Meinung im KB: Kreatives Gestalten schafft Lebensqualität

Schaut man auf die Agenda der in Vorbereitung befindlichen oder laufenden Baumaßnahmen in unserer schönen Stadt, kann man nun wirklich nicht behaupten, es passiere nichts: Hotel und Gradierwerk auf der Hüls, Neugestaltung von Fußgängerzone und Kapellenplatz und nun anlaufend die Überplanung des Peter-Plümpe-Platzes seien nur als jene Maßnahmen benannt, von denen jeder Einwohner und Besucher wird unmittelbar Notiz nehmen können.
Wenn ich das ins Verhältnis zur Größe und zu den „nebenher“ noch zu erledigenden Pflichtaufgaben in unserer Stadt setze, finde ich das überaus beachtlich. Natürlich läuft nicht alles optimal und reibungsfrei, wobei auch das immer eine Frage der Perspektive ist. Aber wo Menschen schöpferisch und gestaltend tätig werden, kommt es eben nun einmal auf ganz unterschiedlichen Ebenen zu bewusster Reibung.
Nun bin ich in Kevelaer nicht aufgewachsen, sondern nach verschiedenen Lebensphasen in recht unterschiedlichen Gegenden unseres Landes hierher zugezogen. Von der momentan recht populären „Heimat“ zu reden, ist vielleicht noch etwas früh, aber ich lebe gern hier und schätze das hohe Maß an Lebensqualität in Kevelaer. Vielleicht ist es aber gerade diese Perspektive, die es mir etwas leichter und unbeschwerter macht, die positiven Aspekte in unserem Stadtleben wahrzunehmen, insbesondere in Beziehung zu vergleichbaren Kommunen der Umgebung. Andererseits bewahrt mich das Fehlen des naturgegeben alles ein wenig rosa färbenden Paketes aus Kindheits- und Jugenderinnerungen davor, in jeder Veränderung vorrangig den Verlust individueller Identität wahrzunehmen – woraus sich diese auch immer speist.
Per se ist die Stadt ein vom Menschen für sich geschaffener Lebensraum, der für ihn mehr darstellt, als die elementare Absicherung des blanken Überlebens und dadurch zum Kulturraum wird. In der Stadt ist nichts „natürlich“, es ist alles „künstlich“: geplant, gegliedert, gestaltet, menschengeschaffen – Kulturlandschaft. Vielleicht sollten wir uns das zuweilen vergegenwärtigen, um den daraus ableitbaren Auftrag nicht aus den Augen zu verlieren: Gestaltet euren Lebensraum! Und ich füge hinzu: Gestaltet ihn aus dem Hier und Jetzt als Menschen der Gegenwart!
Das ist kein Toröffner für Bilderstürmerei, sondern ein Plädoyer für einen kreativen Einsatz der Formensprache unserer Zeit. Den überzeitlichen Wert der gotischen Kathedrale hatte man im Grunde vielerorts auch recht früh erkannt und gestaltete die Stadt später um diese herum in der jeweils modernen Formensprache. Ohne das an dieser Stelle weiter ausführen zu können, aber wirkt da eine Diskussion um die Aufstellung sogenannter „Altstadtlampen“ in einer durch Nachkriegsarchitektur dominierten Fußgängerzone nicht irgendwie anachronistisch? Zu der Zeit, als jene Lampenform modern war, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass eine Straßenbeleuchtung mittels Fackeln doch viel stimmungsvoller wäre – in vielerlei Hinsicht: glücklicherweise!
Ich wünsche mir und ermuntere dazu, dass wir zu mehr Gestaltungswillen zurückfinden und manches Mal vielleicht auch sprachlich ein wenig abrüsten. Verfolgt man die Diskussionen, sei es im eigenen Umfeld, sei es in den sozialen Medien, gewinnt man den Eindruck, jede bauliche Veränderung ist eine Maßnahme gegen die Identität der Stadt und gegen ihre Bewohner: Von einer finalen Rodung (!) des Kapellenplatzes war und ist nie die Rede gewesen. Gleichwohl genügt ein Blick auf den Baumbestand und seine Qualität, auf den Pflasterbelag, den Zustand der betroffenen Fassaden und die Struktur des Platzes generell, dass das vielleicht im jetzigen Zustand auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Genauso wie für den Platz Bäume unabdingbar sind, benötigt er Licht und Struktur durch Sichtachsen – reden wir doch über keinen „Urwald“, sondern über menschengemachten Kulturraum. Fällt nun der Entschluss, den Baumbestand zu verringern und dieses durch Ausgleichspflanzungen zu kompensieren, so ist das nicht nur gängige und vernünftige Praxis, sondern wird gewiss auch keiner Kevelaerer Biene das Leben kosten. Diese überaus wichtigen und schützenswerten Tiere genießen zwar momentan eine ähnliche Popularität wie die oben kurz gestreifte „Heimat“, sie durch eine Vermengung von Baumbestand auf dem Kapellenplatz, CO2-Ausstoß und sonstigen Insekten (kurzum: durch fragwürdige Kausalitäten), allerdings ähnlich populistisch aufzuladen, dient weder den summenden Honigproduzenten noch der Diskussionskultur im Rahmen der Gestaltung von Kevelaers Straßen und Plätzen.
Matthias Wirth