Drei Wege in der Krise

Als ich versuche, Michael Kamps zu erreichen, ist der Chef der „Live Gastro GmbH“ gerade auf Mallorca. „Ich habe hier ja noch einen Wohnsitz“, sagt er und gönnt sich eine Auszeit von der beruflichen Situation. Seit Jahrzehnten ist die Event-GmbH in Sachen Veranstaltungen unterwegs. Zu Karneval habe man noch Geschäft gemacht. Danach sei man „bei Null angekommen“, macht er die Situation deutlich.

„Wenn du Event- oder wie wir auch Ton-und Lichttechnik machst, und wir machen nur öffentliche Veranstaltungen, dann findet dieses Jahr quasi nichts statt.“ Einnahmen, die man im Rahmen der Kevelaerer Kirmes oder beim Parookaville-Festival generiert hätte, seien „durchaus erwähnenswert, das bricht ja alles weg“, meint Kamps. „Wann und ob es wieder losgeht, das hängt vom Impfstoff ab“, ist seine feste Überzeugung.

Wie lange man so einen Zustand als Unternehmer aushalten kann? „Man kann sich das noch ein Jahr angucken, wenn man Reserven hatte. Dieses Jahr halten wir auf jeden Fall noch durch“, sagt der Geschäftsmann. „Wenn bis Mitte nächstes Jahr nichts ist, muss ich gucken, wo ich woanders Geld verdiene. (…) Ich bin seit 1989 dabei. Es wäre schade, wenn´s vorbei wäre.“ Für viele in der Branche sei es ernst. „Wenn man in dem Jahr gut gewirtschaftet und ein Polster hat, dann ist es noch okay. Aber wer vorher schon gewackelt hat und sonst keine anderen Möglichkeiten hat“, der werde Probleme haben.

Letztes Event war im März

Seit Januar 2000 bewirtet der Gastronom Torsten Pauli das Konzert- und Bühnenhaus. Im Mai vergangenen Jahres hatte der 52-Jährige noch seinen Vertrag mit der Stadt verlängert. Damals ahnte er noch nicht, dass eine Pandemie Einfluss auf seine Arbeit nehmen könnte. Denn im Konzert- und Bühnenhaus läuft seit Monaten so gut wie nichts mehr. Die letzte Veranstaltung war am 11. März „Die Räuber“.

„Keine Veranstaltungen – keine Gäste – kein Geld“, beschreibt Pauli die Situation. Seine Lage sei äußerst angespannt. „Wir leben vom Ersparten, und das ist irgendwann aufgebraucht. Man greift schon auf Kredite zu und hofft jeden Tag auf Meldungen, die Licht am Ende des Horizontes zeigen.“ Er habe alles, was zu stunden war, gestundet, um zahlungsfähig zu bleiben, greife auf privates Geld mit zurück. „Ohne die Corona-Soforthilfe wäre schon lange Ende“, sagt der Unternehmer. Aber die Hilfen gelten nur für Betriebskosten. „Uns fehlt Geld für das private Leben.“ Seit gut sechs Monaten habe er mit Veranstaltungen zu tun, die abgesagt oder verschoben werden. „Ich habe Dauerstress ohne Kunden, und es bewegt sich nichts vorwärts.“

Es gab einige kleinere Zusammenkünfte aufgrund des Platzangebots, einige Ratssitzungen. „Da hast du aber Geld für mitgebracht.“ Das bringe keine wirklichen Einnahmen. Da sein Service an das Haus gebunden ist und er keine externen Veranstaltungen bewirten kann, kommt er aus dieser Situation so auch nicht raus. „Wir kämpfen hier ums nackte Überleben“, wählt er drastische Worte.

Pauli hofft auf die neue Saison – eine neue Heizungsanlage wurde ins Bühnenhaus eingebaut, das Erscheinungsbild verändert, um auf die kommenden Veranstaltungen vorbereitet zu sein. Aber viele Feiern sind abgesagt – wie die eigentlich nachträglich geplante Abifeier oder das bereits auf August verschobene Paldauer-Konzert, das nun für 2021 geplant ist.

