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Kervenheimer Kirmes: Kabarett als gelebte Inklusion

Schon die Begrüßung von Mitorganisator Michael Fichte machte deutlich, wohin an diesem Abend die Reise ging: „Willkommen zum ökumenischen Gottesdienst“, scherzte er nicht ohne Hintergedanken angesichts der „Berufung“ des Gastes, der neben seiner Profession als Kabarettist als Pastor und mehrfacher Tischtennis-Weltmeister und Paralympics-Sieger weitere Persönlichkeitsfacetten aufweist.
Und so betrat ein bestens aufgelegter Rainer Schmidt an seinem ersten Auftritt nach der Sommerpause die Bühne. „Wenn du so aussiehst wie ich, hast du keinen langweiligen Tag“, verwies er gleich zum Start auf seine fehlenden Unterarme und Hände sowie seinen verkürzten rechten Oberschenkel. Und natürlich erwähnte er sein kleines „Däumchen“ an der linken Hand, die seinem Programm „Däumchen hoch“ den Namen gab.
Was es heißt, mit seiner Optik immer im Fokus zu stehen, machte er anhand von zwei Begegnungen deutlich: mit dem Portier im Hotel, wo er den Meldeschein von ihm nicht ausgefüllt haben wollte, und mit dem Kind, das ihn fragte, warum er keine Hände habe. „Abnutzung“, lautete da seine Antwort. Als „Schwarzer-Humor-Variante“ fügte er selbst noch „missglückter Suizidversuch, falsch auf die Gleise gelegt“ hinzu. Im weiteren Verlauf erzählt er überwiegend wahre Geschichten aus seinen Erlebnissen, wobei er die Namen mit einem weiblichen und männlichen Namen aus dem Publikum – „Allessandra“ und „Eckmar“ – ersetzte.
Über vergrößerte Bilder seines „Däumchens“ stellte er diesen als „ritterlichen Typ“ mit Helm und „Hypochonder“ mit Wäscheklammer dar, ehe er von dem Schrecken der Mutter („der schlimmste Tag in meinem Leben“) und der Oma bei seiner Geburt im Februar 1965 im oberbergischen Land berichtete. „Ich bin da raus wie ein Sektkorken, konnte mich nicht festhalten.“
Vielfalt statt Stigma
Der damals bestehende „Fluchtreflex“, zwischen sich und dem Problem eine Distanz zu schaffen, habe damit zu tun, dass Menschen Vielfalt nicht gewöhnt seien – wie bei den 860.000 Flüchtlingen 2015, stellte er eine Verbindung zur gesellschaftlichen Gegenwart her.
Er erzählte von seiner Einschulung in die Sonderschule, wo er nach dem ersten Schrecken feststellte, dass auch Rollstuhlfahrer und Spastiker Kinder sind, die genauso Spaß am Spielen haben wie „normale“ Kinder. Die Einteilung in „normal“ und „anders“, die habe es in Deutschland schon mal gegeben. Es wurde mucksmäuschenstill im Zelt an der Burg, als er von „David als einzigem Juden in der Klasse“ unter Nazis sprach.
Danach seien es die Sinti und Roma, die Schwulen und später Gewerkschaftler gewesen, sprach er davon, wie „brandgefährlich“ solche Stigmatisierungen wie „die Flüchtlinge“ oder „die Schmarotzer“ auch heute seien. „Ich wollte es so dramatisch machen, damit ihr nicht denkt, es war nur ein fröhlicher Abend“, drückte er aus, dass es ihm um mehr als nur Unterhaltung ging.
Inklusion heißt Dazugehören
Später ließ er sich vom Publikum originelle Vorschläge dafür zurufen, was er alles nicht kann – vom „Klavier spielen“ über „den Hintern abwischen“ und „Schuhe anziehen“ bis „Melken“ oder „sich das Kondom alleine überziehen“ war da alles dabei. Aber auch da konterte der Kabarettist gewitzt, zeigte seine Hilfsmittel, um sich entsprechend zu reinigen. „Weil es normal ist, dass Sie sich Gedanken machen, wie der das macht. Kinder fragen das – Erwachsene nicht.“ Er machte in Sachen Klavier klar, dass auch „Leiden“ manchmal zum Dasein dazugehört, unterstrich, dass er die Kondom-Geschichte könne, dann aber „den Latexgeschmack im Mund“ habe, und sich tatsächlich mit dem Fuß die Zehennägel schneiden könne.

Rainer Schmidt demonstriert, dass körperliche Einschränkungen nicht vom Tischtennisspielen abhalten müssen. (Foto: aflo)

Rainer Schmidt demonstriert, dass körperliche Einschränkungen nicht vom Tischtennisspielen abhalten müssen. (Foto: aflo)


