Sportler werden im Netz gemeinsam aktiv
Was machen Sportler eigentlich, wenn sie nicht springen, kicken oder gegeneinander laufen können? Eine Zeit ohne Fußball, Speerwerfen oder Weitsprung ist für viele der in den Vereinen organisierten Hobbysportler schon eine Herausforderung. Einige suchen da nach Mechanismen, um in der Zeit von Corona eine intelligente Überbrückung zu finden.
Eine entsprechende Idee hatte jetzt Nils Dahlmann, der gemeinsam mit Jonas Niersmann und Felix van Huet die sportliche Leitung in der Fußballabteilung des SV Viktoria Winnekendonk übernommen hat. Als junges Team wollen sie „ein bisschen frischen Wind reinbringen, ein paar Steine rumdrehen“ und die Viktoria frischer gestalten – ohne die Basiswerte des Vereins zu vergessen. Als früherer Spieler der ersten Mannschaft und Trainer kann der Ur-Winnekendonker verstehen, was die Kicker momentan so empfinden.
„Wenn man den Sport, den man liebt, nicht ausüben kann, ist das deutlich schwierger. Und man merkt, dass Sport halt wichtig für den eigenen Lebensalltag ist.“ Da kam ihm die Idee, im großen Stil ein „Workout“ im Internet aufzuziehen.
„Das basierte auf der zweiten Mannschaft, die da den Vorreiter gemacht hat. Die haben das im kleinen Rahmen gemacht und auf Instagram geteilt. Wir haben das dann aufgegriffen.“ Entsprechend schlug man dem Vorstand die Aktion vor – erstmal nur für die Fußball-Seniorinnen und Senioren. Dahlmann sprach den Co-Trainer der zweiten Mannschaft, Christopher Willems, an, ob er nicht auch im großen Rahmen vorturnen würde, da er das Ganze schon für die „Zweite“ organisiert hatte. Und dazu kam dann noch Samira Berns von der ersten Damenmannschaft. „Die haben wir als Trainer auserkoren.“ Ihr Vater hatte ihr von der Idee erzählt. Und für die 23-Jährige, die selbst gerade Fitnesswissenschaften und -ökonomie studiert, stand sofort fest: Hier bringe ich mich ein.
Geteilte Arbeitsschritte
So gestalteten Willems und Berns ein Konzept mit einem Ganzkörper-Workout, „um alle Muskelpartien mit einzubinden und Übungen zu machen, die nicht zu schwierig sind“, beschreibt Berns die Idee. Sie teilten das gut einstündige Programm in vier Schritte auf – Samira Berns führte die Gruppe durch eine fünfminütige Aufwärmphase und das Training von Arm- und Bauchmuskulatur. Nach einer Pause durfte dann Christopher Willems mit dem Training der Beine und einem Cool-down zum Abschluss weitermachen.
„Das war eine ungewohnte Situation“, gestand Berns in Bezug auf das Vorturnen via Bildschirm. „Ich hatte schon mal Einheiten in der Damenmannschaft gemacht und bei der Arbeit. Aber so die Übungen genau erklären und mitmachen, das war schon etwas anderes und eine Herausforderung.“
Und so wurde das Ganze am 19. April für die Mannschaften durchgezogen. „Es gab im Vorfeld eine Kurzanleitung für alle: wie logge ich mich ein, was muss ich mitbringen?“, so Dahlmann. Als pdf gab es einen Hilfslink, damit die Sportler sich einloggen konnten. Am Ende waren tatsächlich 70 Aktive bei der ersten Sitzung mit am Start. „Wir haben die Zahlen, wie viele mitmachen wollten, von den Trainern bekommen. Da waren es geschätzt 50 bis 60“, bedeutete die überraschende Resonanz aus Sicht von Dahlmann einen großen Erfolg.
Für das zweite „Workout“ wollte man den gesamten Verein mit einbeziehen und manche Dinge verbessern. Eine Umfrage unter den Teilnehmern wurde gemacht. Von 62 Personen sagten 61: Das war cool, das machen wir wieder mit. Im Ablauf wurden ein paar Stellschrauben verändert: Statt zentraler Musik, die bei der Übertragung nur abgehakt funktionierte, verteilte man vorher mittels eines Links eine Spotify-Liste, worüber man sich selbst Musik dazu abspielen konnte. Und die Trainer bezogen Alltagsgegenstände wie Wasserflaschen, Stühle oder Seile in den Ablauf mit ein, „um das Ganze abwechslungsreich zu gestalten mit dem, was so jeder zu Hause hat“, sagt Berns.
Beim letuten Mal waren dann um die 50 Leute mit dabei. Im Anschluss gab‘s noch eine 15-minütige Fragerunde, bei der diverse Themen wie das Kunstrasenprojekt oder auch die Frage nach dem Fortgang der Saison erörtert wurden. „Da ist jetzt ein relativ stabiler Kern zusammen“, findet Dahlmann.
Ob man das Video-Workout nochmal zentral machen wird oder in die jeweils einzelnen Teams hineingeben wird, ist noch unklar. Für Berns wäre eine regelmäßige große Gemeinschaftsrunde alle zwei Wochen schon „eine Option, je nachdem, wie lange der Coronavirus anhält. Das hat einen Wohlfühleffekt für den ganzen Verein. Das ist eine gute Alternative, alle zusammen zu bringen.“
Hungrig nach Sport
Der Präsident des Klubs, Peter Schlossarek, sieht das ähnlich: „Das macht das Gemeinschaftsgefühl und auch den Zusammenhalt im Verein in schwierigen Zeiten deutlich. Die große Anzahl an Teilnehmern und Teilnehmerinnen und deren positive Resonanz zeigt auch, dass alle hungrig nach Sport und Gesellschaft sind.“ Ein Kompliment hatte Schlossarek auch für die Struktur des Work-outs übrig. „Die Trainings sind gut aufgebaut, bieten Abwechslung und Spaß“, ist sein Endruck. „Ich habe danach Schmerzen in Körper- und Muskelpartien gefühlt, die ich bisher gar nicht kannte“, gestand er nach zweimaliger Teilnahme an dem Event ein.
Schlossareks Dank gilt dem Orgateam und den beiden Übungsleitern für ihr Engagement „verbunden mit der Hoffnung und dem Wunsch natürlich auf baldige Normalität und ‚echten‘ Trainings- und Spielbetrieb.“ Denn allen fehle die Gemeinschaft im Sport, sagt der Vereinsvorstand. Die Gesundheit gehe aber natürlich vor, und die Risiken müsse man minimieren, soweit es möglich ist.