Auch die Hauptstraße wird komplett überarbeitet werden.

Kommen die verkaufsoffenen Adventssonntage?

Die Landesregierung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat angekündigt, zur „Entzerrung des Weihnachtsgeschäftes“in der Adventszeit in NRW die Geschäfte sonntags öffnen zu lassen. Laut der Landesregierung soll es am 29. November, am 6., 13. und 20. Dezember – also an allen vier Adventssonntagen – sowie am 3. Januar 2021 verkaufsoffene Sonntage geben. Die Regelung wurde im Rahmen der Corona-Schutzverordnung erlassen, die bis zum 31. Oktober gilt.

Der NRW-Landesbezirk der Gewerkschaft „verdi“ hat die Verordnung am Dienstag bereits scharf kritisiert. „Wir halten es für verantwortungslos, bei steigenden Infektionszahlen fünf Sonntage in der Weihnachtszeit beziehungsweise unmittelbar danach frei zu geben“, sagte die Verdi-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt. „Dies geschieht in dem Bewusstsein, dass dann die Besucherströme nicht entzerrt, sondern auf die Wochenenden fokussiert werden.“ Angesichts der Tatsache, dass die Regelung nur bis Ende Oktober gilt, fordert verdi die Landesregierung auf, „bei der nächsten Überarbeitung im November die Möglichkeit der Sonntagsöffnungen wieder zurückzunehmen.“

Die Landesregierung hatte die neue Corona-Schutzverordnung erlassen, nachdem sie gezwungen war, ihren im Juli veröffentlichten Runderlass zu verkaufsoffenen Sonntagen zurückzuziehen. Auch dort sollten aufgrund des coronabedingten Lockdowns bis zu vier verkaufsoffene Sonntage ohne Anlass nachgeholt werden können. Dagegen hatte die Gewerkschaft erfolgreich geklagt.

Auch an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Corona-Schutzverordnung habe das Oberverwaltungsgericht Münster bereits erhebliche Zweifel angemeldet, sagt die Gewerkschaft. So schaffe man keine Rechtssicherheit für die Kommunen. Stadt, Einzelhandel und die Kirche in Kevelaer stehen allerdings auf einem anderen Standpunkt als die Gewerkschaft.

So betont Kevelaers Bürgermeister Dr. Dominik Pichler: „Aus persönlicher Sicht begrüße ich den neuerlichen Versuch der Landesregierung, dem innerstädtischen Einzelhandel noch in diesem Jahr zu helfen. Durch die klare Festlegung auf konkrete Tage, die für sämtliche Kommunen gelten, wird das Argument der Wettbewerbsverzerrung ausgehebelt und der Gesundheitsschutzgedanke der Entzerrung des Weihnachtsgeschäfts während der Pandemie glaubhafter umgesetzt als im Zusammenhang mit dem Ministerialerlass. Das löst aber einige Problemstellungen nicht, die auch bereits vom OVG Münster angemerkt worden sind und die meines Erachtens tatsächlich auch nicht von der Hand zu weisen sind, wenn man das Ganze streng objektiv betrachtet und nicht durch eine rosarote Brille.“

Ein rein juristisches Argument, aber dennoch möglich sei die Frage, ob die sonntägliche Ladenöffnung auf die infektionsschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden könne. „Darüber hinaus besteht eine ständige Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts, die eine Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen ausschließt, was vom Verordnungsgeber nicht beachtet wird“, so Pichler. Er blicke daher „mit Spannung, aber auch mit sehr geringer Hoffnung“ nach Münster.

„Wenn die Landesregierung es schaffen würde, das durchzuziehen, wäre das eine klasse Sache“, meint Einzelhändler Norbert Heckens von der IG Hauptstraße. Man werde noch länger mit Corona zu tun haben. „Das ist ja überall, dass die Coronaschutzverordnungen greifen, das leuchtet mir ein. Für den Einzelhandel sind diese Sonntage extrem wichtig“, meinte er. „Wir sehen die Regelung positiv, weil wir ja leider dieses Jahr das zweite Mal die Problematik hatten, dass die verkaufsoffenen Sonntage aus so nicht nachvollziehbaren Gründen gecancelt worden sind.“

Damals habe man Protestschilder rausgestellt, um das Unverständnis für das Vorgehen von „verdi“ zu dokumentieren. Er verstehe nicht, warum die Gewerkschaft die Besonderheit der Situation nicht anerkenne. „Ich habe immer ein blödes Gefühl dabei, weil man „verdi“ da nicht einschätzen kann. Die sollen uns dieses Jahr mal in Ruhe lassen“, wünscht sich Heckens.

