreichen Laden am Kapellenplatz betreibt. Andere gründeten „unseren Verein“, der seit 1992 besteht. Mitbegründer neben mir waren Johannes Kronenberg und Anno Hein aus Winnekendonk. Wir waren damals Studenten in Bonn. Eine breite Außenwirkung konnten wir in all den Jahren nicht erzielen, haben aber immer „Pax Christi“ am Wallfahrtsort präsent erhalten können. Neulich berichtete das KB ausführlich von unserer Veranstaltung zusammen mit Pax Christi Münster anlässlich des 100. Jahrestages des 1. Weltkriegsendes. Wir unterstützen überdies die Kevelaerer Glaubensgespräche in der Pfarrei St. Marien, deren bewährter Moderator der Kirchenhistoriker Dr. Gerhard Hartmann ist. Zu unseren Misserfolgen zählt, dass unser Stipendium für junge Christen in Bethlehem namens „Lux Christi“ vorerst scheiterte: Wir fanden keine Kooperationspartner und sind als kleiner Verein zu schwach für das Projekt.

Können Sie heute junge Menschen für das Friedensanliegen gewinnen?

Dr. Otterbeck: Seit dem Jahr 1989 hat die politische Friedensbewegung stark an Kraft verloren. Viele hofften damals auf eine gerechtere Weltordnung. Konflikte werden heute nicht mehr nur als Krieg „Nation gegen Nation“ ausgetragen. Die Gewalt hat sich strukturell verändert, etwa in Bürgerkriegen, in der Terrorgefahr. Alle wollen Frieden. Aber angesichts neuer Herausforderungen weltweit sind viele nicht imstande, überhaupt Chancen für einen persönlichen Friedensbeitrag zu sehen. Daher kommt der bereits erwähnte Übergang von der „Erfahrungsgeneration“ zum mehr intellektuellen Ansatz kleiner Friedensgruppen, die längst eher immer älter als jünger werden. Das muss man offen einräumen.

Welche Möglichkeiten gibt es trotzdem, für den Frieden in der Welt zu wirken?

Dr. Otterbeck: Ich finde „altmodisch“ Städtepartnerschaften oder den Schüleraustausch immer noch gut, um sich kennenzulernen und Vorurteile abzubauen. Es geschieht in Europa derzeit eher schon wieder zu wenig organisierte Begegnung von Mensch zu Mensch. Ich fände für Kevelaer etwa, neben Bury St. Edmunds, eine Städtepartnerschaft mit einem belgischen oder französischen Ort sehr gut. In diesen Tagen erschien zudem das zweite Jahresheft der Pax-Christi-Vereinsmitteilungen „Die Friedensampel“, benannt nach dem permanenten Friedenslicht in der Gnadenkapelle. Das Einzelheft ist für fünf Euro im Museum Kevelaer erhältlich.

Die Suche nach der Begegnung

Liebe Leserinnen und Leser, wir stehen kurz vor dem Weihnachtsfest und das gibt mir die Gelegenheit, mit Ihnen einige Gedanken bezüglich dieses schönen Festes, das uns seit Kindesbeinen an bewegt, zu teilen. Ich beginne mit einem kurzen Wort, was uns Klaus Hämmerle geschenkt hat, der frühere Bischof von Aachen:

„Eine Krippe hinter der Tür. Glauben wir an die Krippe hinter der Tür des Anderen? Und klopfen wir geduldig, freundlich und zugleich eindringlich an seine oder ihre Türe? Doch vergessen wir dabei nicht auch den Schlüssel in unserer Tür umzudrehen, um öffnen zu können? Und wenn wir glauben, ihn verloren oder verlegt zu haben, unterlassen wir dennoch nicht, ihn zu suchen. Er ist da. Lässt sich finden.“ Er lässt sich finden.

Ich stehe hier an der Krippe, die einen Szene im Moment darstellt, Maria und Elisabeth, die einander begegnen, menschliche Wärme schenken. Beide haben ein Kind in ihrem Leib. Er lässt sich finden, dieser Schlüssel zur Begegnung zum Anderen. Ja, das kann wirklich Weihnachten sein. Den Schlüssel zu finden, einem Anderen zu begegnen.

