Mit Mechel Schrouse durch Kevelaer

Wenn man der Dame glauben konnte, die sich zur Führung durch ihre Stadt Kevelaer anbot, dann muss sie über 390 Jahre alt sein. Für dieses Alter hat sich Mechel Schrouse, so nannte sie sich, erstaunlich gut gehalten. Nicht nur die recht glatte Haut und die feste Stimme, auch das bemerkenswert gute Gedächtnis an ihre jungen Jahre in Kevelaer ließen ihr betagtes Alter nicht erkennen. Zugegeben, das Kleid und die Schürze, der Schal und die Haarhaube, der kleine Lederbeutel für Geld und der am Arm hin und her schwingende Weidenkorb konnten einen Hinweis auf ihr fortgeschrittenes Alter geben.
Im Namen des Verkehrsvereins hatte Dr. Rainer Killich etwa 60 „Reisewillige“ für die Städtetour durch die unverwechselbare Stadt am Niederrhein begrüßt und sie ermutigt, der außergewöhnlichen Stadtführerin zu folgen. Aufgrund der großen Menge wurden dann aber zwei Gruppen gebildet. Die zweite Gruppe wurde von Stadtführerin Margret Wynants-Brocks durch die Marienstadt geleitet.
Mechel Schrouse gab sich als Ehefrau von Hendrick Busmann zu erkennen und berichtete an der orthodoxen Johanneskapelle von der Zeit um 1640, der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der Stimme, die ihr Mann gehört habe und dem Kapellchen am Hagelkreuz. Dabei zeigte sie den Gästen die zwei Steingesichter, die an der Johanneskapelle von außen angebracht sind. Sie und ihr Mann wurden dort verewigt.
Nachdem sie auf die ersten Häuser an der Amsterdamer Straße hingewiesen hatte, begleitete sie die Besucher zum Kapellenplatz. Dort, umgeben von Marienkapelle, Kerzenkapelle, Priesterhaus und Basilika, strömten die Anfänge der Geschichte der Kevelaerer Wallfahrt nur so aus ihr heraus. Sie erwähnte die erste Prozession, die bereits 1643 aus Rees erfolgte, die Ankunft der ersten Mönche, die die einsetzende Wallfahrt organisieren sollten bis hin zur Synode von Venlo, wo sie vor Gericht aussagen musste, wie es zur Wallfahrt nach Kevelaer kam. Mechel Schrouse: „Das ich dort als einfache Frau – das war früher nicht üblich – aussagen sollte und auch noch positives Gehör bekam, das macht mich schon ein wenig stolz.“
Wie aus dem kleinen Heidedorf am Niederrhein einer der bedeutendsten Marienwallfahrtsorte in Europa wurde, Kevelaer entstand und Hunderttausende Besucher anzieht, das berichtete Mechel im weiteren Verlauf der Führung. Zwei weitere Hinweise fanden dabei besondere Beachtung: In der Mitte der Kerzenkapelle steht in der Regel immer die Kerze der Wallfahrer aus Rees, um ihnen Dank für die erste Wallfahrtsgruppe zu sagen.
Eine weitere Anekdote ist die über Reichskanzler Otto von Bis­marck. Er wollte im Kulturkampf die Basilika verhindern, konnte dann aber „bestochen“ werden, indem man ihn und seine Minister im Eingangsbereich der Basilika darstellte. „So kann man getrost sagen, noch heute tragen Bismarck und seine Minister das Gewicht der Orgel“, schmunzelte Mechel Schrouse.
Weitere Geschichten folgten beim Gang über die Busmannstraße und bei einem heißen Kaffee im Niederrheinischen Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte mit Besichtigung der Ausstellung „Nierentisch und Petticoat – Leben und Alltag in den 50er Jahren“, die am Sonntag endete.
Eine „Offenbarung“ gab es aber ganz zum Schluss auch noch. Mechel Schrouse gab zu, nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben. In Wirklichkeit war es Stadtführerin Margret Meurs, die authentisch und in hervorragender, begeisternder und informativer Art die Gäste in die Anfangszeit der Wallfahrt in Kevelaer vor 375 Jahren mitgenommen hatte.