Die Puppensammlerin

Kevelaer. Als Sigrid Brünen (heute Sigrid Weiblen, Jahrgang 1940) war sie in den 1950er-Jahren für viele Kevelaerer nur die „Puppen­ärztin“, denn wenn einmal bei einer Puppe ein Auge fehlte, ein Arm abgerissen war, die Haare nicht mehr richtig saßen, die Kleidung verschlissen war oder an der ein oder anderen Stelle ein Loch klaffte – „Frau Doktor“ konnte helfen.
1936 eröffneten ihre Eltern am Bahnhof ein Geschäft und spezialisierten sich ab 1954 auf Spielwaren. Hier entdeckte Sigrid Weiblen ihre Liebe für die Welt der Puppen. Einige der kleinen Kreaturen waren damals zwar schon ihre, eine Sammlung konnte man das aber noch nicht nennen, außerdem wurden im Krieg viele der Puppen zerstört.
1969 heiratete Sigrid Brünen den Goldschmied Heribert Weiblen und schied aus dem elterlichen Betrieb aus, der zu dieser Zeit bereits an der Ecke Haupt-/Willibrordstraße angesiedelt war. Nachdem die zwei Söhne Manfred und Lothar erwachsen waren, schlenderte das Ehepaar eines Tages über einen Trödelmarkt und Heribert Weiblen machte seine Frau auf eine Puppenschaukel aufmerksam: „Schau mal, ist das nichts für Dich?“. Dies war der Neubeginn der Puppen-Leidenschaft und Start in eine bemerkenswerte Sammlung.
Zunächst begann Sigrid Weiblen ihre fünf alten Puppen herauszuputzen und zu dekorieren, dann besuchte sie bei der VHS Kurse, um Porzellanpuppen selber gestalten zu können. „Mein Mann ging malen“, (er machte sich einen Namen als Landschaftsmaler mit Motiven vom Niederrhein), „ich spielte mit Puppen“, erzählt sie lächelnd. „Ich fertigte Repliken von antiken Puppen, wobei es hierbei auf jeden einzelnen Pinselstrich ankommt, denn sonst haben sie einen ganz anderen Gesichtsausdruck. Und wenn sie perfekt gelungen sind, müssen sie natürlich als „Repro“ gekennzeichnet werden.“ So entstanden „Mein Liebling 117“, „Philipp 115“ oder mehrere „Bru-Puppen“ (Nobelmarke der französischen Porzellanpuppen). „Jeder Puppensammler und Puppenliebhaber kennt diese Puppen unter dieser Bezeichnung, eigene Namen werden nie gegeben“, so die sichtlich stolze Sammlerin.
Noch intensiver wurde die Sammelleidenschaft, als sie an einem Geburtstag einen Laptop geschenkt bekam. „Ab dieser Zeit habe ich Kontakt zu anderen Sammlern aufgenommen. Bin Mitglied in einer geschlossenen Gruppe und habe immer mal wieder eine Puppe im Internet gekauft.“ Beim Sammeln geht es nicht nur um die Puppen selber. Die Kleidung (Originalkleidung wird sorgfältig eingeschweißt, um Beschädigungen und Verschleiß zu vermeiden – die Puppen bekommen einfache Kleidung an, die in Kinderabteilungen von Bekleidungsgeschäften gekauft werden) und Schmuck oder andere Accessoires spielen auch eine große Rolle. So wunderte sich eine Freundin von Sigrid Weiblen darüber, dass eine Puppe eine wertvolle antike Taschenuhr trug. Die Sammlerin klärte sie jedoch auf, dass die Replik der „Bru“, die auch Weiblens Lieblingspuppe ist, selbst einen deutlich höheren Wert hat.
Mit zehn antiken Puppen, 12 selbst hergestellten Repliken antiker Puppen, 80 modernen Puppen und 23 Puppen ihrer Himstedt-Sammlung (Annette Himstedt Puppen gehören zu den weltweit beliebtesten Künstlerpuppen für Sammler. Die Kinderpuppen sind bekannt für ihr naturgetreues Aussehen und die hochwertige Verarbeitung) teilt Sigrid Weiblen ihre Wohnung und jeden Tag sucht sie sich eine andere Puppe aus, die dann im Wohnzimmer besonders platziert wird. Auf die Frage, was sie mit ihrer Sammlung verbindet, antwortet sie: „Mit meinen Puppen bin ich niemals alleine.“
Was eines Tages aus ihrer Sammlung werden soll, ist für Sigrid Weiblen auch schon klar. „Einige Puppen sollen einmal meine Enkelkinder bekommen“, es gab aber auch schon Vorgespräche mit Dr. Burkhard Schwering, Leiter des Niederrheinische Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte. Hier sollen einmal zumindest die historischen Puppen ihren Platz finden. Einige Puppen aus der Sammlung von Sigrid Weiblen sind in der Auslage der ehemaligen Goldschmiede auf der Hauptstraße 47 zu sehen.