Corona und die Kevelaerer Kneipen
Die Rollläden sind heruntergelassen. Im Schaufenster können alle lesen, dass die Pforten der Gaststätte geschlossen bleiben. Gut vier Jahre hat Dirk Glasmacher den Laden „Im Campus“ an der Amsterdamer Straße 33 geführt. Am Sonntag hatte der 54-Jährige noch einige seiner Gäste zu einer Art kleinen „Abschiedsfeier“ in seine Kneipe eingeladen.
„Die waren gut drauf“, erinnert er sich. „Einige sind aber mit Tränen in den Augen nach Hause gegangen. Das war schon sehr rührend. Es sind gemischte Gefühle: auf der einen Seite ist eine Riesenlast von mir gefallen, weil ich mich jeden Tag gefragt habe, woher das Geld nehmen. Auf der anderen Seite bin ich ziemlich traurig, weil der Laden anfing zu laufen.“
Keine Miete mehr zahlen
Der Grund für den Abschied sei ganz einfach: „Das sind die Auswirkungen von Corona. Ich kann die Gelder nicht mehr verdienen, die Miete nicht mehr zahlen. Und der Vermieter verlangte seine Miete.“
Natürlich habe er alles versucht, die „Corona-Hilfe“ des Staates in Anspruch genommen, im Sommer den Laden renoviert, um bei der Wiedereröffnung für seine Gäste attraktiv zu sein. Aber jetzt ist erst mal Schluss. „Ich würde gern was Neues machen“, glaubt er noch immer an die Idee einer selbst geführten Kneipe. „Ich hatte einen guten Kundenstamm. Wenn 70 Prozent von denen mitgehen, hab ich gewonnen.“
Jetzt gelte es aber erst mal, „Ruhe einkehren zu lassen“ und zu gucken, wie man aus den laufenden Verträgen und den Zulieferer-Verbindlichkeiten rauskommt. „Ich werde alle ansprechen. Mal sehen, was daraus wird.“
An der Maasstraße betreiben Sylvia und Thomas Molderings das „Kävelse Luj.“ In Kürze feiert das Ehepaar sein einjähriges Bestehen an dem Standort. „Wir werden von den Kevelaerer Bürgern getragen“, freuen sie sich darüber, dass die Gäste nach dem Lockdown wieder gekommen sind. „Wir tauschen uns nicht aus in der Gastronomie, da gibt es nur Infos über Dritte“, überrascht ihn die Nachricht vom Aus des „Campus“ nicht. „Er ist sicher nicht der Erste und der Letzte“, denkt Thomas Molderings an Einrichtungen wie das „Brunnenstübchen“ oder auch das Café “Heilen“. Dass Corona es den Gastronomen schwer gemacht hat, verhehlt Molderings nicht. Während des Lockdowns ging es selbst sogar Spargelstechen.
„Aber jetzt bestehen ja die Lockerungen. Wir machen Veranstaltungen, die sehr, sehr gerne angenommen werden.“ Zwar sei man „bei Weitem“ noch nicht da, wo man vor Corona war. „Aber es bewegt die Leute zu kommen“, sagt Sylvia Molderings, wofür beide dankbar sind. Nur so könne man nach und nach die Defizite aufholen.
Man versuche einfach, „eine entspannte Atmosphäre zu schaffen“ und dabei die Abstands- und Maskenregeln einzuhalten. Das werde aber zunehmend schwieriger. „Die Akzeptanz der Einschränkungen lässt nach, das merkt man. Und die Rufe nach Lockerungen werden lauter“, ist sein Eindruck. Eben auch, weil es Diskrepanzen bei den diversen Regeln gibt, die nicht mehr gut zu erklären sind. Was passieren würde, wenn ein zweiter Lockdown kommt? „Dann ziehen wir den Schlüssel ab“, ist sich Thomas Molderings sicher.
Peter Paliwoda sitzt am späten Sonntagabend mit Maske und Abstand bei den letzten Stammgästen. Der Betreiber des „Prinzenhofs“ möchte zu dem „Campus“-Fall nicht soviel sagen. „Ich will ihm da nix, das hat wohl andere Gründe“, meint er dann. „Meine Philosophie, eine Kneipe zu betreiben, ist eine andere als die von Dirk.“
Natürlich ist die Corona-Zeit auch an ihm nicht spurlos vorbeigezogen. „Es läuft auf jeden Fall schlechter als vor Corona. Wir hatten siebeneinhalb Wochen zu.“ Der Winter stehe noch vor der Tür. „Ich weiß nicht, was kommt. Jetzt kann man noch draußen sitzen.“
Paliwoda glaubt aber fest daran, dass sein Betrieb so gesund aufgestellt sein sollte, „dass wir mit einem blauen Auge“ da rauskommen.“ Seine Eltern hätten den „Prinzenhof“ vor 45 Jahren begründet. Er müsse dafür keinen Kredit abzahlen. „Ich bin da reingeboren, muss das nur bei Laune halten.“
Leicht war die Zeit aber auch für ihn nicht: „Du durftest dann nur zwei Haushalte an einen Tisch setzen. Das war problematisch und die Leute haben es nicht so angenommen. Einige meiner Gäste sind mit dem Rad vorbeigefahren, um sich bei Freunden mit sechs, sieben, acht Leuten zusammen im Garten zu setzen. Und dann sind sie hier noch zum letzten Bier reingekommen.“
In der Kneipe herrschen klare Corona-Regeln. „Ich pfeife auch alle meine Gäste an, wenn die hier vom Tisch aufstehen, weil der eine oder andere das mit der Maske beim Alkohol auch schon mal vergisst.“
Er selbst hält penibel Buch, wenn er alle halbe Stunde seine Hände desinfizieren muss und die Besucherlisten ausfüllen lässt. „Das ist der Stapel eines Tages“, zeigt er einen ganzen Packen Papier. „In manch anderen Gaststätten wird das nicht so betrieben. Das ist das, was die Leute mir sagen. Wenn was passiert, können die Gäste froh sein, dass die Nummern hinterlegt sind und das Amt dann anruft.“
Einigen falle es halt schwer. Er habe sogar Leute gehabt, die ihre Daten nicht abgeben wollten.
„Die wenigsten nehmen es so hin, wie es ist. Das Problem ist, dass wenig passiert. Ich kenne wenige, die mit Corona zu liegen gekommen sind. So geht das den anderen auch und von daher wird das Risiko auch nicht so wahrgenommen.“ Bei seinem Aufenthalt kürzlich in Portugal habe er erlebt, wie selbstverständlich die Menschen damit umgingen. „Die akzeptieren das einfach, weil Spanien nebenan ist.“
Mitten drin im zweiten Lockdown
Aus seiner Sicht nähere man sich schon nicht mehr dem zweiten Lockdown, man sei schon „mitten drin, weil die Leute sehr unvernünftig sind.“ Wenn auf Mallorca „die Maskenpflicht fällt und nur gefeiert wird“, sei es kein Wunder, dass es Ansteckungen gäbe. „Ballermann und Kneipenviertel, das geht nicht.“ Aber selbst wenn ein Impfstoff da wäre, „weiß keiner, wo die Reise hingeht.“
Was für Auswirkungen Corona für ihn haben wird? „Ich mache meinen Job von Woche zu Woche und Ende des Jahres wird man sehen, was dabei übergeblieben ist unter dem Strich.“ Unfair fände er es aber, wenn er die staatliche Hilfe zurückzahlen müsste. Von Leuten, die ihren Job vernünftig machten, die Kohle zurückverlangen und denen, die ihren Laden nicht so gut führen, das Geld hinterherschmeißen, damit sei er nicht einverstanden.