Abruptes Ende im Panzerknacker-Prozess
Der siebte Senat des Landgerichts Kleve hat das Verfahren gegen einen 29-Jährigen wegen schweren Bandendiebstahls durch das Aufbrechen von Geldautomaten mittels einer Sprengstoffexplosion und weiteren Delikten nach gut drei Stunden vertragt.
Anlass für dieses abrupte Ende war der Antrag des Angeklagten und seines Anwalts, zwei weitere Zeugen zu vernehmen, die sie zuvor nicht benannt hatten und die in den Ermittlungen bisher so gut wie keine Rolle gespielt hatten. Richter Gerhard van Gemmeren schloss daraufhin die Sitzung. Ein genaues Datum für die Fortsetzung des Prozesses steht aktuell noch nicht fest.
Der in Kempen geborene Mann soll zwischen Juni und Oktober 2018 mit zwei weiteren Komplizen Geldautomaten in Tönisvorst, Moers, Kevelaer und Mülheim-Kärlich aufgesprengt haben beziehungsweise es versucht haben.
Unter anderen richtete das Trio an dem Geldautomaten am Twistedener „Irrland“ erheblichen Schaden an. Ob oder wieviel Geld sie dabei erbeuteten, ist unklar.
Außerdem werden dem Trio der Einbruch in eine Schule in Grefrath, in eine Kindertagesstätte in Meerbusch (26.-28.12.18), in eine Wohnung in Korschenbroich Ende Dezember sowie der Einbruch in eine Gaststätte in Krefeld am 21. Juli des gleichen Jahre zur Last gelegt.
Ein 20-jähriger gebürtiger Mülheimer und ein 28-jähriger Krefelder waren im Oktober 2019 am Landgericht Kleve dafür schon zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten den Angeklagten der jetzigen Verhandlung damals als Kopf der Bande charakterisiert. Diesem Eindruck widersprach der Mann am ersten Prozesstag deutlich.
Selbstbewusst
Er übte scharfe Kritik daran, dass ihm eine gerechte Verteidigung nicht mehr möglich sei. Der Mann war 2019 noch in Österreich wegen einer Straftat angeklagt gewesen. Seine Auslieferung habe sich wegen „erhöhter Sicherheitsvorkehrungen“ so verzögert, dass er am Verfahren im vergangenen Oktober nicht habe teilnehmen können. Die Kammer hatte die Verfahren voneinander abgetrennt.
Der Angeklagte trat selbstbewusst auf, verwies oft auf die Aktenlage und bat das Gericht, sich Notizen dazu zu machen – auch zu der Tatsache, dass ein österreichischer Psychologe bei ihm Ende 2019 ein Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus, festgestellt haben soll.
Er gestand den jahrelangen Konsum von Kokain, weiteren Drogen und Alkohol ein. Sein Anwalt stellte in dem Zusammenhang den Antrag auf ein psychiatrisches Sachverständigen-Gutachten. Kernauslöser für das jahrelange unstete Leben des Angeklagten soll dabei die Loveparade-Katastrophe am 24. Juli 2010 gewesen sein, die sein Leben „auseinandergerissen“ und von „rechts auf links gedreht habe.“ Konkreter wurde der Angeklagte an dem Punkt allerdings nicht.
Danach sei sein Leben durch Drogen- und Alkoholkonsum sowie Straftaten bestimmt gewesen, schilderte er diese Zeit. Er habe seit 2010 häufig Kokain genommen, um „die Nächte durchzustehen“, später auch Alkohol oder auch Speed. „Spritze war für mich ein no go“, sagte er.
Er kam schon 2010 für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis, saß etwas mehr als zwei Jahre davon ab, machte Fachabitur und seine Ausbildung als Hochbaufacharbeiter, ehe er sich als Student in Aachen versuchte, mit dem Glücksspiel anfing, als Kellner auf Mallorca und in Krefeld arbeitete und als Teilhaber in Spielcafes unter anderem in Rom einstieg, um seine Sucht zu finanzieren.
Eine Drogentherapie habe er nie gemacht, weil er ein Mensch sei, „der sich mit seinen Problemen ungern öffnet.“ Er strebe eine Alkohol-und Drogentherapie während des Vollzugs an, sagte er, und sprach von seiner fünfjährigen Tochter, „die alles mitkriegt.“. Eine Entlassung ohne Therapie bedeute laut eigener Aussage „ein Todesurteil“.
Der 29-Jährige gestand die Teilnahme an den Einbrüchen, zumeist als Aufpasser, dementierte aber einen Wagendiebstahl in Korschenbroich. Die Aktivitäten der anderen beiden hinsichtlich der Geldautomaten habe er „mitbekommen“, sich selbst aber gar nicht aktiv daran beteiligen wollen. „Ich sprenge überhaupt nichts“, habe er immer wieder seinen Freunden klar gemacht. In Tönisvorst will er am Vorabend versucht haben, mit den anderen mittels eines Akkuspreizers Zugang zu dem Automaten zu erhalten und diesen mit einem Zugseil aufzumachen, was schiefging. Am Folgetag habe er sich vor dem Sprengversuch aus der Tat herausgezogen.
Nur Schmiere gestanden
Nach Moers sei er nur mitgefahren, um sich zum Kellnern absetzen zu lassen, habe später erfahren, dass bei dieser Tat nur ein paar Euro erbeutet worden seien.
In Kevelaer am „Irrland“ sei er nur mitgekommen, „um sich das mit anzugucken“ – um schließlich am Kreisverkehr „Schmiere“ zu stehen, um anschließend aber doch nach Twisteden an den Dorfplatz gefahren zu werden, um dort zu warten. Und mit Mülheim-Kärlich habe er gar nichts zu tun, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Krefeld gewesen sei.
Einer der beiden verurteilten Mittäter, der gegen sein Urteil in Berufung gegangen ist, verweigerte anschließend seine Aussage.