Dass das gar nicht so einfach ist und dass uns manchmal auch etwas verloren gehen kann, das habe ich selber vor einigen Jahren sehr eindrucksvoll erleben dürfen. Es gibt so ein ganz festes Ritual für mich: Am 23. Dezember jeden Jahres, wenn alles fertig ist und eigentlich das Fest schon ganz kurz bevorsteht, dann marschiere ich runter in den Keller, hole meine alte Weihnachtskiste raus. Und in der Weihnachtskiste sind etliche Utensilien, weihnachtliche Utensilien.

Und an einem Abend an einem Weihnachtsfest vor einigen Jahren war alles aufgestellt und aufgebaut. Mein Weihnachtsbaum erleuchtete schon die weihnachtliche Stube. Der Krippenstall stand unter dem Baum. Und ich habe angefangen, die Krippenfiguren, die alten Krippenfiguren, die ich seit vielen, vielen Jahren habe, vom Weihnachtspapier zu lösen und aufzustellen. Alles war fertig. Aber eine Figur fehlte. Das Jesuskind. Mir war das Jesuskind abhanden gekommen.

Alles Suchen und Nachdenken half nichts mehr und ich bin auch einigermaßen traurig ins Bett gegangen und irgendwann war er da, dieser Weihnachtsmorgen. Und mit diesem Weihnachtsmorgen ein heller Moment: Ich erinnerte mich daran, dass ich im Sommer des gleichen Jahres eine Predigt gehalten hatte für meine Kommunionkinder.

Ich hatte mein Kommunionkreuz auf der einen Seite mitgebracht und das Jesuskind auf der anderen Seite. Krippe und Kreuz. Ich bin wieder in den Keller marschiert, habe die Kommunionkiste aufgemacht und inmitten meiner Kinderbilder der Kommunionkinder des letzten Jahres fand sich auch Jesus. So konnte mein privates Weihnachtsfest doch noch mit ihm in der Krippe stattfinden.

Aber ich habe abends, nachdem ich mit guten Freunden zusammen gegessen hatte und ich die Liturgie gefeiert hatte, noch lange vor meiner weihnachtlichen Krippe gesessen und an die vielen Menschen gedacht, denen in ihrem Leben Jesus manchmal weit weg ist.

Menschen, denen Jesus verloren gehen kann. Aber ich habe mich auch daran erinnert, dass es stimmt, was diese Tür dort sagt: Dass wir Neuland betreten, indem wir Türen öffnen und manchmal das Verlorene suchen. Jesus hat uns das ja selber gesagt, dass er nicht auf die Welt gekommen ist, um irgendwie Gerechten nahe zu sein, vielleicht Selbstgerechten, sondern dass er auf diese Welt gekommen ist, um das Verlorene zu suchen.

Und da sind wir wieder bei der weihnachtlichen Krippe. Wenn wir Weihnachten hier zusammenstehen werden, wird sie ganz aufgebaut sein. Und da steckt auch viel von dieser Verlorenheit drin. Da ist vielleicht jener Strohhalm, an den sich jemand klammert, weil es nichts anderes mehr gibt. Da hat jemand vielleicht in diesem Jahr geackert wie ein Ochse, aber er hatte den Eindruck, es war umsonst. Oder dass vielleicht eine Frau, die Last der Familie so sehr trägt – ich sag jetzt mal: wie ein Lasttier, wie ein Esel. Und manchmal haben wir das Gefühl, dass wir darunter zerbrechen können.

All das lehrt uns die weihnachtliche Krippe und mittendrin Jesus. Und auch wenn wir manchmal meinen, er geht uns verloren, dann ist er genau da mittendrin. Geboren in einem Stall. Und ganz ehrlich, auch wenn es mit Blick auf Weihnachten ein wenig provokativ ist, ich bin ich mir sicher, in diesem Stall von Bethlehem, da roch es weder nach Lagerfeld noch nach Gucci, noch nach Nina Ricci und was sie sonst so einzupacken mögen zu Weihnachten. Ich gönne Ihnen diese Düfte von Herzen, aber der Stall von Bethlehem riecht anders.