Jeder Mensch komme irgendwann an seine natürlichen Grenzen. „Ich bin kein Handwerker, ich musste ein Mundwerker werden“, schlug er wieder dein Bogen zur Inklusion. Entscheidend sei die Inklusion, für die es im Englischen nur einen Begriff gebe: „Sense of belonging“ – Zugehörigkeitsgefühl. Das gelte auch für ihn – und für alle anderen.
„Es geht nicht darum, ob du alles gleich gut kannst, sondern ob du dazugehörst“, nannte er das Beispiel einer Paderborner Schule, die fünf inklusive Kinder mit separatem Schulstoff von Sonderpädagogen betreuen lassen wollte. „Warum nicht gleich ein Zaun drum und ein Schild: Bitte nicht füttern?“, lautete seine ironische Antwort auf diese Situation.
Natürlich gebe es Menschen, denen sein Aussehen fremd sei, erzählte er von zwei chinesischen Putzfrauen, die ihn als Paralympics-Spieler am Flughafen in Shanghai anstarren und eine Traube von Menschen nach sich ziehen. „Aber wir treffen jeden Tag fremde Menschen“, lautete seine Antwort darauf.
Jeder Mensch hat seine Grenzen
Die zweite Botschaft des Abends lautete: Jeder hat auf seine Weise seine Einschränkungen. Es gehe darum, „mit seinen Einschränkungen und Talenten ein glückliches Leben zu führen.“ „Behinderung“ sei im Wesentlichen „Verunsicherung“, nannte er das Beispiel einer Bediensteten im Zugabteil, die ihm Kaffee verbilligt anbieten wollte, „weil Sie so arm dran sind“ – obwohl sie es als Minijobberin gegenüber dem Pastor sicher finanziell schlechter hat. Seine Antwort: er reichte ihr einen Fünfer, „weil ich dachte, dass Sie so arm dran sind.“ Die Überraschung zeigt
Die Strategie dagegen sei, einfach die Distanz zu sich zu verringern. Das gelinge ihm auf dreierlei Weise: indem er als Pfarrer bei Trauerbesuchen einfach drauflosrede, bis er nach drei Minuten im Haus ist, auf Partys die Frauen, die ihm gefallen, einfach mit „Küsschen links, Küsschen rechts“ überfalle (was er spontan bei einer Frau im Publikum umsetzte) oder Handschuhe mit Bockwürstchen trage. Und ab und an „leihe“ er sich eben mal fremde Hände.
Als „Zugabe“ zu dem normalen Kabarettprogramm zeigte der frühere Paralympics-Sieger im Zusammenspiel mit einem Gast, einem zählenden Schiedsrichter und einem „Balljungen“ seine Künste an der Tischtennisplatte – und bewies auch da, dass man auch mit seinen „Einschränkungen“ eine Menge Spaß haben kann.

Zwei Damen im Doppelpack

Diese Damen haben genau das richtige Alter: Sie sind alt genug, um zu wissen, was sie können, und jung genug, um das Können richtig ausleben zu wollen: Biggi Wanninger und Andrea Badey. Zwei „starke Frauen“ nennt Kulturbüro Niederrhein-Chef und Stunksitzungs-Bühnenchamäleon Bruno Schmitz die beiden einfach, wohlwissend, dass beide ihn vermutlich beim Armdrücken locker über den Tisch ziehen könnten, wenn sie wollten. Schmitz kam auf die Idee, ein Damen-„Doppelpack“ anzuregen – „wenn die Bühne das aushält“, wie dei beiden selber sagen – und so durfte sich das Kevelaerer Kabarettpublikum „unter‘m Dach“ am Montagabend gleich doppelt über Kunst und Können, Krachendes und Köstliches der beiden gestandenen Kabarett-Comediennes freuen.
Geschickte Aufteilung

Gemeinsam begrüßten sie das Publikum im gut besuchten Forum der Begegnungsstätte, dann aber teilten sie sich auch schon geschickt auf.

Biggi Wanninger als Rainer Calmund. Foto: Nick


Biggi Wanninger brillierte mit ihren hervorragenden Parodien – von Reich-Ranicki über Rainer Calmund bis hin zu Montserrat Caballé – , hatte aber auch kabarettistische Versatzstücke parat. Etwa jenes der „bekennenden kinderlosen Frau“, die „nicht alle Möglichkeiten aus sich herausgeholt hat“. Das sitzt auf den Punkt.

Andrea Badey Foto: Nick


Andrea Badey geht da anders vor: Ihre Figuren kommen, sagen wir mal von „ganz unten“. Und das kommt so abgrundtief aus dieser Schauspielerin heraus, dass sie damit virtuos, aber handfest auf einer Klaviatur zwischen Schönheit und Schlampigkeit, Scherz und Schrecken und Schlitzohrigkeit spielt, dass man schon allein an ihren Lippen hängt, um nicht noch einen in den Nacken zu bekommen. Sie beantwortet die Ansage „Alter vor Schönheit“ mit einem kräftigen „Perlen vor die Säue“.
Zum guten Schluss gibt‘s dann noch eine Wiedervereinigung der beiden Damen auf der Bühne, wenn sie zwei osteuropäische Altenpflegerinnen geben, die die berüchtigte „Alterspyramide“ erschüttern mit so simplen Herleitungen wie „Die Alten wollen so alt werden wie die Pyramiden.“
Zwei Stunden mit zwei dollen Damen, die wie im Flug vergehen, und die das Kevelaerer Publikum mit viel Applaus goutierte.

