Mit Ketten gegen Amazon

Wenn es um künftige Planungen für Kevelaer geht, führt kaum ein Weg vorbei am Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung. Das KB sprach mit dessen Vorsitzenden Michael Kamps über die laufenden Projekte und die Rolle der Politik.

Herr Kamps, was sehen Sie als wichtigstes Projekt für Kevelaers Entwicklung?
Michael Kamps: Das ist die OW 1 – und da sind wir, so wie es aussieht, einen großen Schritt weitergekommen.

Sie glauben an die Zusage von Verkehrsminister Wüst, dass die ersten Arbeiten noch in diesem Jahr erfolgen?
Michael Kamps: Man hat erst gewonnen, wenn abgepfiffen ist, aber die Trassenführung steht und es finden bereits Gespräche mit den Landwirten statt, um Flächen zu tauschen. Ich glaube daran, es wird wirklich gebaut. Trotzdem ist es wichtig, dass wir am Ball bleiben.

Seit Jahrzehnten klappt es nun auch ohne zweiten Abschnitt der OW 1. Was wird sich mit Bauabschluss ändern?
Michael Kamps: Die OW1 ist ganz wichtig für die Gewerbeansiedlung – und den Erhalt der Gewerbegebiete – sowie für Pendler. Ich habe selbst in Emmerich gearbeitet und kenne das Nadelöhr Rheinstraße gut. Mit der OW1 können wir auch die Verkehrsführung in der Innenstadt überdenken und sehen, ob man dort zu anderen Lösungen kommt.

Beispielsweise?
Michael Kamps: Heute fährt viel Verkehr über die Marktstraße, auch nach Twisteden. Die Straße erheblich zu entlasten wäre schön. Das sollten wir auch schon bei der Planung für den Peter-Plümpe-Platz berücksichtigen. In der nächsten oder übernächsten Sitzung des Ausschusses steht außerdem die Entscheidung zur Tiefgarage an. Und wir werden uns fragen müssen: Wollen wir weiter die Pilgerbusse dort, die viel Platz benötigen? Wenn wir die woanders gut unterbringen könnten, hätten wir für den Peter-Plümpe-Platz ganz andere Planungsmöglichkeiten.

Peter-Plümpe-Platz, Hauptstraße, Kapellenplatz, Antwerpener Platz, Hüls… der Stadtentwicklungsausschuss behandelt in dieser Wahlperiode viele wichtige Projekte – aber fehlt nicht eine Gesamtvision, wohin es mit Kevelaer gehen soll?
Michael Kamps: Nein, das glaube ich nicht. Bis wir uns über eine große Vision einig wären, wären wir schon zehn Jahre weiter, die Bedingungen hätten sich verändert und wir fingen wieder von vorne an. Am Ende wäre eine große Vision nicht realisierbar. Besser ist es, wie es derzeit geschieht: Einzelmaßnahmen anpacken, aber dabei das große Ganze im Blick haben.

Habe die Verantwortlichen das große Ganze im Blick?
Michael Kamps: Ich denke, der nötige Weitblick ist da.

In welche Richtung soll sich Kevelaer entwickeln?
Michael Kamps: Kevelaer ist kein Industriestandort. Kevelaer hat Gewerbe. Wir müssen attraktiv sein für weitere Gewerbeansiedlungen, denn die Gewerbesteuer ist eine wichtige Einnahmequelle. Wir müssen zu den Gewerbetreibenden engen Kontakt halten und fragen: Wo können wir helfen? Erstmal ist alles möglich, bis bewiesen ist, dass es nicht möglich ist.
Zweitens ist Kevelaer Einkaufs- und Freizeitstadt. Der schöne Stadtkern zieht Besucher an. Wir müssen gucken, dass Besucher – aber auch Kevelaerer – hier vernünftig einkaufen können. Dabei müssen wir alle Sortimente im Blick behalten und den Geschäften einen attraktiven Standort bieten.

Wie soll das konkret gehen?
Michael Kamps: Von planerischer Seite können wir beispielsweise zu den Geschäften rückwärtige Anbindungen schaffen. Aber generell ist das sicher schwierig. Auf der Hauptstraße in Köln bringen Sie einfach ein „Saturn“ unter. Bei uns auf der Hauptstraße sieht das anders aus.

Braucht Kevelaer solche Riesen?
Michael Kamps: Wir haben damals bei Sadowski, wo ich gelernt habe, hauptsächlich drei unterschiedliche Fernseher verkauft. Trotzdem wollten die Kunden 15 Geräte zur Auswahl, damit sie überhaupt ins Geschäft kommen. Alle schimpfen immer auf die Ketten, aber ich denke, wir können froh sein, wenn wir in Zukunft auch Ketten haben, denn für den inhabergeführten Einzelhandel wird es in den nächsten Jahren noch schwieriger werden.

Muss die Stadt die kleinen Einzelhändler stärker unterstützen?
Michael Kamps: Muss Duisburg mehr in Kohle investieren? Das heißt, die Zeiten ändern sich. Ich bin froh, wenn wir auf der Hauptstraße und der Busmannstraße weiter kleine Läden haben. Für die Zukunft aber ist es wichtig Ladenlokale zu haben, die den Bedürfnissen des Handels entsprechen. Dieses könnte zum Beispiel durch Zusammenlegung von mehreren Ladenlokalen geschehen. Krämer Müller gibt es nicht mehr, du gehst zu Edeka, Rewe und Co.. Es gibt auch kein individuelles Fotogeschäft mehr, nur Ketten. Manche wünschen sich ein Café Extrablatt für Kevelaer. Ich finde, so was könnte auch ein Kevelaerer machen. Aber der Internethandel ist das größere Problem als die Ketten. Amazon ist ein Riesending, das immer größer wird, weil es so bequem ist.

