Ordnungsamt trifft Wanderzirkus

Schon vor dem Programm zeigten sich die beiden Künstler nahbar und vollkommen unprätentiös, standen am Büchertisch im Foyer, machten mit ein paar Besuchern Selfies und liefen beide locker-entspannt vor Beginn der Show durch die erste Reihe.
Danach betraten die „Frau mit römischem Blut und rheinischem Temperament“, die mit sieben Männern zusammen lebt, von denen sie „sechs selbst gemacht hat“, und dem „Holzfäller – kanadisch, quadratisch, praktisch, gut“ gemeinsam zu „All you need is love“ und dem Ruf „Guten Abend, Kevelaer“ die Bühne.
„Hurra wir lieben noch“ hieß das Programm – das Thema war ihre 34 Jahre währende Ehe (Mock­ridge: „Ein guter Mittelwert“) mit all ihren Höhen und Tiefen. Von Beginn an banden sie dabei das Publikum offensiv mit ein, ließen sich alle gegenseitig begrüßen und den Namen des Tieres, das sie mit dem Nachbarn assoziieren, ausrufen.
Dann fragten sie nach dem ältesten Paar – Helga und Adolf mit 61 Jahren (kennengelernt in der Jugendfreizeit) – und dem am frischesten verliebten Paar – Oliver und Jessica (sind seit drei Jahren verliebt und haben sich in der Kirchenband kennengelernt).
Wie man sechs Kinder in die Welt setzt
Sie durften sich in der Pause das neue Buch der beiden mit Unterschrift abholen. „Ihr müsst nicht sechs Kinder in die Welt setzen, aber da steht drin, wie es geht“, gab Kinsky dem Paar mit.
Danach folgten zwei Stunden mit viel Tempo, Witz und Feuer, wobei die „italienische Mama“ in rheinischer Mundart immer noch einen Tick flotter formulierte.
Und so erzählten sie über ihr erstes Kennenlernen. Sie hatte als Studentin in Bonn auf seine Anzeige für eine Rolle bei der „Springmaus“ geantwortet („Ich hatte einen Job und den Kerl dabei“), dem ersten Kuss („In der Bonner Altstadt am Friedensplatz Donnerstag um 15 Uhr 30), dem ersten Mal („Einen Tag davor.“) und dem ersten romantischen Einkauf bei Aldi.
Sie philosophierten im gegenseitigen Wechsel über die Schmetterlinge-im-Bauch-Phase, der die erste Desillusion folgt – wenn er mit ihr in einem Kanu in Kanada durch die Natur paddelt, während sie die Supermärkte vermisst und sich vorne im Kanu vorkommt „wie der Dödel in der Wildwasserbahn“.
Oder über die Phase, wenn sich in seiner Wohnung bei ihrem Einzug alles ändert. So leidet Mock­ridge, als es auf einmal „numerierte Plätze für Lebensmittel im Kühlschrank“ gibt, die Heizung angeworfen wird, Räucherstäbchen verteilt werden und das Marilyn-Monroe-Poster an der Wand dem Bild von vier Babys weicht – von dem Entzug vom Fussballgucken für 34 Jahre („Aber Uwe Seeler spielt noch?“) ganz zu schweigen.
Und dann fängt die Frau an, für den Mann „vorweg zu denken“. Eine Ehe also wie beim Schachspielen, so Mockridge: „Was darf die Dame? Alles. Was darf der König? Nix.“ Oder frei nach der Adam-und-Eva-Geschichte,wo „der Mann mit Six-Pack strohdoof“ die Welt auf Gottes Bitte hin in sieben Tagen nicht gebacken kriegt, während die „multitaskingfähige“ Frau das ruckzuck organisiert kriegt „mit Fußgängerzone, Einkaufszentrum, Kirche und Waschsalon“, so Kinsky.
„Das Hirn vom Holzfäller ist aufgebaut wie ein Amt: ein stundenlanger Flur mit tausend Türen, wo steht: Bin gleich wieder da!“, erzählte Kinsky. Während ihr Gehirn „wie eine Zirkusmanege ist, wo Schweine, Elefanten, Pferde und Clowns herumlaufen und sie als Zirkusdirektorin von einem Thema zum anderen springt“, konterte Mockridge. Wie man so eine Ehe nennt ? „Ordnungsamt trifft Wanderzirkus“.
Im zweiten Teil ging „Familie Flodder“ dann auf ihre sechs Söhne ein – als Ehepaar beim Johanniter Krankenhaus „ausgestattet mit einer Zehnerkarte“ , einem Hausmeister, der ausrief: „Das sechste geht auf´s Haus“ und einer Nachbarin, die im Supermarkt Margie zuruft: „Ist ja super, da haste sechs Träger, wenne tot bist.“
Beipackzettel für Eltern
Von der Übernahme des Alkoholtrinkens in der Schwangerschaft über das Trainieren des Hechelns während der Presswehen, dem Basteln in der Kita und dem Naturgrüntheater, bei dem der eigene Junge im Rollrasen eine Bohne spielt, vom Reisen im Urlaub bis zur Pubertät reichte die Palette der Dinge, die nach Auffassung der beiden auf einen gesonderten „Beipackzettel“ für Eltern gehören.
„Wir lieben sie aber alle sechs – trotz Risiken und Nebenwirkungen“, machten Kinsky und Mockridge klar. Und sie machten auch klar, wie man sich nach 34 Jahren zum Hochzeitstag belebt – indem man genau das macht, was man vor 34 Jahren auch gemacht hat, auch wenn der String-Tanga von früher nicht mehr passt.
Rührung rief beim Publikum der Moment hervor, als Mockridge beim Abschied eines Sohnes am Bonner Bahnhof feststellt: „Ich habe mich wieder in meine Frau verliebt.“
„Zwei Stunden lang gelacht so wie wir miteinander alle“, so funktioniere halt eine gute Ehe, lautete die schlichte Botschaft des Paar-Abends.
Zu „Love is in the air“ und „Alles wird gut“ nach der Zugabe beendeten sie das Programm – positiv überrascht von dem erst reserviert wirkenden Publikum, das danach in größerer Zahl bei der zweiten Runde Bücherstand und Selfiemachen zu ihnen kam und mit ihnen noch locker plauderte.