Heilige Drei Könige und ein Poet

Beim Rotary-Benefizkonzert „Swing meets Kabarett“ überzeugten die „Three Wise Men“ mit furiosen Jazzklassikern – und Konrad Beikircher als Humorist und Interpret von Paolo-Conte-Songs. Am Ende strahlten drei Musiker und ein neu dazugewonnener Sänger mit Kabarettqualitäten um die Wette und nahmen die Standing Ovations des Publikums entgegen.
Schon vor eineinhalb Jahren hatten die „Three Wise Men“ – Saxofonist Frank Roberscheuten, Pianist Rossano Sportiello und Schlagzeuger Martin Breinschmid – mit ihrer musikalischen Kunst das Publikum im Bühnenhaus „gerockt“. An diesem Samstagabend durften sie in ihrer Runde einen weiteren Mitstreiter auf den Bühnenbrettern begrüßen.
Der Humorist und beißende Gegenwartskommentator Konrad Beikircher durfte seinen Beitrag zu dem Abend leisten – in vielfältiger künstlerischer Hinsicht, wie sich später herausstellen sollte.
Vor dem Start in schwungvolle zwei Stunden Wort und Klang dankte der Initiator des Abends, Peter Schaap, den Sponsoren des Abends. Der aktuelle Rotary-Governer des Distrikts Geldern, Ralf Esser, wies auf den Zweck des Abends hin. „Wir sind 1,2 Millionen Rotarier, die versuchen, die Welt ein Stück besser zu machen“, machte er klar, dass jährlich 360 Millionen Dollar in weltweite sogenannte „Global grants“-Projekte fließen, mit denen nachhaltige Hilfs- oder Bildungsprojekte unterstützt werden.
„Ich bin ja eher der Rocktyp – Stecker rein und drei Akkorde“, gestand Bürgermeister Dominik Pichler beim Grußwort an seinem 43. Geburtstag aber, dass ihm das erste Konzert der drei Musiker hinsichtlich des Jazz doch einen neuen Input gegeben hatte.
„Und was wir gemeinsam haben: wir haben beide in Bonn studiert und waren beide im Knast – beruflich natürlich“, stellte er dann noch einige Berührungspunkte mit Konrad Beikircher fest.
Ständchen für das Geburtstagskind

Anschließend betraten die Protagonisten des Abends die Bühne – Beikircher setzte sich dabei erstmal am Bühnenrand auf einen Stuhl und verfolgte lächelnd die Darbietung des kongenialen Trios. Der niederländische Saxofonist, der in New York lebende italienische Pianist und der aus dem „21. Bezirk in Wien“ stammende Schlagzeuger boten dem Geburtstagskind erstmal ein Ständchen, das kollektiv per Gesang begleitet wurde, ehe es dann richtig swingig wurde.

Foto: AF


Beginnend mit dem fetzigen „Jeepers creeper´s“ von Louis Armstrong und dem dezenten „Flamingo“ setzte vor allem Frank Roberscheuten mit der Klarinette einen Klangakzent. Und bei „Bei mir bist Du schön“ durfte Martin Breinschmid zeigen, dass er auch auf einem Tablett leerer Flaschen melodische Rhythmen und Melodien spielen kann.
„Jazz macht Spaß“, meinte Beikircher angesichts des virtuosen Kunstgenusses und freute sich, „mit den Heiligen drei Königen hier“ anschließend Paolo-Conte-Lieder vortragen zu dürfen. Und es gelang ihm anschließend, bei Liedern wie „Sotto le stelle del jazz“, „Gelato al limon“, später „Azzurro“ oder „Via Con Me“, im Verbund mit dem Trio, diesen lässsigen, lakonischen Ton des Originals gut zu treffen – und stimmlich tatsächlich eine „bella figura“ zu machen.
Sprache ist Musik

Foto: AF


„Ich hab zur Sprache als Kind einen Zugang gehabt, der musikalisch ist“, verwies er auf seine Kindheit im südtirolischen Bruneck mit italienischen Nachbarskindern, dem lokalen Akzent und der Mutter, „die unter Mussolini Deutschuntericht gab.“ Sprache sei für ihn „Musik, ich höre sie immer schon als Farben, Rhythmen, Melodien.“ Anschließend referierte er kultur- und humorvoll über den „Tanz“ der rheinischen Sprache, bot dazu sogar einen echt „kölschen“ Rap dar und ließ sich später über die diversen Sprachrhythmen als „Wolken voller Regionalfarben“ aus.
Dabei kleidete er das Wienerische („Das ist nicht nur das Knautschen, ist so ein bisschen nasal, im Gaumen wird was zerquetscht und sehr gelangweilt“), das Norddeutsche oder das Hessische („Die verschlucken viel“) in Sätze, die keiner vom Sinn her verstand. „Die Württemberger haben eine Umlautkultur, die ist sehr musikalisch“, sorgten seine diversen Sprachbeispiele für lautes Gelächter und viel Beifall.

Foto: AF


Die Musik geriet natürlich nicht ins Hintertreffen: Das Trio sorgte auch im zweiten musikalischen Teil für beste Unterhaltung und wippende Beine.
Anmutig schön geriet dabei „Midnight in Paris“ von Sidney Bechet – und richtig in Fahrt geriet das Konzert nach Sportiellos großartigen Variationen von „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ mit dem Drei-Sterne-Koch (!) Breinschmidt, der die Melodie mit Pfannen, Töpfen und Mixer-Stab „interpretierte.“
Mit Beikircher am Gesang gaben die Musiker bei „Buona sera Senorita“ nochmal beschwingt Gas – und ohne ihn gab es von jedem der Musiker bei „Glory hallelujah“ nochmal eine Kostprobe individuellen Könnens. Der Trommelorkan, mit dem das Konzert endete, stand sinnbildlich für einen Abend voller Vitalität und Musik.

