Die SPD setzt auf offensiven Wahlkampf

Bevor es an die inhaltlichen Fragen des zukünftigen Kommunalwahlprogramms ging, galt es für die zwei Dutzend Mitglieder des SPD-Ortsvereins erst einmal eine wichtige Personalie zu klären – nämlich die des stellvertretenden Ortsverbandsvorsitzenden. Im Vorfeld hatte sich Thomas Ammich als möglicher Kandidat für den Posten angeboten. Am Ende wurde der 47-jährige kaufmännische Angestellte und Entspannungstrainer, der seit 26 Jahren bei der SPD Mitglied ist, bei nur einer Enthaltung zum neuen Stellvertreter von Ulli Hütgens gewählt. Als seine politischen Schwerpunkte benannte Ammich „Familie, Jugend, Kinder.“ Was für Kevelaer in den nächsten fünf Jahren dringend verwirklicht werden sollte? „Aus dem Bauch heraus was für die Schulen und Kindergärten, dass wir vor allem in Kindergarten und Grundschule dafür sorgen, dass Kinder kostenlos Essen haben und dass Kindergartenbeiträge möglichst weg- kommen.“ Damit ging die Debatte auch nahtlos von den Personalien zu der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Kommunalwahlprogramm der SPD über, das bei drei Enthaltungen angenommen wurde.

Thomas Ammich wurde zum Stellvertreter für Ulli Hütgens gewählt. Foto: AF

Der stellvertretende Bürgermeister und SPD-Ratsmitglied Norbert Baumann trug die wichtigsten Punkte zu dem zwölf Kernthemen umfassenden Papier vor, das er als „Leitfaden für die nächste Legislaturperiode“ charakterisierte, wobei immer wieder ergänzende Diskussionen entstanden. Beim Thema „Jugend und Schule“ stand eine kostenfreie Bildung im Fokus, die man allerdings nicht ohne die Unterstützung der NRW-Landesregierung stemmen will. Auch die Forderung nach kostenfreier Verpflegung in Kindergarten und Offenem Ganztag ist im Programm enthalten. Was die Bildung betrifft, will die SPD die schulische Bildung und die Grundschulstandorte der Ortschaften stärken. Auch die Neueinstellung von Schulsozialpflegern wie an der Antonius-Grundschule ist für die SPD ein Thema. Und „Jugendliche sollen motiviert werden, einen Schülerrat einzurichten“, vermisste Borgmann da aber auch das Engagement der jungen Leute über den Skaterpark hinaus. Im Bereich „Digitale Medien“ hofft die SPD, dass bis Anfang des neuen Schuljahres alle Schüler mit eigenen Laptops ausgestattet sein können – für den Fall, „dass eine zweite Corona-Welle“ kommen sollte.

Bei „Sozialem“ soll es bei Neubauten 30 Prozent sozialen Wohnraum verbindlich geben, „aber keine Ghettobildung“, wie Borgmann meinte, „sondern eine Durchmengung“ der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Man solle auch privaten Investoren da Hifestellung geben, schlug Karin Raimondi vor. Bürgermeister Dominik Pichler wies darauf hin, dass viele Private von sich aus sagten, „dass sich das nicht rechnet.“

Glaubenskämpfe

Ausführlich geriet die Debatte zum Thema „Gesundheit“, bei der Pichler auf den Umstand hinwies, dass die Ratsmehrheit bei der Drogenberatung „sich geweigert habe, auch die Diakonie zu bezahlen und nicht nur die Caritas.“ Er sprach da von „Glaubenskämpfen.“ Klaus Hölzle regte an, auch gesetzlich Versicherte kardiologisch ambulant behandeln zu lassen. Die kassenärztliche Vereinigung bewege sich da nicht, gab Pichler zu bedenken. Harte Kritik äußerte Hölzle auch an dem Notfallsystem. Der Bürgermeister ging zudem auf die Debatte um die Ärztequote in der Stadt ein. Man habe noch eine vergleichsweise gute Facharzt-Quote, aber die Altersstruktur bei den Hausärzten werde „nach hinten raus relativ schnell dünn“ – und das gerade in Ortschaften wie Twisteden, Wetten oder Winnekendonk. „Da wird es in den nächsten fünf bis zehn Jahren erhebliche Probleme geben.“ 

Das Ehrenamt soll in dem Bereich „Vereine / Kultur“ unterstützt werden. Im Bereich „Wirtschaft“ soll auf gerechte Bezahlung und auf Mindestlohn bei Firmenvergaben, auch im Kontext von Corona und dem Fall Tönnies, auf die Unterkünfte von Hilfsarbeitern geachtet werden. In Bezug auf „Wallfahrt und Tourismus“ wolle man mit der Wallfahrt zusammenarbeiten.

