Tod und Sterben im Wandel

Der November rückt nicht nur mit den Feiertagen Allerheiligen, Allerseelen und dem Volkstrauertag für viele Menschen den Blick auf das Thema Tod. KB-Autorin Doris de Boer sprach mit Bestatter Jean Kamps darüber.
KB: In der schweren Zeit, die nach einem Todesfall für die Hinterbliebenen eintritt, stehen Sie den Hinterbliebenen zur Seite und kümmern sich um das Aufbahren und die Beisetzung des Verstorbenen und erledigen alle anfallenden Formalitäten. Wie wird man eigentlich Bestatter?
Kamps: Bestatter ist ein Ausbildungsberuf und geht über drei Jahre. Dieser Beruf ist sehr vielseitig, aber besonders braucht man dafür psychologische Kenntnisse im Umgang mit Hinterbliebenen.
Seit wann existiert Ihr Be­stat­tungs­institut?
Unser Bestattungsinstitut gibt es seit 1874. Sämtliche meiner Vorfahren waren schon Bestatter. Früher hatten meine Vorfahren eine Schreinerei und ein Möbelgeschäft und haben die Särge selbst gemacht. Später wurde daraus ein reines Bestattungsunternehmen.
Wie hat sich der Beruf im Lauf der Zeit gewandelt?
Heute ist der Beruf vielseitiger geworden. Früher haben die Angehörigen in der Regel die ganzen Formalitäten selbst erledigt. Heute erledigen wir für die Angehörigen die Wege zu den Behörden, den Krankenkassen, Versicherungsgesellschaften, Rentenstellen, Telefonverträgen, Zeitungsabos, etc..
Sie sind für viele Trauernde der erste Begleiter durch die Zeit der Trauer. Wie lernt man es, Menschen in Trauer beizustehen und Ihnen zu helfen?
Der Umgang mit dem Tod ist auch heute schwer, doch sammelt man in diesem Beruf im Lauf der Zeit viele Erfahrungen, die einem dabei helfen.
Früher war die Erdbestattung das Normale, aber es gab auch vereinzelt Feuerbestattungen. Erst seit gut 50 Jahren ist es Katholiken erlaubt, sich verbrennen zu lassen. Wie sind die Anteile an Erd- und Feuerbestattung in Kevelaer heute?
Wir haben heute mit unserem Unternehmen 57 Prozent Feuerbestattungen, also schon eine Mehrheit. Urnenbestattungen haben zugenommen, da es mehr Möglichkeiten im Umgang mit der Asche gibt. Bei einer Bestattung muss das Grab 25 Jahre lang gepflegt werden. Die Grabpflege für eine große Familiengrabstätte will man den Nachkommen nicht immer zumuten, zumal diese zum Studium und Beruf oft nicht mehr vor Ort sind.
Welche Möglichkeiten gibt es für Hinterbliebene bei der Einäscherung im Umgang mit der Asche?
In NRW haben wir ein Bestattungsgesetz, das besagt: Die Aschereste müssen auf ausgewiesenen Friedhöfen beigesetzt werden. Es gibt aber auch die Möglichkeit der Seebestattung. Es gibt dabei genaue Regeln, wo die Urnenbestattung auf See erlaubt ist. Die Seeurne löst sich nach zwei Stunden auf. Wir bringen Verstorbene auch nach Holland, wo sie eingeäschert werden. Nach vier Wochen ist es dann möglich, die Asche in Form einer Luftbestattung oder Flussbestattung beizusetzen.
Aschenverstreuung ist in NRW grundsätzlich erlaubt, aber es ist nicht auf jedem Friedhof möglich. In Geldern ist es auf dem Städtischen Friedhof etwa erlaubt, in Kevelaer dagegen nicht. Der Friedhof ist hier kirchlich und eine anonyme Bestattung ist nicht erlaubt.
Gibt es nach dem Tod die Möglichkeit, den Verstorbenen zu Hause aufzubahren?