Swing, Kabarett und guter Zeck

Die Auftritte von Konrad Beikircher im Kevelaerer Bühnenhaus sind zumeist ausverkauft. Und auch „The Three Wise Men“, alias Saxofonist Frank Roberscheuten, Niederländer mit Wohnsitz in Belgien, Pianist Rossano Sportiello, Italiener, der seit vielen Jahren in New York lebt, und Schlagzeuger Martin Breinschmid aus Wien, haben in der Wallfahrtsstadt nicht nur ob ihres Namens einen klingenden solchen. Einer, der seit meherern Jahren ein Ohr für gute Jazz-Musik und dazu ein Händchen für gelungene Benefiz-Konzerte hat, heißt Peter Schaap und bringt die vier jetzt im Dienste einer guten Sache zusammen: „Swing meets Kabarett“ ist die Zusammenkunft überschrieben, die am 9. März ab 19 Uhr im Kevelaerer Konzert- und Bühnenhaus stattfinden wird.
Dass Konrad Beikircher, der zunächst das Südtiroler Licht der Welt erblickte, bevor sich in Bad Godesberg niederließ, weit mehr auf der Zunge hat als Kölschen Klüngel aller Art, wissen die Fans des Kabarettisten natürlich schon lange. Aber in einer solchen Konstellation dürften ihn auch sie noch nicht erlebt haben. Man darf gespannt sein, auf welche Weise sich der studierte Musikwissenschaftler als vierter Weiser in die musikalischen Weisen der Band einfindet.

The Three Wise Men Foto: Archiv


Ursprünglich sollte das Zusammenspiel der drei Weisen aus unterschiedlichen Ländern nur ein einmaliges Projekt für ein Festival sein – mittlerweile sind die drei Improvisationskünstler aber als Trio schon eine feste Größe geworden. Der Spaß in Jazz und Swing haben sie sich dabei immer erhalten.
Konrad Beikircher jedenfalls „war mit dem Experiment sofort einverstanden“, erklärt Peter Schaap. Und nicht zuletzt der Tatsache, dass die Gelder des von ihm veranstalteten Abends in ein Rotary-Projekt fließen sollen, habe den ehemaligen Rotarier Konrad Beikircher überzeugt.
Das Geld fließe aber, anders als in den Vorjahren, nicht direkt in bestimmte, von einer Organisation oder einem Club betriebene Projekte. Ziel sei ein „Global Grant“, bei dem sich mehrere Clubs aus unterschiedlichen Ländern einbringen. Mindestens 30.000 US-Dollar müssen dafür zusammenkommen. Rotary kann dieses Grundkapital durch Zuschüsse verdoppeln. Da die Vorbereitung und Durchführung eines solchen Projektes viel Zeit in Anspruch nehme verspricht Schaap jetzt schon, dass Besucher im Internet unter „auxilium2014.de“ verfolgen können, was mit ihren Spenden und Eintrittsgeldern passiert.
Eintrittskarten für das Konzert am 9. März, 19 Uhr, im Bühnenhaus, kosten 29.50 Euro. Es gibt sie im Internet unter www.rotarybenefizkonzert.de. und an der Abendkasse.

Zum Lachen: Pistors Fußballschule

Sven Pistor – der WDR 2 Sportmoderator, der mit der Sendung „WDR 2 Liga live“ an Bekanntheit gewonnen hat, der seit 2009 das Tippspiel „Alle gegen Pistor“ präsentiert, ein Spiel bei dem WDR-2-Hörer gegen Pistor den Ausgang der Bundesligaspiele am jeweiligen Spieltag tippen können,  tourt seit 2015 mit seinem Bühnenprogramm „Pistors Fußballschule“ durch NRW und kommt nun in der Reihe „Kabarett unter‘m Dach“ auch nach Kevelaer. Am 25. Januar, 20 Uhr, ist er im Bühnenhaus zu sehen. Die neue Bühnenshow heißt „Alles Vollpfosten“ zeigt „die beklopptesten Anhänger, die blödesten Tore, Fußball bar jeder Vernunft in Wort und Bild.“ Sven Pistor hat immer an das Gute im Fußball geglaubt, „aber damit ist jetzt Schlus“. Ordnung versprechen allein die ehemaligen FIFA-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer und Jürgen Jansen, die in Pistors Fußballschule aus ihrem bewegten Leben an der Pfeife erzählen. Gespielt wird übrigens auch. Pistor fordert das Publikum heraus, denn was wäre schon ein Fußballabend ohne ein echtes Klugscheißer-Quiz? Karten gibt es ab 25,55 Euro unter anderem beim Service-Center im Rathaus oder unter www.adticket.de“.

Der kabarettistische Neutralisierer

Schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze Krawatte. Und im bildhaften Sinne auch noch eine weiße Witze-Weste und ein schwarzes Deckmäntelchen Humor. Ungefähr so bunt muss man sich den selbsterklärten „kabarettistischen Dienstleister“ Sebastian Pufpaff vorstellen. Der stellte am vergangenen Donnerstagabend sich und sein rund zweistündiges Programm „Auf Anfang“ auf die leere Bühnenhaus-Bühne. Warum? Weil er es kann. Und weil er damit erfolgreich ist. Und weil das reicht.