Ohne Corona hätte man in der Debatte sicher eine andere Ausgangsbasis, „aber wir schieben das mit Corona seit März vor uns her. Die sollen uns doch mal vier verkaufsoffene Sonntage genehmigen und den Ball ein bisschen flacher halten.“ Er wäre auch zu Gesprächen mit verdi-Vertretern bereit, um die Situation zu erklären. „Da könnte man die Wirtschaftsförderung mit ins Boot holen, ob die die Möglichkeit hätten, die nach Kevelaer zu holen.“

Überhaupt frage er sich, wieviele Angestellte in der Innenstadt überhaupt verdi-Mitglieder seien, die die Gewerkschaft vertrete. „Wir habe da bei unseren Anliegern keine und die Angestellten hier würden gerne arbeiten.“ Denn auch sie würden sehen, „dass in ihren Geschäften weniger an Umsatz gefahren wird, die Arbeitsplätze vielleicht nicht sicher sind“, meint Heckens.

Modegeschäftsinhaber Markus Kaenders von der Busmannstraße sieht das ähnlich. Er bezeichnete es als „gute Präventivmaßnahme unter Corona-Bedingungen – ob es unter dem Strich mehr Gewinn bringt“, das werde man sehen.

Aber dem eh schon expandierenden „24/7-Onlinehandel kann man etwas Paroli bieten“, meint der Geschäftsmann. Dadurch könne man „diese Abwanderung vielleicht etwas abdämmen“. Die Gewerkschaft müsse verstehen, dass der Onlinehandel für den Einzelhandel „der größte Gegner“ sei, man da auch mit Event-Shopping und Lusteinkauf Kunden zum Kommen animieren müsse. „Und wir konkurrieren mit Freizeit und anderen Ausgabemöglichkeiten.“

Er könne zwar nicht für alle in der Werbegemeinschaft Busmannstraße sprechen, wisse aber, dass in der entsprechenden Whatsapp-Gruppe die meisten mit erhobenem Daumen darauf eingestiegen seien. „Die meisten sind davon angetan. Da erhofft man sich zusätzlichen Umsatz, wenngleich alle Kommunen dann verkaufsoffen haben wollen.“ Sicher sei es dem Gesetzgeber mehr um die Entlastung der Oberzentren gegangen. „Das wird sich entsprechend verteilen.“

Mittlerweile hätten schon andere Bundesländer an der Regelung Interesse. „Das war keine schlechte Idee von Pinkwart. Ich gehe von heute davon aus, dass es rechtssicher ist. Ob es so stattfindet, liegt sicher am dynamischen Infektionsgeschehen.“ Bisher habe sich erwiesen, dass durch den Einzelhandel keine großen Corona-Hotspots entstanden sind. „Das Problem sind die privaten Exzesse, nicht das Geordnete in den Läden und Verwaltungen.“ Er empfinde „vorsichtigen Optimismus und Erleichterung, dass es verkaufsoffene Sonntage gibt.“

Und natürlich schaffe man für die sonntags dann beschäftigten Mitarbeiter Ausgleichsregelungen, „dass die Belastung auf alle Mitarbeiter verteilt wird“, mit freien Tagen und Wochenenden. Und die Beschäftigten verdienten in der Arbeitszeit doppelt. „Die sind bei uns alle gewillt.“

Auch Optiker Benedikt Mayer steht der Regelung positiv gegenüber. „Jeder Funke, ein Geschäft machen zu können, ist eine große Hoffnung“, sagte Meyer. „Da mache ich mit.“ Klar sei, dass man schon befürchte, wie „verdi“ damit umgehen werde. „Dass verdi schon wieder versucht, seine Prinzipien durchzusetzen, was mit der arbeitnehmerfreundlichen Realität nichts mehr zu tun hat, weil die auch mehr verdienen und das Arbeitsplätze für den Mittelstand sichert“, das verstehe er in der Frage nicht. Natürlich sei der Verweis auf das Grundgesetz ernst zu nehmen, davor habe er Respekt. Und „man darf die Diskussion auch wirklich offen führen“, sagt Mayer. „Aber verdi lässt sich nicht blicken, das geht alles nur über Richter und den grünen Tisch.“

