Hält Kevelaer zusammen, wenn es um Armutsbewältigung geht?

Gut 80 engagierte Kevelaerer waren in der Mensa des Schülzentrums zur ersten Sozialraum-Konferenz gekommen. Vanessa Freienstein vom Jugendamt stellte die ersten Ergebnisse aus den Befragungen zu „Familienarmut und Kinder-/Jugendarmut in Kevelaer“ vor. Die Verwaltung hatte diese bei Eltern, Schülern ab der siebten Klasse und Mitarbeitern der verschiedenen Einrichtungen durchgeführt.
Es gehe um eine erste Sozialraumanalyse „und auf den Weg zu kommen, einen ersten Sozialbericht für Kevelaer zu beginnen. Dafür braucht man Daten“, umschrieb Sozialdezernent Marc Buchholz die Grundidee. Später könne man das alles in die Politik tragen, um gezielt Anträge für soziale Teilhabe an Land und Bund zu stellen.
Das Ziel sei es auch, dass über die Veranstaltungen „Netzwerke entstehen, um sich zu unterstützen“ beim Auffangen von Armut vor Ort, so Freienstein. „Was ist das, was die andere Ortschaft macht?“, bezeichnete Buchholz in seinem Schlusswort später den angestrebten  „Transfer“ an Informartion und Austausch.
939 Eltern (20 Prozent aller Angeschriebenen), 773 Schüler (55,5 Prozent) und 241 Mitarbeiter und Leitende in den Einrichtungen (rd. 38,5 Prozent) hatten sich an der Aktion beteiligt. Freienstein hatte bis dato die Daten für die Mitarbeiter als vom Aufwand her kleinste Gruppe ausgewertet. Aus den Zahlen wurde ersichtlich, dass die Mitarbeiter der Einrichtungen überwiegend nicht (41,1 Prozent) oder nur manchmal (48,1) mit den Eltern über ihre finanzielle Lage sprechen.   Als wichtigste Ursachen für Armut wurden Arbeitslosigkeit, Scheidung, Trennung und das Leben als Alleinerziehender benannt.
Zahlreiche Mitarbeiter hielten Kevelaer für eine „sehr familienfreundliche“ (5) bis „eher familienfreundliche“ (41,5) Stadt, äußerten aber auch negative Aspekte wie zu hohe Kindergartenbeiträge und zu geringen bezahlbaren Wohnraum. Sie nannten die Erziehung, die Entlastung der Alleinerziehenden, Beratung bei Migrationshintergrund und Unterstützung finanziell belasteter Famlien als notwendige Bereiche, Familien zu unterstützt.
Nur zwei Drittel aller Enrichtungsmitarbeiter kannten der Umfrage nach das Bildungs- und Teilhabegesetz (BuT), aus dem man weitere Fördergelder zur Unterstützung wie Mittagessens-Zuschüsse,  Schulbeförderungsgeld, Lernförderung oder Klassenfahrten generieren kann.
44,8 Prozent aller Mitarbeiter kannten Familien, die das BuT in Anspruch nahmen,  43,6 Prozent antworteten mit „Nein.“ „Da müsste man vielleicht auch alle Vereinsvorsitzenden mal ansprechen , da werden nicht alle Töpfe ausgeschöpft – vielleicht aus Scham oder fehlenden Sprachklenntnissen“, unterstrich Freienstein. Zudem gab ein Viertel dieser Gruppe an, dass nicht alle Kinder ein warmes Mittagessen in der Einrichtung erhalten. Buchholz hob zudem die 83 Prozent hervor, die angaben, zum Thema „Armut ud Ausgrenzung“ noch keine Fortbildung gehabt zu haben. Zudem fragte er sich: „Interessant wäre, wie die Eltern das betrachtet haben?“
„Was ist mit der Elternumfrage?“, kritisierte Delia Springer vom Förderverein der Antonius-Grundschule, dass man zunächst die „eigentlich unwichtigste“ Gruppe ausgewertet hatte. „Gute Gespräche, nette Kontakte, zu wenig Konkretes zum Thema Armut“, lautete  ihr späteres Fazit.
Zuvor folgte aber noch eine Diskussion. in verschiedenen  „Sozialraum-Gruppen“. Dabei ging‘s um die Fragen „Wo gibt es versteckte Armut in ihrem Lebensraum?“  oder „An welchen Stellen vollzieht sich, absichtlich oder unabsichtlich, Ausgrenzung?“.
Dabei ergaben sich aber durchaus interessante Erkenntnisse. „Die Kinder sind da integriert, aber sobald sie mit der Familie zusammen sind, sprechen sie polnisch“, hatte die stellvertretenden Bürgermeisterin Brigitte Middeldorf beim Hubertus-Kindergarten festgestellt. Da müsse man bei den Eltern ansetzen, meinte Kaplan Christoph Schwerhoff.
Michael Maaßen von der CDU Kevelaer sah „nicht so die Masse an Problem“ hinsichtlich der Armut. Die Angebote von Bildung und Teilhabe würden gut angenommen. Andere sahen gerade da einen wichtigen Schlüssel für die Unterstützung benachteiligter Eltern.
Es gebe in Kevelaer sichtbare Armut. „Wenn ich im Winter ein Mädel mit Sommerschlappen spielen sehe, ist Schluss mit lustig“, meinte Heike Bürvenich-Knoop , die beim Jugendraum Winnekendonk die Mächengruppe betreut und in der Hubertus-Grundschule tätig ist. Eine ähnliche Beobachtung konnte auch die Leiterin der Integrativen Kindertageseinrichtung Wiesenzauber, Sione Wäger, bestätigen: “Da sind die Möglichkeiten so eingeschränkt, das tut einem echt weh.”
Einige betroffene Eltern schaften es nicht, mit dem geringen Einkommen umzugehen und selbst „günstig zu kochen statt Fertiggerichte zu kaufen“, sagte Petra Burckhatrd-Hendrichs von der Kita „Sternschnuppe.“
Dass die Verwaltung zumindestens für Anregung gesorgt hat, belegte die Ausssage des stellvertretenden DLRG-Vorsitzenden Herbert van Bühren: „Ich werde mal nachhaken, wo bei uns die Probleme gesehen werden.“