Wenn in der Kürze die Würze liegt und im Kern die Wahrheit, dann ist dieser Pufpaff sowas wie der kernige Koch des gesellschaftskritischen Kabaretts. Sein aktuelles Programm (2019 folgt ein neues mit dem Titel „Wir nach“) ist zwei Jahre lang solide gereift, ohne an Geschmack zu verlieren oder von der Realität des frühzeitigen Verfalls preisgegeben worden zu sein.

Frisch, fröhlich und frei – dafür allerdings wenig fromm – erzählt sich der Kabarettist mit nur wenigen politischen Anspielungen durch die gesellschaftlichen Gegebenheiten unserer Zeit – von der zunehmenden Individualisierung bis zur abnehmenden Empathie. Eine Grundidee zieht sich wie ein roter Faden durch sein schwarz-weiß-seherisches Programm: Einfach mal bei Null anfangen können, runterkommen, das Hirn entschlacken, bis es leer ist; allen Schrott neutralisieren mit dem „Blitzdings“, wie es bei den „Men in black“ so schön heißt. Aber bis dahin nimmt er erst einmal Anlauf, dann Fahrt und dann alles auf, was am Wegesrand liegt, von Bildung bis Bournout, kippt dazu reichlich Sprit in den Grill – die letzte Männerdomäne – und entlädt eine komische Mobilfunk-Nummer nach der anderen in den fröhlich app-laudierenden Saal. Da hat einer fürchterlich fein hingesehen und verdammt gut aufgepasst, kann sich aufregen wie ein echter Deutscher, verdammt nochmal, und wirkt trotz aller Aufsässigkeit niemals aufgesetzt.

Zwei Stunden geht‘s im, so scheint‘s, mehr dem Publikum als ihm atemberaubenden Tempo durch beachtlich große Teile des gesellschaftlichen Zeitgeschehens, und weder er noch die Zuschauer werden darob müde. Am Ende, nachdem er viele Register einer kabarettistischen Kunst gezogen hat, bleiben tatsächlich nur zwei Schubladen übrig, in die alle Menschen passen: „Arschlöcher und Nicht-Arschlöcher“. Wie man sich, sich seine Zeit und die Welt einteilt, bleibt einem selbst überlassen – die zwei Stunden mit Sebastian Pufpaff jedenfalls waren keinerlei Verschwendung.

Der Meister des Lakonischen

Rüdiger Hoffmann galt in den 90er Jahren als einer der angesagtesten deutschen Kabarettisten.

Sein minimalistischer Stil, der viele an langweiligen Fußball erinnerte und dabei doch so bärbeißig-komisch war, führten den gebürtigen Paderborner in Shows wie „Samstag Nacht“, als einzigen Komiker ins Vorprogramm der Rolling Stones und brachte ihm die „Goldene Europa“ im Bereich Comedy ein. Gut 20 Jahre später steht er immer noch auf der Bühne, und das Publikum mag ihn noch immer.

Im Kevelaer Bühnenhaus forderte der vollbesetzte Saal nach seiner letzten Nummer im Programm vehement eine Zugabe und zeigte sich begeistert von einem Künstler, der irgendwie der Gleiche geblieben ist – eben nur auf Höhe der Zeit. Und Hoffmann dankte es mit dem Dank an ein „super Publikum – das sage ich nicht immer.“

Hallo erstmal

Natürlich arbeitet Hoffmann noch immer mit seinem speziellen Elementen – gleich zur Begrüßung mit „Ja, hallo erstmal…“ oder dem Klassiker „Ich weiß nicht, ob Sie es schon wussten“, die beide heutzutage zum geflügelten Wortschatz gehören.

Und elegant ist es schon, zum Einstieg ein Gespräch mit einem Bekannten einzuflechten, dessen Traum es schon immer gewesen sei, nach Kevelaer zu kommen. Dieser sei „letztens in Australien bei Bekannten gewesen, die sagten: Wenn sie mal nach Europa kommen: Paris, London, Kevelaer.“

Dazu kommt dann noch die wissenschaftlich bewiesene Erkenntnis: „Lachen ist gesund“ – vor allem fürs Immunsystem. „Wer Allergie hat, das müsste so gegen 22 Uhr 15 weg sein“, sagte Hoffmann. Und es sei dabei nicht entscheidend, worüber man lacht: „Diese Erkenntnis hat die Karriere vieler meiner Kollegen erst möglich gemacht“, machte er selbstbewusst – oder vielleicht selbstironisch ? – klar.