Dass was nicht gut riecht, dass was schwierig ist im Leben, dass was zerreißt und zerbricht, das dürfen wir mit vollem Vertrauen jenem Kind im Stall, in der Krippe hinhalten in dem Wissen darum, dass er deshalb geboren ist. Und deshalb braucht Jesus auch keinen Ort wie ein Fünf-Sterne-Hotel. Ihm reicht, glaube ich, der eine Stern, der darüber leuchtet.

Und dass Sie diesen Stern, der darüber leuchtet, auch immer wieder neu entdecken dürfen – vielleicht, wenn Sie mal das Gefühl haben, ihn verloren zu haben –, das ist mein tiefster Wunsch für Euch und Sie alle an diesem Weihnachtsfest. Deshalb darf ich Ihnen, auch im Namen unserer schönen Wallfahrtspfarrei, die Freude und den Frieden des Weihnachtsfests wünschen, Ihnen, Ihrer Familie und den Menschen, mit denen Sie sind.

Nehmen wir die mit rein, von denen wir wissen, dass es ihnen in dieser Zeit vielleicht nicht gut geht. Die unser Beten und Denken brauchen. Und wenn Sie – vielleicht, egal von wo – jetzt diese Ansprache lesen, dann darf ich Ihnen zusichern, dass ich am Weihnachtsabend hier an der Krippe, aber auch daheim in meiner Weihnachtsstube an Sie denke und auch für Sie bete. Frohe Weihnachten!

Weihnachten – Was ist das eigentlich?

Die Werbespots in Radio und Fernsehen, die Reklamesendungen und Angebote wissen genau, wie Weihnachten geht und was geschieht! Das Geheimnis, der Zauber der Weihnacht – so las ich in der Werbung eines Weinkontors – ist: mit lieben Menschen zusammensitzen, feiern, fröhlich sein, Geschenke austauschen, das Leben genießen und gemeinsam auf Gegenwart und Zukunft anstoßen.

Das ist sicherlich schön, das tue ich gerne, aber eigentlich mache ich das auch an meinem Geburtstag oder wenn Freunde zu Besuch sind oder an Silvester – aber Weihnachten?! ist das das „Geheimnis von Weihnachten“?

So mache ich mich auf den Weg, um dem Geheimnis der Weihnacht auf die Spur zu kommen, dem Geheimnis des Glaubens.

Und ich finde Maria und Josef auf dem mühsamen Weg von Nazareth im Norden des Landes nach Bethlehem im Süden – es geht durch Wüste und Gebirge. Maria – hochschwanger – fällt das Gehen schwer. Schließlich erreichen sie Bethlehem, finden aber keine Unterkunft, keine Herberge. Endlich kommen sie in einem kalten Stall unter und dort gebiert Maria ihren ersten Sohn – ohne Hebamme, ohne ärztliche Hilfe. Die Geburt glückt; das schrumpelige Neugeborene wird von Ochs und Esel beäugt und von Josef vorsichtig in eine Futterkrippe gelegt.

Die jungen Eltern genießen müde und erleichtert einen Moment der Ruhe in dem unwirtlichen Stall. Doch dann knarrt die Stalltür und einige zerlumpte, wenig wohlriechende Gestalten – Hirten – kommen herein. Auch sie haben eine aufregende Nacht hinter sich. Mitten in der Dunkelheit sind ihnen die himmlischen Heerscharen begegnet und haben die rohen Gesellen nach Bethlehem in den Stall geschickt, um den Retter der Welt zu begrüßen.

Eigentlich wissen die Hirten gar nicht so genau, warum sie sich auf den Weg gemacht haben. Aber jetzt sind sie da und begegnen dort im Stall einem neugeborenen Kind und spüren, wie sich ihr Leben schlagartig verändert. Und diese Veränderung muss ich genauer betrachten, wenn ich das Geheimnis der Weihnacht erkunden will.

Was verändert sich? Was verändert diese Menschen?

