Die Antwort gegen die Gleichgültigkeit

Kevelaer. „Gibt´s Fragen?“ Wenn ein Kabarettist schon so anfängt, dann kann der Zuhörer einiges erwarten.
Er habe nicht die Antworten auf die großen Fragen, „und wenn Sie mit mehr Fragen als Antworten rausgehen, dann ist viel erreicht“, nordete Christoph Sieber das Publikum zum Auftakt seines Programms „Hoffnungslos optimistisch“ gleich mal so richtig ein. „Sie müssen mir auch nicht alles glauben“, legte der gebürtige Schwabe nach.
Der Abend war vom Bühnenhaus in die öffentliche Begegnungsstätte verlegt worden – warum so ein renommierter Name wie Sieber – bekannt durch seine TV-Auftritte in der ZDF-Sendung „Mann, Sieber!“ – nicht mehr Leute anziehen konnte, wusste niemand zu sagen.
Diejenigen, die nicht kamen, verpassten dafür ein zweistündiges, spitzfindig-intelligentes und spannend aufgebautes Programm, das erahnen ließ, warum man Sieber die „Stimme des jungen Kabaretts“ nennt.
Es geht ums Eingemachte
„Man macht sich Sorgen, es geht ums Eingemachte“, ging er nach der Einstiegsgeschichte über einen Auftritt mit Feuerwehrbrand an solche irrrwitzigen Wahlkampf-Debattenthemen wie Frauke Petry, die Flüchtlinge auf eine Insel schicken wollte, oder das Burka-Verbot heran. „Burkaverbot am Steuer – das größte Problem. Haben Sie schon diese Frauen auf der A57 auf der Überholspur gesehen?“, fragte er zynisch in die Runde.
In dieser Art bewegte sich der Sieber-Abend zwischen Alltagshumor, sprachlich temporeicher Gesellschaftskritik, Lyrik und dem Schlüpfen in diverse Rollen.
Die Menschen seien heute „wie Goldfische, die drei Sekunden im Kreis schwimmen und sich dann sagen: Auch schön hier.“ Es brauche schon Apps, damit die Leute als „halb Mensch, halb Handy“ nicht gegen den Laternenmast rennen.
Und bald werde man nicht mehr von der „sprechenden“ Haustür reingelassen, weil die sich mit dem Kühlschrank geeinigt habe, dass der Mann die Milch vergessen hat. Der „Algorythmus“ im PC entscheide heute schon, ob jemand einen Herzschrittmacher erhält oder nicht.
Um das Zwei-Grad-Ziel beim Klimawandel zu erreichen, müsse man „weniger Auto fahren, weniger fliegen, weniger Fleisch essen. Das ist ja schon sehr konkret!“, hielt er dem Publikum den Spiegel vor und zitierte aus Hölderlins „Hyperion“ von 1798. „Zwanzig Minuten Programm und schon die Stimmung im Arsch“, sagte er und die Lacher blieben fast im Hals stecken.
Als „schwäbischer Bäcker Häberle“ tippte er Themen wie Trump („Make Häberle great again“) oder die Bankenkrise („Wir sind „too big to fail“) an, zog über Feindbilder wie „die Politiker“ oder die „faulen Griechen“ her, bei denen drei Millionen Menschen zur Zeit ohne Rente sind.
„Kein Staat zahlt seine Schulden – davon leben Banken. Das System würde sonst zusammenbrechen“, ätzte er dann gegen die „libyschen Schlepper, die KZ-ähnliche Strukturen schaffen“, während Europa seine Werte „nur auf Geld gebaut, auf Sand gebaut“ habe.
Brillant war Siebers Rolle als „unverschuldet reich gewordener“ Erbe, der die Armutsdebatte mit der Bemerkung „Macht Euch frei von Geld, zahlt nur mit Karte“ abtut – bei einer „Unterschicht im Land, die elf Jahre früher stirbt als die andern. Und zehn Prozent haben nicht mal ausreichend Winterkleidung.“
Stark war auch seine Bildungskritik – wenn er davon sprach, dass 98 Prozent der Kinder große kreative Möglichkeiten haben – und nach der Schule nur noch zwei Prozent. „Und so kommt es, dass ein sturzdoofer Architekt einen Flughafen in Berlin baut“, meinte er später.
„Gewalt oder Verdummung – es gibt zwei Möglichkeiten, um Menschen gefügig zu machen.“ Das heißt für Sieber den „Konsumenten“ mit tausend unnötigen Teelichtern zu Ikea zu locken. Oder mit Zalando, die demnächst „unglaublicherweise Läden“ eröffnen wollten, wo es „sensationellerweise Schuhe“ vor Ort geben wird – das sicher sogar rechte und linke und auch in Kevelaer.
An das Ende seines Programms stellte Sieber dann doch noch ein klares politisches Statement mit einer Abwandlung des Hüsch-Gedichtes „Ich will mich nicht gewöhnen“, wo er gegen die „Barbarei der Globalisierung“ wetterte und sich „nicht daran gewöhnen möchte, in einer Gesellschaft zu leben, wo Menschen als „Gutmenschen“ beschimpft werden.“
Und beim Satz „Was ist ein Mensch ohne Empathie – ein Nichts!“, schimmerte da dann sogar sowas wie Aufbegehren gegen die Gleichgültigkeit auf.
Seine Botschaft lautete: „Es gibt die Essenz des Nichtwissens nicht mehr. Wir werden es gewusst haben.“ Die „kleine Anwort auf die großen Fragen“ sei ganz einfach: „Das sind wir!“