Hausaufbahrungen machen wir auch. Heute nimmt auch die Pflege von Kranken zu Hause zu, viele wollen den Verstorbenen noch zu Hause aufbahren. Nach dem Tod können wir die Verstorbenen zurecht machen, damit alle Angehörigen sich in Ruhe verabschieden können. Wenn der Tod aber ein Kampf war, dann haben Verstorbene oft Entstellungen im Gesicht oder Verkrampfungen der Arme und Beine. Es ist nicht immer ein friedlicher Anblick; aber die Angehörigen können immer frei entscheiden, wie sie es haben wollen.
Wie lange kann man einen Leichnam konservieren?
Nach dem Tod erledigen wir auf Wunsch das Einbalsamieren. So kann ein Leichnam mehrere Tage bei geöffneten Sarg aufgebahrt sein.
Wo ist eigentlich das nächste Krematorium? Wie lange dauert die Einäscherung? Kann man dabei auch zuschauen?
Wenn die Familie andere Bestattungsformen wünscht, fahren wir zum Krematorium in Venlo, sonst sind in Duisburg und Düsseldorf die nächstgelegenen Krematorien. In Duisburg und Düsseldorf müssen wir jedoch nachweisen, was mit der Asche geschieht.
Bei einer Einäscherung wird der Sarg nach der Trauerfeier in die Kremation gegeben. In der Kremation ist man in der Regel nicht dabei. Aber wenn man es ausdrücklich wünscht, dürfen maximal zwei Personen dabei sein, wenn der Sarg bei gut 980 Grad in die Verbrennung geht.
Gibt es viele, die sich schon vor dem Tod bei Ihnen informieren und Vorsorge treffen?
Ja, viele bestimmen zu Lebzeiten, wie sie es haben wollen. Dann ist es für die Angehörigen viel einfacher im Trauergespräch. Wir empfehlen das sehr! Ich habe viele Vorsorgemappen von Menschen, die noch leben, aber alles mit uns vorab besprochen haben.
Sie begegnen täglich dem Tod. Lernt man dadurch, intensiver zu leben?
Man lernt, bewusster zu leben.
In Kevelaer gibt es einen katholischen Friedhof. Werden Angehörige anderer Konfessionen und Religionen auch hier bestattet?
Ja. Muslime z.B. werden hier in Kevelaer im Sarg beerdigt, obwohl Muslime sonst Verstorbene nur in Tücher legen und beisetzen. Es gibt ausgewiesene muslimische Friedhöfe in Deutschland, wo nur Muslime in Tüchern bestattet werden. Hier auf dem katholischen Friedhof gibt es auch Beisetzungen anderer Religionen, wie z.B. Muslime, Zeugen Jehovas, Juden – aber in Särgen.
Gibt es bestimmte Jahreszeiten, in denen mehr Menschen sterben?
Die meisten Menschen sterben im Frühjahr und Herbst, wenn die Temperaturschwankungen im zweistelligen Bereich sind und Menschen mit Herz- und Kreislaufproblemen darunter leiden.
Darf ich am Ende eine persönliche Frage stellen: Welche Bestattung würden Sie für sich vorziehen?
Ich würde die Erdbestattung vorziehen. Schon als Kind ging ich oft mit meinem Opa auf den Friedhof. Er stand dann lange vor dem Grab seiner Frau und führte Zwiegespräche mit ihr. Am Ende trat er immer gegen die Lebensbaumhecke mit dem Fuß und sagte: „Tschö! Wa?!“
Seitdem ich selber Vater bin, gehe auch ich mit meinen Kindern gerne an das Grab meiner Großeltern und Eltern. Dann trete auch ich am Ende gegen die Hecke und sage: „Tschö, wa!“ Einen Verstorbenen in einen weich ausgekleideten Sarg zu betten und in die Erde zu übergeben, das ist ein wenig wie ein Bett, in dem man ruhen kann.