Nach dem Punkt „Umwelt / Naturschutz und Energie“ unterstrich Borgmann beim Thema „Verkehr“ die Punkte „Mehr Sicherheit für Radfahrer“ und die Unterstützung für die OW1. An dem Punkt konnte Pichler vermelden, dass einer der beiden Kläger die Klage im Hauptsacheverfahren zurückgezogen hat. Die zweite Klage sei Anfang Juli im Hauptsacheverfahren erstinstanzlich abgelehnt worden. „Der zweite Kläger hat aber die finanziellen Mittel, das fortzusetzen“, sagte Pichler, äußerte aber „Zweifel, ob er das mit dem nötigen Ernst betreibt.“ Die Bezirksregierung sei sich bei dem Verfahren sehr sicher. „Das Ding ist nach wie vor noch nicht rechtskräftig, aber die erstinstanzliche Entscheidung ist eindeutig.“

Nicht im Normalmodus

Mit klarer Mehrheit sprach sich die Versammlung noch dafür aus, den Text noch „gendermäßig“ redaktionell anzupassen. Anschließend verlas Ulli Hütgens noch ein Vorwort zu dem Programm, in dem er ausführlich auf die Auswirkungen der Corona-Krise einging. „Aktuell entsteht der Eindruck, wir sind wieder im Normalmodus. Das sind wir aber nicht.“  Inwieweit sich die Auswirkungen auf das Wahlprogramm bemerkbar machen werden, wisse man nicht. „Wir werden uns jedenfalls verantwortlich und angemessen verhalten und den Fokus auf unsere sozialpolitischen und umweltpolitischen Themen erhalten.“ Die Bevölkerung sei durch den Bürgermeister umfassend informiert und mit Hilfe der SPD Maßnahmen ergriffen worden, die finanzielle Nachteile für Familien und Geschäftsleute gemindert hätten.

Im Anschluss daran nutzte Dominik Pichler die Gelegenheit zu einer aufrüttelnden Rede, um seinen Genossen Mut für die Wahlauseinandersetzung zu machen, Er forderte sie zu einer „kämpferischen“ Haltung im Wahlkampf auf und „dass wir den Wahlkampf ernst nehmen.“ Die Ausgangslage sei gut, eine Dominanz der CDU keinesfalls zementiert. Das politische Klima sei in den letzten fünf Jahren ein anderes gewesen, ein konstruktives Klima entstanden. „Der langhaarige Bombenleger wurde Bürgermeister und die Stadt ist trotzdem nicht zusammengefallen“, meinte er rhetorisch etwas leger-überspitzt. Diesen Weg wolle er fortsetzen. „Ziel solle sein: Der Bürgermeister ist nicht CDU – und die absolute Mehrheit liegt nicht bei der CDU.“

Aktuell „knabbere“ die CDU Kevelaers an der „Merz-Revolution“ und der Ablösung von Paul Schaffers vom Partei- und Fraktionsvorsitz. Er lobte ausdrücklich dessen Art, die für Kevelaer „viele gute Kompromisse“ hervorgebracht habe und der „die gute Arbeit des Bürgermeisters unterstützt“ habe. Die CDU bemühe sich in der Zeit nach Schaffers „recht glücklos“ um ein eigenes Profil. Sein Konkurrent Mario Maaßen  habe „mehr klare Kante“ gefordert. Pichler benannte die politischen Themen „bezahlbaren Wohnraum“, „Klima“ und „sichere Häfen“ als Negativbeispiele. „So sieht das aus, wenn man da klare Kante zeigt.“ Und auch auf ein Programm warte man bei der CDU noch. „Die haben genug Probleme“, erinnerte Pichler an die diversen „legendären“ Kämpfe innerhalb der CDU in den letzten Jahren. Es sei angesichs der Schaffers-Geschichte erstaunlich, dass Maaßen auch gegenüber der SPD den Kontrast Gemeinschaft-Einzelkämpfertum aufmache. Natürlich habe es auch bei der SPD „erhebliche Streitereien“ gegeben, der Blick gehe jetzt aber „ganz klar nach vorne.“

Den Vorwurf, von der SPD unterstützt zu werden, wo er doch parteiübergreifend antreten wollte, konterte Pichler. „Was hätte er gesagt, wenn die SPD ihren Bürgermeister nicht unterstützt hätte“, verwies er auf die Tatsache, dass Grüne und FDP ihn bereits unterstützten, man lediglich noch auf die Festlegung der KBV warte, die inzwischen auch feststeht (das KB berichtete).