Viele seiner 17 Mitarbeiter sind geringfügig Beschäftigte, die teilweise von sich aus auf ihr Geld verzichtet haben, da sie eh nur bei einigen Großveranstaltungen dabei sind. Die Festangestellten sind auf Kurzarbeit. „Die werden von mir privat aufgestockt, da ist eh schon Niedriglohnsektor.“ Da sieht er seine Verantwortung als Arbeitgeber. „Und man will nicht, dass gute Leute abwandern.“ Aber auch da werde „der Moment kommen, wo es nicht mehr um das Wollen, sondern um das Können geht.“

Pauli ist auch Betreiber des Bürgersaals Issum, des Bürgerhauses Kranenburg und Veranstalter im Gocher Kastell. Besser sieht es da nicht aus. „Die meisten Sachen zur Zeit macht man aus dem Service- und Präsenzgedanken heraus. Denn gar nichts zu tun ist der falsche Ansatz.“ Die drei Kommunen hätten ihn im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt oder zumindestens ein Angebot gemacht, zu helfen. Er hofft jetzt, dass die Stadt Kevelaer ihn vielleicht unterstützen, die Pacht und die Nebenkosten reduzieren kann.

Corona war ein Einschnitt

Ein paar Computer und mehrere Tische, mehr findet sich nicht in dem kleinen, aber fein einge-richteten Büro der „Dekor Event GmbH“ am Museum 2 in Kevelaer. Chef des Unternehmens ist Janik Hensen. Der erst 24-jährige studierte Wirtschaftsingenieur fing „irgendwann zunächst als Veranstalter an“, der in Kevelaer und Umgebung Festivals organisierte. „Da wurde mir nicht das geboten, was ich mir technisch so vorgestellt habe.“ Er disponierte um, suchte sich Partner, machte sich im Licht- und Medienbereich einen Namen. „Wir sind dann von Veranstaltungen mit 100 Personen bis zu 20.000 gegangen.“

Von Anfang an war seine 2015 gegründete Firma beim Parookaville-Festival mit von der Partie. Mittlerweile hat sich Dekor Event auch in NRW und Europa auf Messen etabliert. „Corona war natürlich auch für uns ein Einschnitt“, gesteht der Jungunternehmer. „Das war eine Art Schockstarre – alle haben ihre Betriebe dicht gemacht und waren handlungsunfähig.“ Und natürlich „haben wir auch eine Woche das Dashboard vollgeschrieben und überlegt: Wie geht s weiter?“, sagt sein Onkel Christian.

Doch „wir haben den Kopf nicht in den Sand gesteckt“, sagt Christian Hensen, der als IT-Experte neue Ideen in das Dekor-Projekt brachte. Und so wurde das fünfköpfige junge Team als „Problemlöser“ kreativ. „Wir haben uns weitergebildet, von Altlasten getrennt. Und wir haben in Soest eines der größten Autokinos geplant und gebaut.“

Die fünfköpfige Crew gestaltete außerdem die Eröffnung der Kevelaerer Wallfahrt, die Aktionstage des DGB unter anderem in Kleve, mehrere Comedy-Veranstaltungen, eine Rammstein-Veranstaltung und eine Pyro-Geschichte mit DJs. „Wir hatten wenig Langeweile über die Zeit. Wir sind eine Erfolgsgeschichte in der Corona-Zeit“, sagt Janik Hensen selbstbewusst. Verdanken würden sie das ihrem partnerschaftlichen Ansatz und den vielen Kontakten und Verzweigungen zu Unternehmen bundesweit, die da mit ihnen zusammen wirkten, sagt Hensen.

Außerdem haben sie sich mit einer weiteren Zusatz-Dienstleistung ein zweites Standbein aufgebaut.
Das Unternehmen habe „Krisenfestigkeit und Standfestigkeit“ in der Krise bewiesen, sagt Hensen. Man schaue jetzt nach gestalterischen Köpfen, um das Team sogar zu erweitern. Denn mit innovativen Konzepten könne man in der Branche selbst jetzt etwas bewegen.

Mehr Innovationsgeist würde sich der Jungunternehmer auch von der Stadt Kevelaer wünschen. „Da zeigt sich wenig Flexibilität, Bereitschaft und Ideengeist. Ich habe es anderswo in der Zeit anders erlebt.“ Man habe Impulse zu setzen versucht, das Potenzial sei da. „Bei der ‚Night of light‘ haben wir das Gradierwerk beleuchtet, aber da kam kaum ein Nachruf.“ Gleiches galt für die Politik, die sich lediglich über das Spektakel freute und nette Fotos machte. „Da muss jetzt eine Bewegung zu mehr Qualität hin erfolgen. Ich hoffe, das wird Richtung Weihnachtsmarkt nicht verschlafen“, kritisiert Janik Hensen.

Jetzt sei für diese Kritik der richtige Zeitpunkt, um was anzuschieben. Denn was Veranstaltungen angeht, „liegt Kevelaer weit hinter dem aktuellen Stand der Technik zurück“, sagt er. Für sein Unternehmen habe Kevelaer als Veranstaltungsort zur Zeit „keine Bedeutung.“