Große Geschichte(n) und täglicher Tratsch
Kevelaer. Wie sagt der Rheinländer so gerne: „Et kütt, wie et kütt.“ Und so scheinen manchmal auch die abendfüllenden Programme dieses Rheinland-Immis aus Südtirol aufgebaut zu sein. Aus Konrad Beikircher kommen einfach die Geschichten heraus, ach was sag‘ ich – sie sprudeln wie aus einem nie versiegen wollenden Quell – und werden in den allermeisten Fällen so und so oft zu einem der Freude. So auch am Montagabend im ausverkauften Bühnenhaus, wo er das Publikum rund zwei Stunden auf höchst amüsante Weise unterhielt.
Frohnatur mit spitzer Zunge
Lange bevor der Begriff des „Stand-Up-Comedian“ hoffähig wurde, stellte sich der studierte und ehedem praktizierende „Zycheloge“ Beikircher auf die Bühnen der Republik, um alle zwei Jahre wieder einen weiteren Teil seiner Rheinischen Trilogie vorzustellen. Mittlerweile ist „Passt schon…“ das 14. Programm, bei dem sich der Kabarettist der rheinischen meist Froh-Natur und zumeist spitzen Zunge bedient. Und immer noch beherrscht er wie kaum ein anderer eine ziemlich perfekte Verknüpfung von großer Geschichte und täglichem Tratsch.
Was er sagt, musste mal gesagt werden
Er wagt den Spagat zwischen hochachtungsvoller Analyse und billiger Belanglosigkeit – und rutscht dabei nicht aus, weil er sich bei niemandem einschleimt. Alles, was er sagt, musste mal gesagt werden, meint man – auch dann noch, wenn man ihm stundenlang zugehört hat.
Dabei ist er nicht einmal ein begnadeter Vor-Denker, sondern überlässt es den Menschen, die er in Alltagssituationen trifft – an der Kneipen-Theke, in der Metzgerei, beim Kauf von Mittelchen „für gegen Hornissen“ – ihm die Worte in den Mund zu legen. Er zitiert Büttenredner und Fleischereifachverkäuferinnen, stellvertretende Regierungspräsidenten und Gewerkschaftssekretäre wie sie ihm vor die sprachliche Flinte kommen. Er steht da – diesmal ausnahmsweise mal ohne Jacket im roten Strickpulli – und fabuliert so fabelhaft, dass man gerne mit ihm eintaucht in dieses rheinische Universum, das ihn umgibt, vom Gespräch über den Gartenzaun hinweg bis zur anderen Rheinseite, von den Römern über die Preußen, die britische Besatzung und Adenauers „letzte Bötchensfahrt“ bis mitten hinein in die Gegenwart.
Manchmal wischt er mit einem Satz die große Geschichte vom Tisch, wie bei den Preußen, die vor 200 Jahren das Rheinland verwalten wollten: „Daran sind schon die Römer und der Antwerpes gescheitert.“ Manchmal gründelt er abgrundtief, wie bei dem Altnazi, der das Heben des Arms als Geste des Widerstands verstanden wissen will: „Moment emaaaal…“ Und manchmal recht ihm sogar Sprache „pur“, ohne Sinn oder Interpretation, wenn er beispielsweise anhand der Lagerstätte für Segelflugzeuge erklärt, dass das „G“ in rheinischer Zunge auf vier Arten ausgesprochen wird: „Sejel-Fluchzeusch-Larer“.
Stundenlang könnte man ihm zuhören, stellt man fest, wenn man ihm stundenlang zugehört hat. Und freut sich auf den 15. Teil der rheinischen Trilogie…