Gregor Kauling: vom Stadtplaner zum Priester

„Es war eine Mischung aus Schockiert- und Berührtsein.“ Noch immer erinnert sich Pfarrer Gregor Kauling an die gemischten Gefühle an jenem Dienstag vor drei Wochen. Nach einer Firmung hatte ihn Weihbischof Winfried Theising zur Seite genommen und ihm offenbart, dass er, Kauling, als Nachfolger für Rolf Lohmann ausgeguckt sei. „Es passt in meine Vita und es berührt mich, dass der Bischof an mich gedacht hat“, schildert der Dechant aus Dinslaken im Gespräch mit dem Kevelaerer Blatt.
Beworben auf die Stelle hatte er sich jedoch nicht, denn „wir haben hier in St. Vincentius in den vergangenen Jahren einen intensiven pastoralen Prozess durchlebt“, erinnert der Pfarrer sich an die Zusammenführung von insgesamt sieben Gemeinden. Im kommenden Jahr steht der Bau eines neuen Gemeindezentrums an. Kauling ist in die Vorbereitungen natürlich stark involviert. Es schmerze ihn, jetzt dort wegzugehen, sagt der 53-Jährige. Auch darüber spricht er an jenem Tag mit Theising. Doch als vier Tage später Bischof Felix Genn den offiziellen Anruf tätigt, hat sich Kauling entschieden: Er freut sich auf Kevelaer, auf den Marienwallfahrtsort, den er von Kindesbeinen an kennt.
Dabei stand für Gregor Kauling erst spät fest, dass er Priester werden würde. „Nur weil man katholisch sozialisiert wird, wird man nicht automatisch Priester“, schmunzelt der gebürtige Halterner. Dementsprechend zieht es ihn nach der Schule zunächst nach Aachen, wo er Stadtplanung studiert. Sein Ziel: den Menschen attraktive Lebensräume schenken.
Impuls durch Mutter Teresa
In den vielen praktischen Übungen und den vielen Gesprächen mit Menschen in den Wohnquartieren reift schließlich der Entschluss, nicht Stadtplaner, sondern Priester zu werden. Unterstützt hat Kauling dabei sicherlich, dass er in den 1980er-Jahren große christliche Jugendveranstaltungen besucht hat wie die Weltjugendtage und Taizé. Auch als Mutter Teresa 1987 in Kevelaer im Marienpark sprach, war er dabei. Angesichts der vielen jungen Menschen dort habe sie eine Stunde lange über Berufung gesprochen, erinnert sich Kauling. „Nicht die Berufung zum Priester“, präzisiert er. Vielmehr dazu, ein guter Mensch, ein guter Katholik zu sein.
All das wirkt in dem jungen Mann, und nachdem er 1990 sein Diplom gemacht hat, folgt keine zwei Jahre später die Entscheidung für ein Leben als Priester, zu dem Kauling 1999 geweiht wird. Früh übernimmt er in Warendorf die Aufgaben eines Pfarrverwalters und Kooperators, bis er 2009 als Pfarrer nach Dinslaken berufen wird. Dort wirkt er bis heute, seit 2011 als Dechant und seit 2012 als Pfarrer der fusionierten Pfarrei St. Vincentius.
Der Spagat zwischen organisatorischen Aufgaben und der Nähe zu den Gemeindemitgliedern, den ein Wallfahrtsrektor in Kevelaer beherrschen muss, ist Kauling also vertraut. „Ich bin in der Pfarrei zwar überall, aber ich kann bei der Größe nicht jeden kennen. Das schmerzt manche Gemeindemitglieder und auch mich“, bekennt der Pfarrer. Deshalb hat er sich früh entschieden, für eine der Gemeinden die seelsorgerische Hauptarbeit zu übernehmen: „Ich möchte seelsorgerisch nicht verkümmern.“ Bleibt mal freie Zeit, füllt er diese mit den Themen Kunst, Architektur und Theater.
Zu Fuß nach Kevelaer
Das Wallfahren ist dem 53-Jährigen ebenfalls nicht fremd. Seit etwa sechs Jahren pilgert er mit seiner Pfarrei einmal im Jahr zu Fuß nach Kevelaer – 42 Kilometer, Marathondistanz. „Es ist spannend, wie viele Menschen das gern tun“, freut sich der Geistliche. Weil die Wallfahrt sehr stark von den Laien organisiert wird, genieße er, während des Pilgerns „einfach nur sein“ zu dürfen. Noch in Warendorf ist er selbst auf Inline-Skates gepilgert. Ob Motorradwallfahrt oder Karnevalistenwallfahrt, er wisse schon jetzt: „Ich finde solche Dinge gut.“
Vergangene Woche Mittwoch hat sich Gregor Kauling bereits einigen Kevelaerern im Priesterhaus vorgestellt, darunter Kirchenvorstand und Pfarreirat. „Sehr wache, sehr ehrliche, auf Entwicklung ausgerichtete Menschen“, schildert der designierte Wallfahrtsrektor. „Darüber bin ich sehr froh.“ Und noch etwas freut ihn angesichts der sicher großen Aufgabe, die ihn in Kevelaer erwartet: „Ich kenne Rolf Lohmann gut und bin froh, dass er in der Nähe bleibt.“
Angebote für jeden schaffen
Wichtig ist dem Pfarrer, dass es in seiner Pfarrei unterschiedliche seelsorgerische Angebote gibt, die für jeden etwas bieten – für den wöchentlichen Kirchgänger ebenso wie für die Menschen, die nur zur Eheschließung eine Kirche betreten. Auch das ist wohl eine Lehre aus seinem Studium als Stadtplaner: die Leute in ihrer jeweiligen Lebenssituation ansprechen, ihre Bedürfnisse verstehen und dafür Antworten finden.
Schmunzeln muss Kauling darüber, wie oft er in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit Kevelaer auf seinen Beruf als Stadtplaner angesprochen worden ist. „Ich weiß nicht, was in Kevelaer geplant ist – aber Stadtentwicklung ist für mich natürlich sehr spannend.“ Voraussichtlich ab dem 22. November – nach Ende der Wallfahrtszeit, aber rechtzeitig vor Beginn der Adventszeit – wird Kauling sich in seiner neuen Funktion vor Ort ein Bild machen können.