Björn Lohmann

Neue Impulse, alte Verhältnisse?

Ein Kommentar von Björn Lohmann.

Dr. Dominik Pichler bleibt Bürgermeister von Kevelaer. Das dürfte für die Wenigsten ein überraschender Ausgang der Wahl am vergangenen Sonntag gewesen sein. Pichler agiert in der Politik trotz seines SPD-Parteibuchs meist überparteilich und Brücken schlagend. In der Bevölkerung ist er beliebt und hat sich in seiner ersten Amtsperiode keine großen Schnitzer geleistet. Doch trotz der Unterstützung durch SPD, KBV, Grüne und FDP dürfte die Deutlichkeit seines Sieges – 77,7 Prozent – überrascht haben. Sie beweist, wovon der ehemalige CDU-Fraktionschef und Stadtverbandsvorsitzende Paul Schaffers früh überzeugt war: Auch bei vielen CDU-Mitgliedern und CDU-Wählern wird Pichlers Arbeit geschätzt. Ein eigener CDU-Kandidat war von Beginn an chancenlos.

Es ist Mario Maaßen aus Parteisicht hoch anzurechnen, dass er dennoch seinen Hut in den Ring geworfen hat. Maaßen ist gradlinig und qualifiziert, seine Bekanntheit vor der Kandidatur war vermutlich mit der von Pichler bei dessen erster Kandidatur vor fünf Jahren vergleichbar. Das Ergebnis ist daher wohl vor allem ein Sieg Pichlers und weniger eine Niederlage Maaßens, die sich beide im Wahlkampf mit Respekt begegnet sind. Umso mehr erstaunt das Verhalten des CDU-Vorstands am Wahlabend: Der ließ Maaßen mit seiner Niederlage geschlossen allein. Letztlich war es dessen Mitbewerber Pichler, der öffentlich eine Lanze für den CDU-Mann brach und zudem Vorfreude auf die weitere Zusammenarbeit im Rat bekundete. Zwar erklärte der kommissarische CDU-Vorsitzende Michael Kamps später, er wolle weiter auf Maaßen bauen und auch der Wahlverlierer selbst zeigte sich kämpferisch. Wie die CDU aber tatsächlich mit der Niederlage umgeht, wird sich wohl erst bei der nächsten Wahl des Fraktionsvorsitzenden zeigen.

Zweischneidig dürfte für die CDU in Kevelaer auch das Ergebnis der Ratswahl sein. Einerseits hat die Partei in gewohnter Stärke mit einer Ausnahme alle Direktmandate geholt und ist mit Abstand wieder stärkste Fraktion geworden. Andererseits hat sie nach dem herben Verlust in 2015 nun noch einen weiteren Verlust erlitten und liegt nur noch bei 40,5 Prozent. Nominell ist damit ihre Position im neuen Rat etwas geschwächt – faktisch braucht sie wie bisher lediglich eine beliebige Fraktion als Verbündeten, um ihre Positionen durchzusetzen. Pichler wird also weiterhin kaum darum herumkommen, den Kompromiss mit der CDU zu suchen.

Bitter ist das Ergebnis für die Partei des alten und neuen Bürgermeisters. Während dieser die überwältigende Mehrheit der Bürger hinter sich weiß, rutscht die Zustimmung zur SPD auf ein neues Rekordtief. Der Ortsverband hat einige Konflikte hinter sich, ist zuletzt öffentlich und im Rat eher blass geblieben. Wer so wenig vom eigenen Bürgermeister profitieren kann, darf die Schuld nicht nur in der Bundespolitik suchen.

Die KBV hat ihre Stimmgewinne von 2014 in dieser Wahl wieder abgegeben. Da es keine Analysen zur Wählerwanderung gibt, kann man nur spekulieren, wem sich die Abgewanderten zugewandt haben. Der verjüngten FDP? Den in Kevelaer ebenfalls bürgerlichen, aber progressiveren Grünen? In jedem Fall bleibt die KBV auch geschwächt eine relevanter Akteur der Kevelaerer Politik.

Die beiden Wahlsieger sind jedenfalls klar die Grünen und die FDP. Nachhaltigkeit, Klimaschutz, lebenswerte Innenstädte – das sind Themen, deren Bedeutung für die Wähler zunimmt und die Kernkompetenzen der Grünen sind. Kaum eine Partei fällt im Rat zudem mit so vielen Vorschlägen auf. Damit ist die Partei nach dem zweiten Stimmgewinn in Folge auf Platz zwei in Kevelaer aufgestiegen, wenngleich nur knapp vor der SPD und noch weit hinter der CDU. Ob das genügt, damit die grünen Ideen künftig häufiger eine Ratsmehrheit finden, bleibt dennoch abzuwarten.

Klar aufwärts geht es auch für die FDP: Nach den Verlusten 2014 ist die Partei neu erstarkt. Zwar bildet sie weiterhin die kleinste Fraktion im Rat, aber die Nadelstiche, die die FDP regelmäßig gegen die Verwaltung oder andere Parteien gesetzt hat, dürfte das verjüngte Team mit viel Lust und Energie fortsetzen, wie man schon am Abend der Wahlparty spüren konnte.

Bleibt ein Wort an die größte Fraktion des Wahlsonntags: die Nichtwähler. Eine Wahlbeteiligung von 54 Prozent ist peinlich. Damit ist Kevelaer zwar alles andere als ein Sonderfall, aber bei aller Kooperation, die oft zwischen den Parteien zu beobachten ist – und die etwas Gutes darstellt –, gibt es ganz klare Unterschiede in der Grundhaltung und in einzelnen Forderungen. Dadurch dürften sich weit mehr Menschen in einem der Wahlprogramme wiederfinden, als jetzt an die Wahlurne getreten sind. Aber wer nicht wählt, darf hinterher auch nicht meckern, wenn sich andere Positionen als die eigene politisch durchsetzen.