Schnell noch ein Geschenk kaufen

Im „Schauplatz“ an der Busmannstraße sah sich Tina Maria Haßendt kurz vor Weihnachten noch mal um. „Für meine Schwester kaufe ich hier noch ein schönes Geschenk“, sagte die 36-jährige Kevelaererin und ließ sich von Inhaberin Anja Hummler das Präsent in die Tasche packen.
Die ist bereits in gelassener Erwartung der Kunden, die auf den letzten Drücker zu ihr kommen werden: „Heiligabend hast du den ganz verzweifelten Mann, der irgendwas einkauft. Oft sind es die jungen Männer, die merken, dass die Beziehung zur Freundin doch bis Weihnachten gehalten hat“, meint sie mit einem Augenzwinkern.
„Da könntest du mit Einpacken Geld verdienen – und man sieht ihnen die Panik an.“ Dann versuche sie, ihnen irgendwie zu helfen. „Da geht viel Schmuck, Kleinigkeiten, Gutscheine so bis 20, 25 Euro.“ Trotz „Verzweiflung“ seien die meisten Kunden an diesem Tag freundlich und vor allem „superdankbar“.
Die Schuhgeschäfteinhaberin Susann Köhler hat in Sachen Last-Minute weniger Erfahrungen. „Bei Schuhen ist das nicht so extrem.“ Da gebe es nur mal einen Gutschein oder eine Handtasche. Auch ihre Erfahrung ist, dass es „meistens die Männer“ seien, die zum Ende hin kommen. Selbst plant sie langfristig: „Ich weiß, wer was kriegt, und bin beizeiten unterwegs.“
Bei „Müller“ gibt es zum Last-Minute-Einkauf den Klassiker: „So einen Duft, den nehm ich schnell mal mit“, greife die männliche Kundschaft kurzentschlossen zu, berichtet Mitarbeiterin Christina Rujevic.
Handys sind als kurzfristiges Geschäft weniger der Renner – es sei denn, es gibt ein gutes Schnäppchen mitzunehmen, erzählt Philipp Temmel, Inhaber des „mobilcom debitel“-Ladens an der Hauptstraße. „Oder die Kunden kaufen noch Zubehör wie einen Kopfhörer oder eine Power-Bank.“
Evelyn Stelter kam mit ihrem 16-jährigen Sohn Kilian in den Laden. „Ich bin Spätjäger“, gestand die 35-Jährige ein. „Ich bin nicht so der Weihnachtsmensch. Die Hauptsache ist, dass es was für die zwei Kinder gibt.“
In der Buchhandlung von Gertrud Aengenheyster ließ sich Gertrud Mietz Bücher einpacken. „Ich find hier immer was und weiß genau, welches Buch zu wem passt“, erzählte die 64-Jährige, die auch schon mal kurzfristig unterwegs, aber trotzdem fündig geworden war. „In der Regel wissen die Kunden, was sie wollen“, bestätigt Aengenheyster auch für die kurzfristig Einkaufenden.
Buchhändler Ludger Polders stellte ein „Kevelaer-Phänomen“ fest. „Wenn es Heiligabend ist, dann kommen viele Einheimische, die von Kevelaer weggezogen sind und zu Weihnachten nach Hause kommen.“ Oft seien das „alte Bekannte, „die man jahrelang nicht sieht und mit denen man dann selbst ins Plaudern kommt.“
Bei „Stiltreu“ deckte sich der Gelderner Stefan Jerke noch schnell ein. „Ich muss viel arbeiten, hab mir dafür heute extra einen halben Tag freigenommen.“ Jetzt arbeite er die Wunschliste der Kinder ab.
Extra aus Kamp-Lintfort waren Friedrike Boersma und Anja Altrichter nach Kevelaer gekommen – eher aber, um sich was zu gönnen. „Ich geh gerne spontan einkaufen“, erzählte die 54-jährige Boersma. „Kinder und Männer sind versorgt – jetzt sind wir dran“, ergänzte ihre Freundin. „Wenn wir uns was kaufen, ist es wenigstens das Richtige“, lachte sie.
Man habe „mehr Frauen als Männer“ im Laden, stellte Britta Roeloffs fest. „Ob‘s ein Kissen ist, eine schöne Decke, ein Öl oder Salz.“ Und oft „kommen sie erst beim Durchschlendern auf die richtige Idee.“ Manche sammelten Geschirr, da werde dann was dazu gekauft.“
Auch Sandra Kämper ist eine der Kundinnen, die sich als „Last-Minute-Jägerin“ outete. „Ich nehm´s mir jedes Jahr vor, mache mir Notizen, aber es ist immer das Gleiche.“ Die 28-jährige Kevelaererin findet das „Stress, den man sich selber antut.“
Bei Schmuck und Optik Hammans gibt es dagegen nur vereinzelte Last-Minute-Käufe. „Vor
Jahren hatten das mal unsere Eltern, dass sie zu Weihnachten gesagt haben: Wir können nicht zumachen, da kommt noch Kunde x oder y und muss was holen“, erinnert sich Inhaber Bernward Simon. Und wenn doch mal ein Mann noch schönen Schmuck für die Frau suche, „nehmen wir uns die Zeit und entschleunigen ihn.“