„Es geschieht in Europa zu wenig Begegnung“

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen guten Willens“ – Der Bibel zufolge verkündeten Engel den Hirten von Bethlehem diese Worte in der Nacht der Geburt Christi. „Frieden auf Erden“, das ist ein Traum der ganzen Menschheit, nicht nur an Weihnachten. Über den Frieden auf Erden sprach das KB auch mit Dr. Norbert Otterbeck vom Pax Christi Dialog in Kevelaer.

Sie sind seit langen Jahren für Pax Christi in Kevelaer aktiv. Wann begann Ihr persönliches Engagement für die katholische Friedensbewegung?

Dr. Otterbeck: Mein Engagement begann mit dem Papstbesuch in meiner Heimatstadt im Jahr 1987. Damals war ich als Zivildienstleistender im Priesterhaus tätig. Bei der Predigt sagte der Papst: „Tretet ein für eine schrittweise Abrüstung und einen verstärkten Einsatz für den Frieden in der Welt.“ Das nahm ich ganz wörtlich und gründete mit anderen gemeinsam in Kevelaer eine Pax-Christi-Gruppe.

Wann und wie entstand die Pax-Christi-Bewegung eigentlich?

Dr. Otterbeck: Die Pax-Christi-Bewegung entstand nach dem Krieg in Frankreich, der deutsche Zweig im April 1948 in Kevelaer. Der damalige Bischof von Lourdes, Pierre-Marie Théas, wagte sich als erster französischer Bischof in Feindesland und setzte in der Zeit der Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland ein starkes Zeichen der Versöhnung und des Friedens. Er spendete damals 266 Kindern aus Kevelaer die Erstkommunion und mindestens 10 000 Menschen waren bei diesem politisch wegweisenden Ereignis am „Weißen Sonntag“ auf dem Kapellenplatz dabei. Wir in Kevelaer feierten am 14. April den 70. Jahrestag dieser Friedensgeste. Viele der Kinder von damals, heute um 80 Jahre alt, konnten ihre Jubelkommunion mit Weihbischof Rolf Lohmann festlich begehen.

1987 gründeten Sie dann auch deshalb eine Pax-Christi-Gruppe Kevelaer, um die Erinnerung an diesen wichtigen Versöhnungsprozess lebendig zu halten?

Dr. Otterbeck: Ja, mit Elisabeth Heeser, Gisela Meis und einigen anderen gründeten wir eine Pax-Christi-Gruppe in Kevelaer, um dieses alte Erbe im Gedächtnis zu behalten und Aufmerksamkeit für das Friedensanliegen zu finden. Bischof Spital sah damals die Chance, dass diese Gruppen sich als christliche Basisgemeinschaften profilieren könnten. Die Saat ist allerdings nicht ganz so prachtvoll aufgegangen.

Was ist das eigentliche Anliegen der Bewegung?

Dr. Otterbeck: „Pax Christi“ war immer offen für alle, die sich vom Friedensauftrag Jesu Christi „anstecken“ lassen, in Gebet, Studium und Aktion. Heute ist der Zugang oft eher intellektuell geprägt: sich mit den Friedensfragen auseinandersetzen, eigene Sachkompetenz erwerben und mit anderen darüber ins Gespräch kommen. Deshalb heißt unser Verein hier vor Ort seit 2010 „Pax Christi Dialog“. Wir kooperieren mit „Pax Christi“ im Bistum, sind aber organisatorisch selbstständig.

Ist die Gruppe von 1987 denn heute noch aktiv?

Dr. Otterbeck: Es gab früh eine Aufspaltung. Aus einem Teil ging die Eine-Welt-Initiative hervor, die ihren erfolgreichen Laden am Kapellenplatz betreibt. Andere gründeten „unseren Verein“, der seit 1992 besteht. Mitbegründer neben mir waren Johannes Kronenberg und Anno Hein aus Winnekendonk. Wir waren damals Studenten in Bonn. Eine breite Außenwirkung konnten wir in all den Jahren nicht erzielen, haben aber immer „Pax Christi“ am Wallfahrtsort präsent erhalten können. Neulich berichtete das KB ausführlich von unserer Veranstaltung zusammen mit Pax Christi Münster anlässlich des 100. Jahrestages des 1. Weltkriegsendes. Wir unterstützen überdies die Kevelaerer Glaubensgespräche in der Pfarrei St. Marien, deren bewährter Moderator der Kirchenhistoriker Dr. Gerhard Hartmann ist. Zu unseren Misserfolgen zählt, dass unser Stipendium für junge Christen in Bethlehem namens „Lux Christi“ vorerst scheiterte: Wir fanden keine Kooperationspartner und sind als kleiner Verein zu schwach für das Projekt.

Können Sie heute junge Menschen für das Friedensanliegen gewinnen?

Dr. Otterbeck: Seit dem Jahr 1989 hat die politische Friedensbewegung stark an Kraft verloren. Viele hofften damals auf eine gerechtere Weltordnung. Konflikte werden heute nicht mehr nur als Krieg „Nation gegen Nation“ ausgetragen. Die Gewalt hat sich strukturell verändert, etwa in Bürgerkriegen, in der Terrorgefahr. Alle wollen Frieden. Aber angesichts neuer Herausforderungen weltweit sind viele nicht imstande, überhaupt Chancen für einen persönlichen Friedensbeitrag zu sehen. Daher kommt der bereits erwähnte Übergang von der „Erfahrungsgeneration“ zum mehr intellektuellen Ansatz kleiner Friedensgruppen, die längst eher immer älter als jünger werden. Das muss man offen einräumen.

Welche Möglichkeiten gibt es trotzdem, für den Frieden in der Welt zu wirken?

Dr. Otterbeck: Ich finde „altmodisch“ Städtepartnerschaften oder den Schüleraustausch immer noch gut, um sich kennenzulernen und Vorurteile abzubauen. Es geschieht in Europa derzeit eher schon wieder zu wenig organisierte Begegnung von Mensch zu Mensch. Ich fände für Kevelaer etwa, neben Bury St. Edmunds, eine Städtepartnerschaft mit einem belgischen oder französischen Ort sehr gut. In diesen Tagen erschien zudem das zweite Jahresheft der Pax-Christi-Vereinsmitteilungen „Die Friedensampel“, benannt nach dem permanenten Friedenslicht in der Gnadenkapelle. Das Einzelheft ist für fünf Euro im Museum Kevelaer erhältlich.