Rückblick auf ein bewegtes Leben

Franz Moeselaegen schlägt sein Fotoalbum auf. Ein Album, das viele Erinnerungen und Geschichten birgt. Die aber hat der Kevelaerer Metzgermeister alle parat. Wenn er erst einmal anfängt zu erzählen, dann hören alle gebannt zu. Schließlich sind es Ereignisse aus 95 Lebensjahren. Auf die kann Franz Moeselaegen seit Dienstag zurückblicken.
„Ich hoffe, ich habe noch einige schöne und gute Jahre vor mir“, sagt das Kevelaerer Urgestein mit einem humorvollen Lachen. Bis heute lässt es sich Franz Moeselaegen auch nicht nehmen, in der von ihm gegründeten Metzgerei an der Hauptstraße vorbeizuschauen und auch noch mit anzupacken. „Aber nur noch in der Küche“, erklärt der Mann mit der Schlägerkappe. Die ist sein Markenzeichen. Ohne sie verlässt er selten das Haus.
Am 11. April 1922 erblickt Franz Moeselaegen in Kevelaer an der Hauptstraße 27 das Licht der Welt. Hier wächst er mit acht Geschwistern auf. Die Schulzeit an der Kevelaerer Marktschule und die damit verbundene Trennung zwischen Mädchen und Jungen, ist ihm noch gut in Erinnerung. „Brauchten wir  ein bestimmtes Schulbuch, mussten wir es bei den Mädchen holen…“, erinnert sich Franz Moeselaegen mit spitzbübischen Blick.  Mit 14 Jahren beginnt für ihn das Berufsleben. Franz Moeselaegen möchte Metzger werden. Schon oft hatte er seinem Onkel über die Schulter geschaut. „Ich glaube, ich bin dazu geboren worden“, erklärt das Geburtstagskind mit fester Stimme.
Seine Lehre machte der junge Mann in Geldern bei Ludwig Tenhaef. Schweine und Großvieh schlachten, diese zerlegen, gehört zu seinen täglichen Arbeiten. 1939 macht er seine Gesellenprüfung. Dafür habe er 5 Mark von seiner Chefin erhalten. 1941, der zweite Weltkrieg ist im vollen Gange, wird er zum Arbeitsdienst nach Russland eingezogen. Vier Mal wird er verwundet. Im Juli 1945 kehrt er aus der Gefangenschaft nach Hause. „Es waren schwere Zeiten nach dem Krieg, das Haus war mit Engländern besetzt…“, erinnert sich Franz Moeselaegen. Diese Zeit bringt jedoch auch einen neuen Anfang mit sich. Eigentlich sollte die im Haus beherbergte Bäckerei und Konditorei von seinen Brüdern weitergeführt werden. Die waren jedoch im Krieg geblieben. „Dann habe ich meinen Vater gefragt, was wir denn damit machen sollen“, berichtet der 95-jährige, „tu damit, was du willst, bekam ich zur Antwort“, erzählt Franz Moeselaegen weiter. Er funktioniert das Traditionshaus „Zum Anker“ zur Metzgerei und Schlachterei um, legt 1949 seine Metzgermeisterprüfung ab. Ein Jahr später heiratet er seine Adele, eröffnet gemeinsam mit ihr an der Hauptstraße 27 seine eigene Metzgerei mit Verkaufsraum.
„13 Metzgereien gab es zu der Zeit in Kevelaer“, sagt der leidenschaftliche Metzgermeister, der im vergangenen Jahr den eisernen Meisterbrief erhielt. „Was haben wir gebrasselt“, fügt der kleine Mann mit nachdenklichen Worten hinzu. Das aber habe er nie bereut. Im Gegenteil. Schließlich werden seine Dienste benötigt. Franz Moeselaegen fährt zu den Bauern raus, anfangs mit dem Fahrrad. „Das habe ich für 10 Kilo Speck bekommen“, schmunzelt der Metzger, später mit einem Sachs-Motorrad.
Im Betrieb wird nach einem ausgeklügelten Wochenplan gearbeitet. „Montags wurde geschlachtet, Dienstags auseinandergeschnitten, Mittwochs und Donnerstags gewurstet. Freitags und Samstags stand ich gemeinsam mit meiner Frau hinter der Theke“, erklärt Moeselaegen. Denn längst sind seine feinen Spezialitäten und Wurstwaren über Kevelaer hinaus bekannt. Anfang der 1960er Jahre wird das Wohnhaus abgebrochen und an gleicher Stelle mit Metzgerei und Verkaufsraum neu errichtet. 1992 übergibt er den Betrieb an seinen Sohn Peter, der heute gemeinsam mit seinem Sohn Hans-Peter die Traditionsmetzgerei Moeselaegen weiterführt. „Das macht mich schon stolz“, sagt der Witwer, der mehrmals in der Woche von seiner Tochter Ruth besucht wird, sich mit Frühsport und Spaziergängen fit hält. Franz Moeselaegen hat Freude am Leben, besonders am Familienleben, zu dem acht Enkel und bald acht Urenkel gehören. „Das ist etwas so Schönes“, sagt der 95-Jährige mit einem Lachen und glänzenden Augen.