Die Hirten begreifen in der Begegnung mit dem Kind in der Krippe, was sie „wert“ sind. Sie erfahren, dass sie Gott etwas wert sind. Sie, die zerlumpten, stinkenden, armseligen Hirten sind Gott wertvoll. Und das verändert ihr Selbst-Bewusstsein, mit dem sie in dieser Welt leben und ihren Alltag bewältigen.

Mit den Hirten können wir begreifen, dass das Kind in der Krippe uns Menschenwürde und Menschenwert schenkt. Und das verändert das Selbst-Bewusstsein. Das gilt besonders für Menschen am Rande der Gesellschaft, aber letztlich für alle, die bedürftig sind. Und wer von uns ist eigentlich nicht bedürftig? Weiß jeder, was er wert ist?

Die Frage nach dem eigenen Wert stellt Weichen für ein Menschenleben. Wir spiegeln uns in den Augen unserer Mitmenschen, im Verhalten unserer Mitmenschen und nehmen das als Gradmesser für unseren Wert. Erfolg, Wohlstand, Jugend, Schönheit entscheiden in unserer Gesellschaft über den Wert eines Menschen, sind ausschlaggebend für das, was Menschen von sich halten. Und in all dem bleibt die Sehnsucht, sich wertvoll zu fühlen, etwas wert zu sein, angenommen zu werden.

Die Hirten erleben im Stall nicht, dass sich ihre Lebensumstände verändert. Aber ihre Haltung sich selbst gegenüber und damit auch, wie sie ihr Leben gestalten, ändert sich. Weil sie einem Kind begegnen, dem sie etwas wert sind. Einem Gott, dem jeder Mensch etwas wert ist.

Darum beten die Hirten an der Krippe und loben Gott.

Beim Geheimnis der Weihnacht geht es eben nicht einfach darum, einmal im Jahr einen gelungenen Abend mit der Familie oder mit Freunden zu verbringen – so schön und wichtig das auch sein mag.

Wenn wir erkennen können, dass die Krippe im Stall der Ort ist, an dem unsere Sehnsucht Erfüllung findet, dann können wir uns öffnen für das „Geheimnis des Glaubens“ und miteinander diese Botschaft teilen, wie es im ersten Brief an Timotheus heißt, dem Predigttext für die Christmette:

„Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:

Er (Jesus) ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“ (1 Tim 3, 16).

Ich wünsche Ihnen allen frohe und gesegnete Weihnachten!

Was Weihnachten bedeutet

Das KB fragte Kevelaerer, wie sie die Festtage begehen:

Krippenkünstler Adele
und Peter Prascsik

„Wir sind das ganze Jahr über in Gedanken bei Weihnachten: Suchen überall, wo wir sind, Ideen, Stoffe, Knöpfe, Naturdeko, Tiere für unsere Krippen, an denen wir das ganze Jahr über arbeiten. Wenn dann endlich Weihnachten ist, dann heißt es bei uns: Füße hochlegen und zurücklehnen. Am Heiligabend gehen wir jedes Jahr in die Christmette und am 1. Feiertag kommen unsere Kinder und Enkel und dann gibt es immer Putenbraten.“

Hansgerd Kronenberg Foto: aflo

Ehrenbürger Hansgerd Kronenberg

„Weihnachten ist ein kirchliches Hochfest, das wir seit eh und je festlich begehen, mit dem Besuch der Hl. Messe, mit Festessen mit der Familie. Wir haben zwei Söhne und zwei Töchter, Willi und Margret leben in Köln und Bonn, aber Johannes und Maria in Winnekendonk und Kevelaer.

Zur Weihnachtszeit kommen alle zu uns, nur meistens an verschiedenen Tagen. Wir haben auch schon fünf Enkelkinder und drei Urenkel. Gerade an den Weihnachtstagen ist unser Haus immer voll!“

Sr. Jaya F.C.C. Foto: DdB

Sr. Jaya F.C.C. aus Kerala vom Wohnstift St. Marien

„Wir indischen Katholiken essen in der ganzen Adventszeit kein Wurst und Fleisch. Die Kinder gehen zudem alle 24 Tage vor Weihnachten morgens vor der Schule in die Kirche.