Der Generalsekretär der Wallfahrt, Dr. Rainer Killich, nahm einen differenzierten Standpunkt ein. „Es ist die Meinung unseres Hauses im Grundsatz, dass es wichtig ist, in einem Ort wie Kevelaer die Besucher, die herkommen, und die Pilger entsprechend ihrer Bedürfnisse zu versorgen“, so Killich. „Da sind wir mit dem Bürgermeister auf einer Linie. Es macht Sinn zu schauen, was unter ortsaffinen Artikeln an einem Wallfahrtsort zu verstehen ist, ob das auf Devotionalien und frische Lebensmittel zu beschränken ist oder erweitert auf die Palette anderer Kurorte und Bäder möglich wäre.“

Man müsse das in Kevelaer eh unter den besonderen Anforderungen des Wallfahrtsbetriebes betrachten. „Ein Fußpilger muss die Möglichkeit haben, an der einen oder anderen Stelle einzukaufen, was er für seinen Pilgerweg benötigt – Regenschutz zum Beispiel.“ Da habe es schon Leute gegeben, „wo das nicht ging“, sagt Killich. „Das würde nicht bedeuten, jedes einzelne Geschäft zu öffnen, aber die Palette neu zu betrachten, was zu einem ortsspezifischen Sortiment gehört.“ Da hätte man dann grundsätzlich eine wesentlich weitergefasste Definition von Dingen, die zur Versorgung der Gäste nötig sind. Das würde das ganze Thema schon deutlich entkrampfen.

Dass es „jetzt in einem Jahr, wie es hinter uns liegt, wichtig ist, unserem Einzelhandel unter die Arme zu greifen, das steht für uns im Haus außer Frage“, nimmt Killich eine klare Position ein. „Aber da lege ich Wert auf die besondere Ausnahmesituation, die für alle Beteiligten besteht“, schränkt er zugleich ein. „Dass man dieses Thema im Advent in normalen Jahren anders diskutieren muss, als wie es jetzt sein kann“, sei auch zwingend. „Aufgrund der Dinge, die hinter uns liegen, ist das eine richtige und angemessene Vorgehensweise, wie man es vom Land NRW unter Absprache mit kirchlichen Stellen entschieden hat.“

Und wenn man diese punktuellen Veranstaltungen auch mit Ereignissen wie den Puppenspieltagen verbinde, dann sei „das mitinander vereinbar“. Klar brauche der Mensch auch Ruhetage und Ruhezeiten. Und der Sonntagsschutz stehe im Grundgesetz. „Das ist eine nicht zu vernachlässigende Realität und religiös gesehen eine schützenswerte Geschichte.“ Aber man müsse auch zur Kenntnis nehmen, „dass Amazon 24/7 geöffnet hat“. Wenn man den Einzelhandel möchte, um die Innenstädte lebendig zu halten, müsse etwas passieren. „Man kann das eine tun und das andere nicht lassen“, findet Killich. „Es gibt da nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern auch Graustufen, mit denen wir sicher alle leben können.“

Er habe persönlich über den Verkehrsverein erlebt, wie viel Aufwand man für so einen verkaufsoffenen Sonntag im Vorfeld leisten müsse. Wenn man das dann in Kevelaer mit viel ehrenamtlichem Anteil geplant habe, komme dann irgendwann verdi und mache die Arbeit zunichte. „Dann muss man sich nicht mehr wundern, dass es irgendwann niemanden mehr gibt, der ehrenamtlich was organisiert. Das macht dann keine Freude mehr.“

Eine besondere Herausforderung sind die verkaufsoffenen Sonntage auch für den Advents-und Krippenmarkt – denn mit verkaufsoffenen Sonntagen lockt man naturgemäß mehr Menschen an, die vielleicht auch Interesse an einem Bummel über das Krippenmarktgelände haben. Aktuell arbeite Jannik Hensen mit seinen Leuten an dem Hygienekonzept für den Advents- und Krippenmarkt, sagte Marktleiter Winfried Janssen. „Darüber werden wir in Kürze mit der Verwaltung sprechen.“ Die Verwaltung entscheidet über die Genehmigung. „Und Hensen muss das dann gegebenenfalls anpassen.“