Eine Uhren-Boutique mit Tradition

Am 21. Oktober 1970 eröffneten Werner und Christel Koschollek ihre „Uhren-Boutique“ auf der Amsterdamer Straße 4 – dokumentiert in einem Bild, das Tochter Britta gerahmt stolz in Händen hält. „Heute ist da ein Torweg, wir hatten ein sehr kleines Geschäft da. Dann ist mein Vater eine Hausnummer weiter gezogen, hat das Geschäft vergrößert“, erinnert sich die 51-jährige gelernte Kauffrau, die heute den Laden an der Busmannstraße 15 führt.

Schon damals war das Geschäft von seiner Art her etwas Besonderes. „Meine Eltern waren immer offene Menschen, haben sich dem Zeitgeist angepasst. Somit wechselte auch die Ausstattung des Geschäfts mit den Jahrzehnten. Aber was wir immer hatten, war ein Boutique-Charakter, um die Schwellenangst zu nehmen.“ Damals gab es viele sehr „streng“ wirkende Geschäfte in Kevelaer, sagt Koschollek. „Und in den 70er-Jahren kamen viele dieser Boutiquen auf. Meine Eltern wollten nicht dieses Strenge haben, die Boutiquen hatten etwas Lockeres und Offenes.“ Und das gefiel ihnen.

Auf einen ähnlich lockeren, einladenden Charakter des Ladens lege sie selbst Wert, „nach dem Motto: Jeder Besuch ist Urlaub.“ Entsprechend gibt es neben Uhren auch schöne Accessoires wie Taschen oder Schmuck, die in dem Laden zu bekommen sind.

Ihr Vater Werner kam ursprünglich aus Schlesien. „Die Affinität zu Uhren, die kam von seinem Schwager, der Uhrmacher war. Das Interesse hat er davon übernommen.“ Ihn habe alles rund um Uhrwerke und Zeitnehmung fasziniert. „Dann hat er sich selbst für den Beruf entschieden und ist zur Uhrmacherschule nach Hamburg gegangen.“ In den 60ern arbeitete er in Düsseldorf. Dort war zufällig auch die in Kevelaer ansässige Christel Sturme beruflich unterwegs. „Dort haben sich beide kennengelernt. Und mein Vater hat sich dann in Kevelaer und meine Mutter verliebt.“

So kam es zur Eröffnung und Erweiterung des Geschäftes. Christel Koschollek unterstützte ihren Mann im Laden, so gut es ging. „Sie hatte drei Kinder. Da war sie nicht von morgens bis abends da, aber sie arbeitete mit, soweit es möglich war.“ Selbst habe sie schon als Kind viel Zeit in der Werkstatt ihres Vaters verbracht, der schnell bemerkte, dass sie als einziges von drei Kindern seine Leidenschaft teilte, erinnert sich Britta Koschollek. „Ich bin quasi mit im Geschäft aufgewachsen.“

Was er am Werktisch machte, die Materie, das Geschäft – all das zog die junge Britta in ihren Bann. „Er hatte sehr viel Ruhe am Werktisch. Für alte Uhren fertigte er auch Teile von Hand an, um sie zu reparieren. Er hat seinen Beruf geliebt.“ Ihr Vater habe viel mit Leuten kommuniziert, konnte gut verkaufen. „Das hat ihm Freude bereitet.“ Und schnell gehörte der Laden zum selbstverständlichen Stadtbild.

1990 zog die Familie Koschollek um auf die Busmannstraße, wo bis heute das Geschäft steht. „Uns hat die Busmannstraße sehr gut gefallen, weil dort viele inhabergeführte Geschäfte sind.“ Die Kund*innen nahmen sie mit. „Es gibt Stammkunden von der ersten Stunde an bis heute. Da fühle ich mich geehrt, wenn die kommen. Die kennen mich ja auch von klein auf – und man bekommt ja auch deren Lebenswege mit.“

Mehrfach wurde das Geschäft umgestaltet, der „Boutique“-Charakter blieb.„Ich habe neunzehn Jahre lang mit meinem Vater zusammengearbeitet und sehr viel von ihm gelernt“, sagt die 51-Jährige. „Er hatte einzigartige Uhren -    einzigartig wie die Menschen, die sie tragen und die sie auf ihrem Lebensweg begleiten.“

Nach dem Tod der Eltern – der Vater starb im Mai, die Mutter davor – will Britta Koschollek das Geschäft in deren Geist fortführen. Zeitmessung werde es immer geben. Und Uhren seien ein „Ausdruck der Persönlichkeit, ein Schmuckstück und zudem ein Stück Lebensfreude“, sagt sie.

Natürlich habe sich die Art der Uhren und ihr Stellenwert in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. „Damals hat mein Vater auch große Standuhren verkauft. Bei ihm konnte man erstmals Quartz-Uhren und digitale Uhren erwerben. Mein Vater war auch der erste, der Funkuhren verkauft hat.“ Heute sind es bei ihr „nachhaltige“ Uhren ohne Batterie, die über Licht laufen mit einer langen Dunkelgang-Reserve, die über die Ladentheke gehen. „Vor Jahrzehnten, als die ersten Solar-Uhren herauskamen, funktionierten die nicht mehr, wenn der Ärmel drüber ging“, erzählt sie. „Heute ist da ein Chip drin, sodass die Uhr auch im Dunkeln mindestens 180 Tage und länger läuft.“