Am letzten Tag bekommen die Kinder kleine Geschenke, etwa einen Rosenkranz. Darauf freuen sich alle und machen gerne mit. Am Heiligabend gehen Kinder und Jugendliche als Maria, Josef, Hirten und Heilige verkleidet mit dem Jesuskind von Haus zu Haus, sie singen Lieder und beten in den Häusern. Um Mitternacht wird die Christmette gefeiert, am Ende gibt es überall Feuerwerk, wie hier zu Silvester.

Wir Schwestern essen an den Weihnachtstagen zum ersten Mal nach langem wieder Fleisch, meist gibt es Enten- und Ziegenbraten, indisch gewürzt.“

Mehr als tausend Menschen sangen zum Abschluss des Krippenmarktes

Im letzten Jahr war erstmals die Idee entstanden, zum Ende des Krippenmarktes ein gemeinsames Singen am Kapellenplatz auf die Beine zu stellen. Die Chöre der Basilikamusik und der Theaterchor Niederrhein säumten den Platz auf den Stufen der Basilika und mehrere Hundert Menschen sorgten da schon für ein bemerkenswertes Bild. Umso gespannter konnten die Initiatoren um Romano Giefer als Koordinator mit seinen Chören der Basilikamusik, den Dirigenten Tom Löwenthal und Christian Franken sein, wie das Angebot in diesem Jahr angenommen werden würde.

Diesmal waren sichtbar noch mehr Menschen auf den Platz gekommen. Bestimmt über tausend Mitsänger der diversen Kevelaerer Chöre und ganz viele singfreudige Bürger waren schon vor Beginn des Singens auf den Kapellenplatz erschienen, um dieses besondere Erlebnis mitzunehmen. So bekamen sie noch die letzten Probeklänge mit, worauf der theologissche Referent der Pfarrgemeinde St. Marien, Bastian Rüttten, spontan einging. “Sie waren Zeuge des letzten Soundchecks. Wir freuen uns und sind überwältigt, dass es so voll geworden ist”, sagte er.

Der Kapellenplatz als Kirche

Man wolle die Menschen “auf eine adventliche Einstimmung mitnehmen”, darum forderte er die Anwesenden auf: “Summen Sie mit, hören Sie zu, wenn Sie es nicht können, aber wenn, dann umso kräftiger und deutlicher.” Angesichts des Anblicks sei die Frage an dem Abend beantwortet, welche der vielen Kirche in Kevelaer die schönste sei. “Der Kapellenplatz ist eine der schönsten Kirchen, die wir haben.”

Abwechselnd dirigierten Tom Löwenthal und Romano Giefer die Chöre auf den Basilikastufen und die imposante Menge auf dem Kapellenplatz. Rütten und die evangelische Pfarrerin Karin Dembek schlugen mit Texten und Gedanken die Brücken zu dem jeweiligen Lied: “Kleiner Herr, der du gekommen bist im Elend, wir bauen auf dich und deine Zukunft”, trug Dembek als Erste vor. “Wir warten auf dich, bis Du groß und allmächtig bist und überall die Liebe als Statthalter einsetzt, dass das Kommende ertragbar und das Jahrhundert keine Schreckensquelle werde. Ich wünsche mir eine Welt der Stille, mit einer Gesellschaft, die glücklich Anfang und Ende lebt.” Passend dazu erklangen das Lied mit den Zeilen “Oh Herr, wenn Du kommst, wird die Welt wieder neu” und “Wir warten auf dich”.

Auf etwas zu warten, das sei nicht selbstverständlich, sponn Rütten den Faden weiter. “Und wenn man ahnt, dass etwas wirklich da ist, dann soll man die Herrlichkeit ankommen lassen.” Anschließend erklang aus den über tausend Kehlen: “Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.”

