Das Rätsel der Henschel-Werke

Es war so etwas wie Wehmut zu spüren, als Matthias David, Nachlassverwalter der Henschel-Werke, und Indra Peters, die Pädagogin des Niederrheinischen Museums, ein paar Minuten vor der allerletzten Führung noch vor der Museumstür zusammenstanden. „Das wächst einem so ans Herz“, würde Peters später zum Auftakt der Führung sagen.

„Eine richtig schlüssige Erklärung gibt es nicht“, meinte David, als er darüber nachdachte, was die Menschen an der Ausstellung so derart in den vergangenen zwölf Wochen fasziniert hat.
Weit über 5.000 Gäste hatten in den drei Monaten den Weg zu der Ausstellung gefunden – ein phänomenales Ergebnis angesichts des Wagnisses, einen völlig unbekannten Künstler in diesem Rahmen überhaupt zu präsentieren.

„Irgendwie ist es das ganze Paket aus der hohen Qualität der Werke an sich, aus der Lebensgeschichte von Henschel und der Tatsache, einen Kunstschatz gefunden zu haben“, lautete seine Annäherung. „Dass er für sich gemalt hat, seine eigenen Welten und keine Kommerzkunst.“

„Ich denke einfach, es ist so, als wenn man bei der Oma auf dem Speicher einen Rembrandt gefunden hätte“, ergänzte Peters. „Und es ist einfach dieser Überraschungseffekt“, geriet sie in den folgenden eineinhalb Stunden ihres Vortrages phasenweise ins Schwärmen.

„Man spürt alle Emotionen, er legt sich offen und man denkt, man weiß alles, aber man weiß es trotzdem nicht“, führte sie vor den bestimmt 40 interessierten Besuchern aus. „Man findet jedesmal immer neue Erkenntnisse beim Betrachten und jedesmal wird das Rätsel größer“, ergänzte David.

Und so führten die beiden die beeindruckten Gäste ein letztes Mal durch die Ausstellung der Radierungen, Aquarelle, Collagen und Zeichnungen des in Breslau geborenen Schlossers und Kunst-Autodidakten, dessen Arbeiten teilweise, wie „das fünf Millimeter große Auge aus 367 Elementen“ (David), nur mit der Lupe zu betrachten waren.

Sie verwiesen auf die unglaublich genaue Beobachtungsgabe des Künstlers, seine große Liebe zum Detail.

David machte deutlich, dass der Künstler keineswegs ein zurückgezogener Einzelgänger, sondern ein menscheninteressierter, geselliger Mensch war, über den aber jeder „die eine Geschichte kennt und der andere eine andere – und keine ist richtig.“

Peters erläuterte an einzelnen Objekten die Tatsache, dass die Bilder zeitlich nicht zuzuordnen sind, weil er sie zwischenzeitlich jahrelang unvollkommen habe stehen lassen und teilweise auch so belassen habe – und diese auf Alltagsmaterialien wie Resopal-Frühstücksbrettchen fertiggestellt wurden.

Und sie erläuterte die eigene Symbolschrift, die Henschel eigenständig erfunden und die Davids Tochter Amelie hatte „entschlüsseln“ können – ein Ereignis für den Vater und die Fachfrau gleichermaßen. „Am besten sehen Sie seine Kunst mit den Augen eines Kindes. Mir geht dabei das Herz auf.“

Die Besucher dieser letzten Führung zeigten sich genauso eingenommen und fasziniert von den Miniaturarbeiten, Bildern und Zeichnungen wie ihre Führer.

„Das ist sensationell – ich habe die kleinen Punkte wahrgenommen“, meinte der Rheinhausener Georg Cichon. „Das übertrifft alles, was wir uns vorgestellt haben“, sagte der Duisburger Volker Walk. „Wir sind hin und weg – diese Fülle an Phantasie und dieses unglaubliche Spektrum“ begeisterte die Düsseldorferin Barbara Faith. „Diese Farben und diese Tiefe – für mich war er ein Genie“, zog die Brüggenerin Renate Nieveler ihr persönliches Fazit.

Wer weiß, vielleicht gibt es ja zukünfig noch weitere Henschel-Kunstwerke zu sehen. Es gebe genug Materialien für „tausende Ausstellungen“, meint Matthias David. Gespräche dazu stünden aber noch aus, da sei noch gar nichts „spruchreif“. Alternativ können Interessierte sich den Werken nähern, indem sie unter www.verlag-david.de hochwertige Kunstdrucke erwerben.