Mit Stimme, Spaß und Fantasie

Es schien, als hätten sie die Welt um sich herum vergessen – so gebannt lauschten die zehn Kinder im „Goldenen Apfel“ an diesem Nachmittag den Worten des Mannes am Klavier. „Wer von Euch hat Lust, mal je eine Strophe von dem Lied zu singen?“, fragte Johannes Stammen in die erwartungsvolle Runde der kleinen „NachwuchssängerInnen.“ Sofort streckten sich ihm die Finger entgegen. „Na dann, los“, lachte der 66-Jährige und ließ seine Finger über das Klavier gleiten, während die Kinder mit allem, was die Lungen hergaben, jeder die jeweiligen Zeilen des Liedes „Zirkus Fantasie“ wiedergaben. „Klasse“, meinte Stammen.

Pommes, Polonäse und Süßigkeiten

Im Anschluss daran zeigten die Kinder von sich aus mal, wie lustig so eine Probe aussehen kann – und stimmten gemeinsam schreitend, klatschend und tanzend ihre lustige „Pommesbuden-Polonäse“ an. Danach gab´s erstmal eine Pause – und was Leckeres zum Naschen. „Ich fühle mich hier wie bei der Fütterung der Raubtiere“, meinte Stammen und hielt die Tüte etwas höher, um die Süßigkeiten zu retten. „Die Pause machen wir immer aus pädagogischen Gründen. Es ist für Kinder nicht so leicht, sich durchgehend so zu konzentrieren“, erzählte er.

Seit November vergangenen Jahres bemüht er sich mit seinem an diesem Tag erkrankten Kollegen Elie Wakeem vom „Theaterchor Niederrhein“, den Kindern die Freude am Gesang zu vermitteln. „Unser erster Auftritt war das Weihnachtssingen im Dezember“ erinnert sich Stammen, wie es eigentlich zu diesem Projekt gekommen war. Damals hatte man einfach mal die Idee, in Kostümen des 19. Jahrhunderts an zwei Dezember-Wochenenden Weihnachtslieder zu singen – und das sollte dann auch mit Kindern vonstatten gehen.
„Wir haben dann erst mal im Chor rumgefragt“, erzählt der Sänger mit Bassstimme. Und das Interesse der sangesbegeisterten Eltern, ihren Kids auch ein Forum für dieses besondere Hobby zu geben, war von vornherein gegeben. Am einem Tag gingen die Kinder mit – und waren begeistert. „Kalt war´s , aber sehr schön. Wir sind sogar vor die Krippe gezogen“, erzählt der achtjährige Leo. „Das war voll cool und was Besonderes“, ergänzte der zwei Jahre ältere Janesh.

Freude fördern

Seitdem versammelt sich die kleine Gruppe regelmäßig jeden Donnerstag zwischen 17 und 18 Uhr, versuchen die beiden engagierten „Lehrer“, den Kids etwas von ihrer Begeisterung für Musik weiterzugeben. „Wir wollen hier keine „Gesangsstars“ züchten, sondern die Freude am Gesang fördern“, meint Stammen, der selbst seit dem neunten Lebensjahr singt und seit zwei Jahren den Kirchenchor Wemb leitet. „Kinder sind viel impulsiver. Du mußt bei ihnen ein vernünftiges Konzept haben, um sie bei der Stange zu halten“, erkennt er aber in der Herangehensweise schon einen wesentlichen Unterschied.

Stammen ist besonders glücklich darüber, dass es in dem doch relativ kurzen Zeitraum schon einen echten Fortschritt zu beobachten gibt. „Beim ersten Mal waren alle schüchtern, und wenn ich da jetzt sehe, dass die selbst Strophen singen wollen, dann geht mir das Herz auf.“

Ähnlich sieht es Elie Wakeem. Der 19-jährige gebürtige Syrer hat in seiner Heimat Damaskus unter lebensgefährlichen Bedingungen einen Kinderchor geleitet und hat eine ganz tiefen inneren Bezug zum Singen und zu der Arbeit mit Kindern. „Ich möchte mich nicht Kinderchorleiter nennen, sondern ein Kind im Chor“, meint der junge Mann bescheiden. „Und wenn ich sehe, wie zufrieden die Kinder sind bei der Probe, dann freut mich das am meisten.“

Keine Noten, keine Langeweile

Singen egal wo und mit wem, „das ist das Wichtigste.“ Und man spüre, dass die Kinder einfach Lust haben, zu lernen. „Aber wir müssen jedes Mal was Neues finden, damit sie keine Langeweile haben.“ Vieles laufe in Verbindung mit aktivem Singen, das hätten er und Stammen bei einem Kurs in Münster gelernt. Und die Kinder müssten keine Noten in der Hand haben, erzählte Wakeem.

Die Kinder selbst, die finden den Ansatz einfach nur toll. „Wir machen zu den Liedern bestimmte Bewegungen“, beschrieben die neunjährigen Theresa und Amelie, wie sie die Stunden erleben.

Zum Abschluss der Stunde stimmten die Kinder tanzend und singend das Lied „Wir sind Kinder einer Welt“ an. Elie Wakeem hofft, dass es bei dieser Kerngruppe nicht bleibt. „Unsere Türen sind geöffnet. Jedes Kind ist willkommen.“