Echte Gänsehautmomente

Wenn dann am Horizont “Hoffnungsboote auftauchen bis an den Rand, das wäre Advent”, meinte Rütten zu dem Lied “Es kommt ein Schiff geladen”. “Advent, das heißt zu träumen wagen, dass die Welt eine andere sein könte”, formulierte Dembek vor dem Lied “Weil Gott in tiefster Nacht erschien.”

Das Lied “Jerusalem, leg dein Gewand der Trauer ab” sei nur ein Statthalter für Kevelaer, Winnekendonk und andere Städte, sagte Rütten: “Legt das Gewand der Trauer ab, wir wollen es üben.” So erschollen über dem Platz die Zeilen “Fröhlich sollt ihr sein und ein Freund.”

“Maria durch ein Dornwald ging” symbolisiere den “Spießrutenlauf unseres Alltags, dadurch geht sie und trägt Christus zu uns”, sprach der Theologe. Angesichts des wirklich machtvollen “Tochter Zion” beantworte er selbst die “kindliche Frage, ob es das Christkind gibt”. “Dann gibt es solche Momente wie gerade – Gänsehautmomente, die guttun und uns trösten – und was gut ist und tröstet, das gibt es auch.”

“Raffe dich auf und werde Licht” geriet zu einem beeindruckenden Kanon – und Wallfahrtsrektor Gregor Kauling trat noch einmal ans Mikro, um sich bei allen Beteiligten für diesen besondere Moment zu bedanken. “Das ist so ein schönes Bild auf dem Kapellenplatz hier heute Abend – und so eine Kraft und eine Schönheit, dass wir so miteinander singen können und den erwarten, der Frieden bringt.”

Nach dem Schlussgebet sangen alle auf dem Platz “Alle Jahre wieder”, ehe viele noch einmal beim Krippenmarkt-Glühwein die Gelegenheit zum Austausch vor dem Weihnachtsfest nutzten.

Schöne Gemeinschaft

Nahe dem Altar stand auf einem kleinen Tisch ein Kranz mit drei Kerzen, die zum Adventssonntag brannten. Dort hatten sich ein Dutzend Erwachsene platziert, um miteinander das eine oder andere Weihnachtslied anzustimmen.

„Wir singen jetzt Lied Nr. 18“, kündigte Christiane Langenbrinck das nächste Lied an und sorgte mit ihrer Akustikgitarre für das klangliche Fundament, auf dem die Anwesenden dann ihre Stimme laut im Kirchenschiff erschallen lassen konnten. „Die Strophen 1, 2 und 6“, gab das Presbyteriumsmitglied dann die Vorgabe für „Lobet Ihr Christen, alle gleich“.
Danach machten sie mit „Es ist ein Ros entsprungen“ weiter – ein Lied, das bei Franz Fasen gleich persönliche Erinnerungen auslöste. „Mein Lehrer, der wollte immer, dass wir das singen, weil seine Frau Rosa hieß“, erzählte der 81-Jährige später, wie die Kinder das damals auf den Arm genommen und „Es ist ein Ross entsprungen“ gesungen hatten.
„Das Singen ist einmal im Frühjahr und einmal zum Advent“, erläuterte Mechthild van Gemmeren-Bremer. „Erst gibt es zwei, drei Lieder mit den Kindern unten, dann basteln die, danach ist Kaffeezeit und wir kommen dann alle zusammen, um zu sehen, was die Kinder gebastelt haben.“

Kaum gingen sie in Richtung Pause, kam ihr die sechsjährige Enkelin Lotte schon entgegen. „Wir haben mit Ausstecher gebacken, so Sterne und mit Streusel“, erzählte die junge Dame.

Vor sechs Jahren hatte Lan­genbrinck die Idee mit dem Singen mal aufgebracht. „Und Gabi Frings meinte, lass uns da was zusammen machen.“ Erstmals sangen die Erwachsenen in der Kirche. „Wir dachten, das wäre schön wegen der Adventslieder, dem Klang und dem Adventskranz hier.“

Unten im Generationenhaus spielte die stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins, Gabriele Frings, dann mit den Kindern Musik, ließ die sieben Kids die Triangel, das Mini-Xylofon oder die Rassel benutzen. „Gleich machen sie noch „Kulleraugen“ in die Plätzchen, damit die fertig sind“, lachte sie und genoss den Umgang mit den Kindern.