Trotzdem eröffnen in Kevelaer weiter kleine Einzelhändler.
Michael Kamps: Das sind oft Nischengeschäfte wie beispielsweise Biesemann. Die haben die besten Chancen. Viele Einzelhändler halten ja auch durch, aber die haben oft ein Nachfolgeproblem. Und wer nicht schon in Kevelaer aktiv ist, der sagt doch nicht so schnell: Ich mache hier jetzt ein kleines Elektrogeschäft auf. Es muss ein Miteinander von Ketten und inhabergeführten Geschäften geben, um eine Chance gegen das Internet zu haben.

Wie bewerten Sie den geplanten Edeka-Markt auf dem Antwerpener Platz?
Michael Kamps: Darüber freue ich mich sehr. Damit haben wir vermutlich auf Jahrzehnte einen attraktiven Lebensmittelmarkt mitten in der Innenstadt. Die Lösung gefällt mir auch viel besser als das Kaufland-Projekt.

Wird es damit nicht ein Überangebot geben?
Michael Kamps: Aldi sagt immer, wir bleiben auf Nord – allein mir fehlt der Glaube. Dass Rewe nicht profitiert, ist klar. Aber vielleicht ergeben sich dadurch beim Kaufcenter neue Entwicklungschancen.

Nämlich?
Michael Kamps: Der Idealzustand wäre für mich: Das Kaufcenter wird abgerissen. Da können Sie noch so viel Farbe dranschmieren, das wir nicht schön werden. Dann muss man natürlich eine attraktive Ersatzfläche anbieten.

Michael Kamps.

Gibt es in Kevelaer genügend Gewerbeflächenangebote?
Michael Kamps:Wir haben mit Aen‘t Vorst gerade 60.000 Quadratmeter geschaffen. Das ist allerdings keine städtische Fläche. Als Stadt haben wir nur noch Restlücken. Das Land sieht vor, Flächen nur noch bedarfsorientiert auszuweisen. Aber das funktioniert, siehe die Firma Klümpen.

Neues Gewerbe gibt es auch auf der Hüls. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Michael Kamps: Ich hoffe, wir haben in den nächsten Jahren dort ein schönes Hotel. Natürlich hätte Wellness dorthin besser hingepasst als Beatmungszimmer – aber die Fläche hätte dafür nicht ausgereicht.

Überfordert das dort geplante Wohngebiet in der angedachten Größe nicht die Infrastruktur, Stichwort Schulen und Kitas?
Michael Kamps: Ich bin erst mal froh, wenn wir dort das Entwässerungsproblem gelöst bekommen. Darüber, was die richtige Größe für Kevelaer ist, kann man lange philosophieren. Wir sind als Schulstandort sehr gut aufgestellt, die Mensa wird vergrößert – ich denke, wir können das auffangen. Außerdem habe ich Bekannte, gebürtige Kevelaerer, die jetzt in Nachbarkommunen bauen, weil sie hier nichts finden konnten. Das kann es doch nicht sein.

Bräuchten wir nicht mehr Wohnraum im Zentrum?
Michael Kamps: Auf jeden Fall. Für eine lebendige Innenstadt ist es wichtig, dass auch abends dort noch Menschen unterwegs sind. Die Marktstraße würde sich dafür anbieten – aber dann im Rahmen des Umbaus des Peter-Plümpe-Platzes. Sonst haben wir dort zehn Jahre lang Baustelle.

Was ist mit den Ortschaften?
Michael Kamps: Wetten steht heute auf der Tagesordnung, auch in Twisteden wird was möglich gemacht und in Kervenheim haben wir das schon. Dabei geht es aber immer um Randflächen. Große Schritte sind in den Ortschaften nicht vorgesehen. Wünschenswert ist, dass die Ortschaften eine Größe haben können, mit der sie Kindergarten und Grundschule halten können, nach Möglichkeit auch Sportplatz und Sportverein.

Kevelaers größter Besuchermag­net liegt in Twisteden…
Michael Kamps: Das Irrland ist ein großer Wirtschaftsfaktor, der von Kevelaer-Mitte aus zu wenig genutzt wird. Die Verweildauer der Besucher muss länger werden. Dafür braucht es aber kein 4-Sterne-Hotel, denn die Zielgruppe fährt zum Disneyland Paris.

Wie wäre es mit einem Wohnmobilhafen oder Hausbooten auf dem Baggersee an der B9?
Michael Kamps: Solche Ideen hat es schon mal gegeben, aber da wurde lange nicht mehr drüber nachgedacht.

Bringt die Politik zu wenig neue Ideen hervor?
Michael Kamps: Die Politik könnte noch mehr sagen: Da wollen wir hin. Teilweise wird nur auf die Pläne der Verwaltung reagiert. Aber es gibt zu viel in der Stadt zu tun, da stößt man als Hobbypolitiker an seine Grenzen. Die Leute im Amt haben auch keine Langeweile. Wir müssen dort attraktive Arbeitsbedingungen bieten, um gute Leute zu kriegen. Das bringt am Ende mehr, als am Personal zu sparen.

Zur Person

Der CDU-Politiker Michael Kamps (54) ist Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker ist heute in der Gastronomie tätig, insbesondere im Event-Catering. Einer seiner Kunden ist das Parookaville-Festival. Der gebürtige Kevelaerer ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 5 und 8 Jahren. Neben Familie, Beruf und Politik „bleibt für andere Interessen keine Zeit“.