Und so nahm er sich heraus, das visionäre Element von Häschenwitzen herauszustellen oder die inspirierende Wirkung von selbst gestalteten Witz-Trauerreden bei Beerdigungen.
Hoffmann erzählte über den Urlaub mit Hans-Peter und Monika mit „laktosefreien Getreidecrackern“ am holländischen Campingplatz „ganz genau wie früher“ – wo das Hundeklo für Hund und Mensch daneben stand und das Fussballtor dahinter ohne Netz.
Hoffmann machte den Unterschied von früher und heute klar. Früher, „da gab´s noch Festnetz – was das ist, müsst ihr mal googeln“ und „da musste man sich richtig unterhalten – mit dem Mund“ und es gab einen Wortschatz, „der mehr umfasste als ,Gefällt mir‘ oder ,Gefällt mir nicht‘.“

Er philosophierte über Selbstoptimierung als „Religion des heutigen Lebens“: 80 Prozent der Deutschen sind mit dem Leben zufrieden, der Rest sind FC-Köln-Fans.“ Zumal selbst die Atomkraft ab 2022 kein Problem mehr sei – „wenn nicht grade in Belgien oder Frankreich so ein Ding hochgeht“ und der Atommüll erst nach drei Milliarden Jahren neutralisiert ist.“

Und er ironisierte am Klavier mit Gassenhauern wie „Die haben das Eimersaufen auf Mallorca verboten – was sind das denn nur für Vollidioten ?“ oder klavierrappend als „MC Obervollpfosten“ über den Sonderparkplatz für den SUV und den Wegfall der Kapitalertragssteuer.

Heavy Metal und Frühjahrsmüdigkeit

Nach der Pause steigerten sich Qualität und Gagdichte des Programms. Er sprach über die Freundin, die sich über Studien in Heften wie „Brigitte“ oder Bella“ informiert – wie „Männer haben voll einen an der Waffel von Geburt an“, „100 Prozent der Menschen in einer Ehe sterben“ oder Heavy-Metal als Entspannungsmusik – hinter Bach: „Da haben wir die ganze Woche die Kristina Bach gehört“ und der Arzt habe bei der Freundin dann eine Schlagerallergie festgestellt.

Hoffmann sprach über seine untauglichen Bemühungen gegen Frühjahrsmüdigkeit. „Nach dem ersten Liegestütz bin ich liegengeblieben, nach der zweiten Gabel Salat umgekippt und mit Gurkenmaske aufgewacht. Oder beim „Schweigen der Lämmer“: da „gab´s Augenlicht aus und bubu.“ Selbst der 200-Watt-Scheinwerfer auf´s Sofa und die zusätzlichen Lampen im Garten und in der Garage zogen nur „den Pilot der Billigairline“ an.

Drei Nummern stachen dann heraus: die bitterböse Nummer als vorurteilsvoller Spießbürger, der bei einem „ausländischen Mitbürger“ namens Herrn Meier vor drei Generationen einen „Achtelfranzosen“ ausmachte. „Dem merkt man es aber nicht an – überhaupt nicht, gar nicht, aber so ein bisschen schon“, machte er sich Gedanken darüber, was wäre „wenn man einen Schwarzen noch mit dabei hätte, dann könnte er sich nicht so einfach verstecken.“ Und den man als „unkalkuliertabes Risiko“ aus der Nachbarschaft entfernt habe – bis Hoffmann die Rolle auflöste und sagte: „Das ist eine offene Anstalt, wo ich untergebracht bin.“

Faszinierend geriet auch seine Puppennummer mit dem „Kleinen Vacek“ am rechten Arm, bitterböse seine Schützenbruder-Geschichte und aus der „Selbsthilfegruppe anonymer Ausländerfeinde“ – und optimistisch-ohrwurmig sein Abschlusslied „Hoch hinaus“.

„Keine weiteren Fragen“ im Kevelaerer Bühnenhaus

Christian Ehring hat ein nostalgisches Faible für aussterbende Medien, weswegen er regelmäßig im Fernsehen auftritt. Eingeweihte kennen ihn als Moderator der NDR-Satiresendung Extra3 und als Sidekick von Oliver Welke in der ZDF Heute Show. Was viele nicht wissen: Schon weitaus länger kultiviert er seine Liebe zur Bühne, jenem fabelhaft antiquierten Kommunikationsmittel in analogem HD.
„Keine weiteren Fragen“ ist ein assoziativer Monolog voller Gegenwartsfuror und mit Gesang. Ein aktueller Lagebericht aus dem Komfortzonenrandgebiet.
Uns Deutschen geht es scheinbar gut. Die Wirtschaft brummt, der Export bricht alle Rekorde, wir sagen anderen, wo es langgeht, und Angela Merkel hat keine natürlichen Feinde mehr. Und doch schleicht sich selbst bei den hartgesottensten Hochleistungs-Verdrängern das Gefühl ein: So wird’s nicht weitergehen. Die Klimakatastrophe steht vor der Tür, der Islamische Staat womöglich bald schon in Lüdenscheid, Europa bricht auseinander, Millionen Menschen sind auf der Flucht und lassen sich auch von Horst Seehofer nicht mehr abschrecken.
Die Einschläge kommen näher. Sind das beherrschbare Krisen oder schon schwere Ausnahmefehler? Reicht der Einkauf im Bioladen noch aus als moralischer Ablassbrief? Ist der Satz: „Ja, schlimm“ wirklich eine adäquate Reaktion auf die Katastrophen unserer Zeit? Und sollte man derartige Fragen überhaupt stellen, wo doch das Haus noch nicht abbezahlt und die Yogalehrer-Ausbildung noch nicht ganz abgeschlossen ist? Besser nicht. Sonst steht plötzlich der Zweifel da. Steht in der frisch renovierten Wohnküche, mixt sich einen Smoothie und will einfach nicht mehr gehen.
Neben seinem Kom(m)ödchen-Engagement tritt Christian Ehring hauptsächlich solo auf und produziert Texte und Töne für Kollegen im Fernsehen und auf der Bühne. Seit Mai 2009 ist er freitags häufig in der „ZDF-Heute Show“ zu sehen und seit September 2011 moderiert er die NDR-Sendung EXTRA3.
Karten für den Auftritt am 4. Oktober, 20 Uhr, im Bühnenhaus, kosten ab 25,20 € / ermäßigt ab 21,90 € beim Kevelaer Marketing, Peter-Plümpe-Platz 12, 47623 Kevelaer, Telefon: 02832-12 21 52.