Und in geselliger Runde genossen die Anwesenden eine gute Tasse Kaffee, frisch gebackenen Kuchen, Weihnachtsplätzchen, Spekulatius, später nochmal eine Runde Gesang – und einfach die schöne Zeit zu Advent.

Pastor zieht Bilanz nach einem Jahr

Gut ein Jahr ist es her, dass der neue Wallfahrtsdirektor von Kevelaer und Pastor von St. Marien seinen Dienst antrat. Dr. Gerhard Hartmann nahm dies zum Anlass, um Gregor Kauling in die Kevelaerer Glaubensgespräche einzuladen und ihm viele interessante Fragen zu stellen.

Rund 20 Personen waren gekommen. Sie beteiligten sich rege an der Diskussion und erlebten einen spannenden Abend, in dem der Hüter des Gnadenbildes Einiges über sein Leben preisgab.

Die Teilnehmer erfuhren etwa, dass sich Pastor Kauling auch als die Stelle vakant war, nie hatte vorstellen können, hier zu landen. Als er durch Weihbischof Wilfried Theising nach der Firmung in Dinslaken (am 27. Juni 2017) erfuhr, dass er für das Amt des Wallfahrtsrektors angedacht war, musste er erst mal Luft holen und allein in eine Kirche gehen: „Ich war bewegt, berührt, tausend Sachen gingen mir durch den Kopf. Ich dachte an meine Gemeinde, die erst einen langwierigen Fusionsprozess hinter sich hatte. Hier war ich nach neun Jahren endlich angekommen. Nun sollte ich alles zurücklassen?“ Als nach zwei Tagen ein Anruf des Bischofs kam, erbat er erst noch 24 Stunden Bedenkzeit, bevor er am nächsten Tag dann sein volles „Ja“ sprechen konnte.

Zu Fuß durch Kevelaer

So kam der gebürtige Westfale aus Haltern am See schließlich nach Kevelaer. Da er vor seinem Theologiestudium auch in Aachen Stadtplanung studierte, begann er auch in Kevelaer, sich die Pfarrei zu Fuß zu erlaufen, um alle räumlich-baulichen Zusammenhänge zu erfassen.

Auch wenn er zunächst nicht Priester sondern Stadtplaner werden wollte, erfuhr Kauling durch sein Elternhaus ein tiefe katholische Sozialisierung. Er wirkte früh als Messdiener, später auch als Gruppen- und Ortsbüchereileiter. „Religiöses Leben war für unsere Familie immer ganz selbstverständlich“, fügt der Pastor an.

Eine eucharistische Prägung und Intensivierung seines Glaubensleben fand er in der Gemeinschaft Foyers de Charité, die von der französischen Mystikerin Marthe Robin geleitet wurde, durch Wallfahrten nach Medjugorje sowie durch die Gemeinschaft Emmanuel.
Nach den fünf Jahren Stadtplaner-Studium entschied er sich mit 28 Jahren noch zu einem Theologiestudium in Münster. Nach seiner Weihe am 23. Mai 1999 war Kauling für ein Jahr in Altötting.

Dort konnte er intensive Erfahrungen mit einem Marienwallfahrtsort machen und Studierende aus neun verschiedenen europäischen Ländern begleiten. Auch beim Sakrament der Beichte saß er zum ersten Mal auf der anderen Seite des Gitters: „Ich, als Mensch, darf im Beichtstuhl für Gott sprechen. Das war erst mal eine ganz neue Erfahrung. Aber für junge Priester ist diese Erfahrung sehr wichtig und es ist gut, dass in Altötting wie auch in Kevelaer dieses Sakrament noch angenommen wird.“

Später wirkte er als Kaplan, Pfarrer und schließlich Dechant in Ahaus, Warendorf und Dinslaken, bevor 2017 der Wechsel nach Kevelaer anstand. Noch Ende 2017 wurde Kauling zudem Dechant von Goch, 2018 nichtresidierender Domkapitular und gehört somit zum Kreis der zukünftigen Bischofswähler.

