Angela Biljanovski hat viele Menschen gerettet

Ihr Name hat in Kevelaer einen guten Klang, auch wenn ihr Hilfsverein bereits vor über 15 Jahren den Dienst offiziell einstellte: Angela Biljanovski, geborene van Betteraey. Am 31. Januar ist die unermüdliche Mazedonien-Helferin und Netzwerkerin im Alter von 62 Jahren gestorben.
1992 hatte sie spontan in der KB-Redaktion angerufen, um für publizistische Unterstützung für ein Anliegen zu bitten: der Beginn einer beispielhaften Hilfsaktion. Wenige Tage zuvor war eine ihrer mazedonischen Schwägerinnen gestorben. Sie stammte aus der Familie von Angelas Ehemann Jose Biljanovski. Die Mutter mehrerer Kinder war nur 36 Jahre alt geworden. Bei ärztlicher und medikamentöser Behandlung in Kevelaer hätte sie gerettet werden können. Der Plan, die junge Frau einfliegen zu lassen, griff nicht mehr.
Überall herrschte Not
„So etwas darf nie wieder passieren“, sagte Angela Biljanovski damals in ihrem ersten Telefonat mit KB-Redakteur Martin Willing. Sie wusste: Wie ihrer Schwägerin erging es jeden Tag vielen Menschen in Mazedonien. Jugoslawien war zerfallen, überall herrschte Not. Medizin war, wenn überhaupt, oft nur auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. Die Preise waren horrend.
Angela Biljanovskis Plan: Sie wollte Medikamente nach Mazedonien schaffen. Kurz nach dem Anruf in der KB-Redaktion erschien im Kävels Bläche der erste Aufruf zur Hilfe. Ärzte und Apotheker spendeten spontan Medikamente. Der abenteuerliche Transport nach Mazedonien begann. Die Helfer fuhren gefährliche Wege durch ehemalige Ostblockstaaten, waren an Grenzen Schikanen ausgesetzt, zahlten Schmiergeld und erbettelten sich unterwegs Benzin.
Der zweite Transport, mit noch mehr Gütern, folgte bereits im Herbst 1992 und setzte sie unter Druck. Jose Biljanovski sagte damals: „Wir müssen dort sein, bevor der Schnee fällt.“ Zur Winterzeit war ihr Zielort Krusevo im Gebirge kaum erreichbar. In dieser Stadt, rund 100 Kilometer von der griechischen Grenze entfernt, war Jose Biljanovski 1952 als Sohn eines Imkers zur Welt gekommen. Längst hatten er und seine Angela selbst zwei Söhne: Branko und Bruce.

Die Janßens hatten in ihrem Fleischerfachgeschäft immer ein Sparschwein stehen, das gut gefüllt wurde. Das Bild zeigt v.l. Theo Janßen, Angela Biljanovski, Christel Janßen und Jose Biljanovski beim Sparschwein-Schlachten zugunsten der Medikamentenhilfe Mitte der 1990er-Jahre.
Fotos: privat


Immer umfangreicher wurde die Hilfe, immer mehr Güter unterschiedlichster Art wechselten den Standort. Fünf Rettungsfahrzeuge bekamen über die Jahre neue Einsatzgebiete. Hörgeräte, Blutdruckmessgeräte, andere medizinische Apparate, Spiele für alte Menschen in einem Heim, Boiler und Teppiche für einen Kindergarten und immer wieder Medikamente, teils direkt gespendet, teils von Spendengeldern bezahlt, nahmen den langen Weg hin zur Nächstenhilfe in Krusevo.
Transport auf Transport folgte in das wunderschöne, aber strukturarme Land mit reicher Geschichte. Alexander der Große war dort ebenso zu Hause gewesen wie eine junge Frau, die später als Mutter Teresa weltbekannt wurde.
Mazedonienweit bekannt war bald die Medikamentenhilfe aus Kevelaer. Staatspräsident Kiro Gligorov (1991 bis 1999) übermittelte Bürgermeister Dr. Friedrich Börgers den Dank des Volks und ließ anordnen, dass Medikamente frachtfrei in die Hauptstadt Skopje geflogen werden könnten.
Mit der Hilfe wuchsen Verantwortung und Druck. Was nützte es, einen chronisch Kranken einmal mit Medikamenten zu versorgen und ihn dann seinem Schicksal zu überlassen?
Treue Begleiter wurden weitere Kevelaerer, z.B. Hanne Keuler sowie Theo und Christel Janßen, die für die gute Sache klapperten und Reisen begleiteten. Auch andere ließen sich vom Engagement anstecken. Sie stellten Sparschweine auf, spendeten Zuwendungen zu Geburtstagen oder nach Trauerfällen, gaben die Erlöse von Basaren weiter und nahmen an Benefiz-Galen teil. Angela Biljanovski stand auch für solche Veranstaltungen hinter der Bühne gerade. Das KB begleitete die Initiativen redaktionell und mit kostenfreien Anzeigen.
Die „Bürgerinitiative“ mit ihrer unermüdlichen Frontfrau Angela Biljanovski zählt zu den erfolgreichsten, die Kevelaer je gesehen hat. Das hing mit ihrer Art zusammen, sich ohne Eigennutz für andere Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Diesen Spagat schaffen nicht viele. Lob wollte sie allenfalls auf Sparflamme. Wer ihr Dank sagte, musste damit rechnen, jäh unterbrochen zu werden: „Ja, ja, aber was können wir noch tun…?“
Es ging ihnen nicht um den Glanz
Den Biljanovskis ging es um Tatkraft, nicht um Glanz. Das zeigten sie 1997. Der mazedonische Staat ernannte sie zu Kinder-Botschaftern, ein Ehrenamt, mit dem sie nicht warm wurden. Auf vornehmem Parkett fühlten sie sich unwohl. Sie gaben die Aufgabe zurück, auch weil sie Zeit fürs handfeste Zupacken kostete. Bei ihrer Arbeit rieben sie sich stärker auf, als viele wahrnahmen, vor allem noch einmal in der Zeit bürgerkriegsähnlicher Zustände im ethnien-reichen Land Anfang der 2000er-Jahre.
Ende 2003 lösten sie den Hilfsverein auf, dessen einzige Konstruktionsschwäche darin bestanden hatte, dass er auf die Biljanovskis mit ihren privaten und öffentlichen Kontakten zugeschnitten war. Das Ehepaar und einige Freunde machten im Kleinen weiter, sammelten, organisierten und reisten mit Hilfsgütern nach Mazedonien (das seit dem 11. Januar 2019 Republik Nordmazedonien heißt).
Es wurde stiller um die Gründer der Medikamentenhilfe. Am 31. Januar starb Angela Biljanovski. Sie hat viele gerettet.