Da verschwimmen die Grenzen

Man muss schon sagen, ein wenig fühlt man sich an den seligen Hanns Dieter Hüsch und seinen berühmten Spruch „Der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären“ erinnert, wenn man Ludger Kazmierczak da so auf der Bühne reden hört. Und das ist durchaus, wie aus dem Einleitungssatz klar hervorgeht, als Kompliment gemeint. Das Kulturbüro Niederrhein von Bruno Schmitz holte den Journalisten jetzt zu einem kleinen, aber feinen Auftritt unters Dach der Öffentlichen Begegnungsstätte nach Kevelaer.
Von Hölzken auf Stöcksken, von hier nach da, von oben herab und trotzdem geerdet steht er da und redet in einer Tour, die den Teilzeit-Spaßmacher mittlerweile in immer größeren Kreisen rund um seine Heimatstadt Kleve führt. Quasi aus einer Silvesterlaune heraus geboren, ist sein Programm mittlerweile vom Klever Lokalkolorit in die beinahe schillerndsten Farben umgeschlagen, die der Niederrhein so zu bieten hat.
Die hohe Kunst des Niederländischen
Da darf der „Schnupp-Schrank“ ebensowenig fehlen wie die Herrencreme oder der Besuch „unserer holländischen Freunde“, bei dem er auch noch zungenbrecherisch (Sprach-)Kurs auf die hohe Kunst des Niederländischen nimmt.
Da verschwimmen auch andere Grenzen, wenn er seine Herkunft bis zu seiner „Tante“ Angela Merkel zurückverfolgt – oder holt sie ihn ein? Da streift er die Geschichte: „Die Zeiten, wo wir uns alle 16 Jahre einen neuen Kanzler wählen konnten, sind vorbei.“ Da bringt er aktuelle Themen aufs Tapet: „Früher hieß es immer: Iss Deinen Teller leer, damit es schönes Wetter gibt. Was haben wir jetzt davon? Dicke Kinder und Erderwärmung!“
Da rattert er einen wunderbaren Regiolekt runter, vom verliebten „hier komm ich öfter“, über das immer wieder lächerliche „es geht sich um Folgendes“ bis hin zur niederrheinischen Verlaufsform: „Et war schön gewesen.“ Alles nach dem Motto: „Grammatik ist keine Pflicht. Ich kenne einen in Kevelaer, der benutzt noch den Dativ. Dem sein Bruder in Kervenheim schon nicht mehr.“
Da vermengt der hauptberufliche WDR-Radio-Korrespondent in seiner Teilzeit-Freizeit gekonnt Genres wie Kabarett und Comedy, Karneval und Klamauk. Er ist ebenso ein Witze-Erzähler wie ein ernster Kommentator, ein König wie ein Clown. Dabei ist er mit seinen flotten Sprüchen und feinsinnigen Befindlichkeiten immer eindeutig einer vom Niederrhein. Also einer von uns, der aus seiner umfassenden Verschmitztheit keinen Hehl macht, aber auch wenig Aufhebens von seiner zeitweisen Ohnmacht. Damit ist er näher dran an seinem Publikum, als es andere wohl je sein werden.
Schweißtreibendes Treiben
Hoffentlich kann sich Ludger Kazmierczak diese Unbefangenheit, Unverkrampftheit und gleichzeitige Unverfrorenheit erhalten. Denn das zeichnet ihn aus: Er macht das, was er da tut, weil er unglaublich viel Spaß daran hat. Das jedenfalls kommt unverstellt über die Rampe.
Auch wenn die meisten Zuschauer des schweißtreibenden Treibens beim „Kabarett unter‘m Dach“ am Montagabend keine Kevelaerer waren: Ludger Kazmierczak darf sicher gerne wieder hier kommen.