Dass der Pastor in der ruhigeren Winterzeit hier beginnen konnte, sieht er als Glück. So konnte Kauling sich erst mit dem Priesterhaus und der Pfarrei vertraut machen, bevor am 1. Mai die neue Pilgerzeit eröffnet wurde. Ganz so ruhig war es nicht, denn am 16. Dezember stand sofort der Besuch des Bundespräsidenten an. Er wurde von dem frisch ernannten Wallfahrtsdirektor aber als sehr beglückend erlebt wurde.

Die hohe Messdienerzahl und die Kirchenmusik an St. Marien seien, so kann er nach einem Jahr sagen, etwas ganz Besonderes: „Kevelaer ist in der Hinsicht wie eine heilige Insel. Die feierliche Liturgie und Kirchenmusik haben in der ganzen Region eine große Vorbildfunktion und strahlen aus.“

Als Höhepunkte des Wallfahrtsjahres nannte Kauling den Besuch von Kardinal Ernest Simoni und von Bischof William Kyrillos, sowie die Begegnung mit Bernadette Soubirous und der Botschaft von Lourdes: „Welcher Ort kann jährlich mehrere 100.000 Menschen von außen begegnen? Wir haben in Kevelaer eine Riesenchance, die wir nutzen müssen“. Manchmal müsse man gewohnte Wege oder Kirchenräume auch verlassen, um die Menschen zu erreichen.

Als Beispiel nannte er eine Lichterprozession, die nur spärlich besucht war, während die Eisdiele direkt am Kapellenplatz voll war. Über Mikrofon habe er einfach auch die Eisdielenbesucher angesprochen und mitgesegnet. Kurz darauf habe er einen Brief von einem dieser Eisesser bekommen, der ihm ausdrücklich dankte für diese Form der unmittelbaren Kontaktaufnahme.

Jeder Ort hat ein eigenes Charisma

„Wir müssen mit den Menschen sein, ihnen zuhören, sie wahrnehmen, Vertrauen aufbauen. Man muss nicht immer gleich missionieren, sondern wir müssen die Menschen empfangen, wie sie sind, und abholen, wo sie stehen“, gab der Dechant zu bedenken. „Jeder Ort hat ein eigenes Charisma. Ich wurde vom Bischof nach Kevelaer geschickt, um Kevelaer zu dienen. Kevelaer ist europadimensioniert und hat einen internationalen Charakter. Ich bin hier mit Leib und Seele Pastor“.

Gregor Kauling erzählte von dem Treffen internationaler Wallfahrtsorte mit dem Papst vor wenigen Wochen. „Eure Heiligtümer sind das Immunsystem der Kirche“, gab der Papst den Verantwortlichen mit. „Sie schützen und sie schenken Widerstandskraft. Unsere Aufgabe in Kevelaer ist das Sichöffnen, Berührenlassen, Empfangen und Weitergeben“, so fügte Pastor Kauling den Papstworten noch an.

Die rege Diskussion ging noch über das Zölibat, über das Charisma von Laien und es kam auch zur Sprache, dass einige Ordensgemeinschaften oft nur kurz in Kevelaer waren. „Wichtig ist, dass der Pfarrer lange bleibt“, meinte ein Teilnehmer und bekam sofort den vollen Zuspruch der Versammlung.

Orthodoxer Gottesdienst in der ostkirchlichen Johannes-Kapelle

Am Sonntag, 21. Januar, um 11 Uhr wird eine Heilige Göttliche Liturgie zum 1. Sonntag der Vorfastenzeit in der Johannes-Kapelle auf der Amsterdamer Straße in Kevelaer gefeiert. Die Leitung des Gottesdienstes hat Pfarrer Stefan, Erzpriester für Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz des Bistums von West- und Mitteleuropa der Bulgarischen Orthodoxen Kirche. Es singt der Chor der Johannes-Kapelle Kevelaer unter Leitung von Gerhard Löffler. Alle orthodoxen Christen und weitere Interessenten sind ganz herzlich zu dem Gottesdienst eingeladen.