„Alles kann Bühne sein“

Gut 90 Menschen kamen am Samstagabend zum Museumseingang, um die Performance des Kölners Holger Maik Mertin zu verfolgen. Neben Kevelaerern waren auch auswärtige Gäste gekommen. Anne van Rennings von „WirkSam e.V.“ hatte ein Jahr zuvor im „KuK-Atelier“ einen Einblick in die Kunst von Mertin erhalten. „Mal sehen, wie das im öffentlichen Raum funktioniert, mit beweglichem Publikum“, freute sie sich, „dass so viele Leute gekommen sind.“

Drei Tage lang hatte Daniel Neuys, ebenfalls Mitglied bei „WirkSam e.V.“, gemeinsam mit Mertin „Spielorte“ rund um das Museum gesucht. „Es ist nicht das erste Mal, dass wir sowas zusammen machen. Wir hatten zuletzt in der Kölner St. Gertruds-Kirche eine 24-Stunden-Performance zusammen.“ Neuys hoffte darauf, damit  auch in Kevelaer „eine Akzeptanz von Dingen zu schaffen, die jenseits des Mainstreams sind, neue Impulse zu setzen und mal was anderes als die klassische Konzert-Situation anzubieten.“ Die Idee des Ganzen sei, den Raum zu ändern. „Die ‚Bühne‘ wird aufgebrochen. Alles kann Bühne sein.“

Museumsleiterin Veronika Hebben hatte ihr Okay zu dem Projekt gegeben, weil sie auch andere Formen ans Museum heranführen wolle. „Es muss nicht nur die klassische Kunst sein. Von daher haben wir sofort gesagt, das unterstützen wir. Ich bin sehr gespannt und überrascht, wie es am Ende umgesetzt wird.“

Nackter Oberkörper und ausgebreitete Arme

Und so startete Mertin zur Überraschung aller auf dem Dach des Museums seine Performance. Minutenlang blieb er dort mit nacktem Oberkörper und ausgebreiteten Armen auf dem Dachfenster liegen, erzeugte so eine erste Spannung, wann er beginnen würde. Danach legte der Performance Künstler los, lief zwischen den Scheiben und bearbeitete mit seinen Schlägeln rhythmisch das Glas.

Im Anschluss daran kam er nach unten in die Museumsmeile, nutzte das Tor und den Boden mit speziellen „Besen“ als Instrument, warf Metallstäbe durch den Raum, verwandte die in den Gängen liegenden Türen als Klanginstrument. Er ließ Kugeln über den Boden rollen, schob einen alten Feuerwehrkarren mit Müllsäcken durch das Tor auf den Mechelner Platz, kehrte wieder zurück, nutzte das Verbindungsstück zwischen Museum und Busmannstraße als Klangwand, die er mit den Stäben bewarf und bespielte. Er ging auch in die Museums-Zwischengänge, sorgte für Lacher, als er die quietschenden Laute eines Tieres hören ließ. Und er nutzte den Anlieferungs-Aufzug, der aus dem Boden vor dem Museum hervorfuhr, um dort die Wände erklingen zu lassen.

Der Künstler erzeugte Klänge an einem Tor.

Am Ende nutzte Mertin Müllbeutel als „Instrumente“, ließ die darin gesammelten Herbstblätter auf der Fläche vor dem Museumseingang entweichen, schlug am Boden auf sie ein, warf sie dem Publikum teilweise zu und vergrub sich am Ende unter den Blättern.

Im Anschluss machte der 43-Jährige deutlich, dass das Ganze auch eine physische Komponente hat. „Ich habe eine Leistungssport-Vergangenheit. Das ist auch ein Grund, warum ich das so mache. Mit 60 wird das vielleicht nicht mehr so gehen.“ Er habe in der Hochschule für Musik und Tanz in Köln viel an der Schnittstelle zwischen beidem geforscht. „So kam die Idee, mehr und mehr die Instrumente ‚loszulassen‘, den Raum selber wie ein Tänzer auch zu bespielen und ihn zugleich als Instrument zu sehen.“

Er wolle als Klangperformer und Mover zu zeigen, „dass Räume ganz andere Komponenten haben, als das, was wir damit sonst so machen.“ Die Interaktion mit dem Publikum sei ihm sehr wichtig. „Wenn ich das mache, meine ich das ernst mit dem Raum. Ich mag den Ansatz sehr, dass wir alle Performance sind in dem Moment – ob jemand stehenbleibt, die Kugel wegstupst oder was auch immer. Das bin nicht nur ich, die Performance. Das greift alles ineinander.“ An dem Abend hatte es funktioniert.