Ordnungsamt trifft Wanderzirkus

Schon vor dem Programm zeigten sich die beiden Künstler nahbar und vollkommen unprätentiös, standen am Büchertisch im Foyer, machten mit ein paar Besuchern Selfies und liefen beide locker-entspannt vor Beginn der Show durch die erste Reihe.
Danach betraten die „Frau mit römischem Blut und rheinischem Temperament“, die mit sieben Männern zusammen lebt, von denen sie „sechs selbst gemacht hat“, und dem „Holzfäller – kanadisch, quadratisch, praktisch, gut“ gemeinsam zu „All you need is love“ und dem Ruf „Guten Abend, Kevelaer“ die Bühne.
„Hurra wir lieben noch“ hieß das Programm – das Thema war ihre 34 Jahre währende Ehe (Mock­ridge: „Ein guter Mittelwert“) mit all ihren Höhen und Tiefen. Von Beginn an banden sie dabei das Publikum offensiv mit ein, ließen sich alle gegenseitig begrüßen und den Namen des Tieres, das sie mit dem Nachbarn assoziieren, ausrufen.
Dann fragten sie nach dem ältesten Paar – Helga und Adolf mit 61 Jahren (kennengelernt in der Jugendfreizeit) – und dem am frischesten verliebten Paar – Oliver und Jessica (sind seit drei Jahren verliebt und haben sich in der Kirchenband kennengelernt).
Wie man sechs Kinder in die Welt setzt
Sie durften sich in der Pause das neue Buch der beiden mit Unterschrift abholen. „Ihr müsst nicht sechs Kinder in die Welt setzen, aber da steht drin, wie es geht“, gab Kinsky dem Paar mit.
Danach folgten zwei Stunden mit viel Tempo, Witz und Feuer, wobei die „italienische Mama“ in rheinischer Mundart immer noch einen Tick flotter formulierte.
Und so erzählten sie über ihr erstes Kennenlernen. Sie hatte als Studentin in Bonn auf seine Anzeige für eine Rolle bei der „Springmaus“ geantwortet („Ich hatte einen Job und den Kerl dabei“), dem ersten Kuss („In der Bonner Altstadt am Friedensplatz Donnerstag um 15 Uhr 30), dem ersten Mal („Einen Tag davor.“) und dem ersten romantischen Einkauf bei Aldi.
Sie philosophierten im gegenseitigen Wechsel über die Schmetterlinge-im-Bauch-Phase, der die erste Desillusion folgt – wenn er mit ihr in einem Kanu in Kanada durch die Natur paddelt, während sie die Supermärkte vermisst und sich vorne im Kanu vorkommt „wie der Dödel in der Wildwasserbahn“.
Oder über die Phase, wenn sich in seiner Wohnung bei ihrem Einzug alles ändert. So leidet Mock­ridge, als es auf einmal „numerierte Plätze für Lebensmittel im Kühlschrank“ gibt, die Heizung angeworfen wird, Räucherstäbchen verteilt werden und das Marilyn-Monroe-Poster an der Wand dem Bild von vier Babys weicht – von dem Entzug vom Fussballgucken für 34 Jahre („Aber Uwe Seeler spielt noch?“) ganz zu schweigen.
Und dann fängt die Frau an, für den Mann „vorweg zu denken“. Eine Ehe also wie beim Schachspielen, so Mockridge: „Was darf die Dame? Alles. Was darf der König? Nix.“ Oder frei nach der Adam-und-Eva-Geschichte,wo „der Mann mit Six-Pack strohdoof“ die Welt auf Gottes Bitte hin in sieben Tagen nicht gebacken kriegt, während die „multitaskingfähige“ Frau das ruckzuck organisiert kriegt „mit Fußgängerzone, Einkaufszentrum, Kirche und Waschsalon“, so Kinsky.
„Das Hirn vom Holzfäller ist aufgebaut wie ein Amt: ein stundenlanger Flur mit tausend Türen, wo steht: Bin gleich wieder da!“, erzählte Kinsky. Während ihr Gehirn „wie eine Zirkusmanege ist, wo Schweine, Elefanten, Pferde und Clowns herumlaufen und sie als Zirkusdirektorin von einem Thema zum anderen springt“, konterte Mockridge. Wie man so eine Ehe nennt ? „Ordnungsamt trifft Wanderzirkus“.
Im zweiten Teil ging „Familie Flodder“ dann auf ihre sechs Söhne ein – als Ehepaar beim Johanniter Krankenhaus „ausgestattet mit einer Zehnerkarte“ , einem Hausmeister, der ausrief: „Das sechste geht auf´s Haus“ und einer Nachbarin, die im Supermarkt Margie zuruft: „Ist ja super, da haste sechs Träger, wenne tot bist.“
Beipackzettel für Eltern
Von der Übernahme des Alkoholtrinkens in der Schwangerschaft über das Trainieren des Hechelns während der Presswehen, dem Basteln in der Kita und dem Naturgrüntheater, bei dem der eigene Junge im Rollrasen eine Bohne spielt, vom Reisen im Urlaub bis zur Pubertät reichte die Palette der Dinge, die nach Auffassung der beiden auf einen gesonderten „Beipackzettel“ für Eltern gehören.
„Wir lieben sie aber alle sechs – trotz Risiken und Nebenwirkungen“, machten Kinsky und Mockridge klar. Und sie machten auch klar, wie man sich nach 34 Jahren zum Hochzeitstag belebt – indem man genau das macht, was man vor 34 Jahren auch gemacht hat, auch wenn der String-Tanga von früher nicht mehr passt.
Rührung rief beim Publikum der Moment hervor, als Mockridge beim Abschied eines Sohnes am Bonner Bahnhof feststellt: „Ich habe mich wieder in meine Frau verliebt.“
„Zwei Stunden lang gelacht so wie wir miteinander alle“, so funktioniere halt eine gute Ehe, lautete die schlichte Botschaft des Paar-Abends.
Zu „Love is in the air“ und „Alles wird gut“ nach der Zugabe beendeten sie das Programm – positiv überrascht von dem erst reserviert wirkenden Publikum, das danach in größerer Zahl bei der zweiten Runde Bücherstand und Selfiemachen zu ihnen kam und mit ihnen noch locker plauderte.