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Verdrehter Pool

Nein – bitte keine falschen Schlüsse ziehen! Ich meine nicht unseren verehrten und umtriebigen Chef des Stadtmarketings. Ich finde einfach kein hochdeutsches Wort für den Metallpfahl oder -pfosten, an dem ein Verkehrs- oder sonstiges Hinweisschild befestigt ist. Da ist mein Kävels Platt doch viel hilfreicher.

Also: Es geht um einen vermutlich umgedrehten Pool an der ehemaligen Garten- und jetzigen Kardinal-von-Galen-Straße (siehe linkes Foto). Dort ist deutlich zu sehen und zu lesen, was als hilfreicher Hinweis gedacht ist, um einen Herbergssuchenden oder auch Hungrigen auf den richtigen (?) Weg zu schicken.

 

 

 

 

 

 

Dann habe ich mal so getan als ob…, bin der Beschilderung gefolgt, und wo bin ich gelandet? Auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einem Parkplatz mit der Nummer P 4. Dort aber ist es mit der stadteigenen Hilfsbereitschaft für den Suchenden noch nicht vorbei.

Ich entdecke ein äußerst ähnliches Schild an einem Pool und bin ihm natürlich gefolgt (siehe Foto rechts). Habe ja schließlich immer noch Kohldampf und / oder suche ein Hotelzimmer. Landung? Sie ahnen es schon: wieder am ersten Schild.

Liebe Stadt Kevelaer! Wenn durch eine solche Irreführung eines Tages der erste Gast unserer Stadt verhungert ist oder unter einer Niersbrücke schlafen muss, dann solltet ihr diese Schilder samt Pool aus essbarem Material herstellen, um solche Katastrophen zu verhindern.

Ein Unterstand mit Bett an dieser Stelle wäre dann auch (k)eine schlechte Lösung. (In preiswerten Unterständen habt ihr ja inzwischen Erfahrung gesammelt.)

Meine Mechel lacht sich schief über die Sache und meint: „Nauw weet ek, wor dat Wort SCHILDbürgerstreich vanaff kömt.“

Euer Hendrick

Novemberstimmung

Brrr – dieses triste Wetter, diese grauen Wolken, dieser Nebel!“ So begann ich vor Jahresfrist an dieser Stelle meinen Text. Und auch von Vorfreude habe ich darin gesprochen, bzw. geschrieben. Ein paar Anmerkungen muss ich nun hinzufügen zu „November“ und „Vorfreude“.

Wenn ich in den Kalender gucke, so passen einige bestimmte Tage in diesem Monat eigentlich recht gut zur tristen Wetterlage. Da finde ich nämlich so Gedenktage wie „Allerseelen“, „Volkstrauertag, „Totensonntag“. Sie rufen zur Besinnlichkeit und Erinnerung auf, wollen uns vielleicht auch ein wenig von der hektischen Betriebsamkeit des bisherigen Jahresverlaufs „herunterholen“.

Nach dem, was ich in den letzten zwei Wochen an Nachrichten zu lesen bekam, scheint dieser Versuch an einigen Orten unserer Republik gescheitert zu sein; verlocken sie uns, eines Tages ein Gleiches zu tun? Da ist von der vorzeitigen(!) Eröffnung hell erleuchteter Weihnachtsmärkte zu lesen; marktschreierisch fast werden die bei solchen Anlässen üblichen Lebensmittel und Getränke angeboten, dazu Kirmeskarussells und Kinderpunsch für die lieben Kleinen. Gedenktage und -feiern verkommen zu Alibiveranstaltungen.

November = Gedenken = Besinnung? Das gab es mal, ja doch, als Oma und Opa ihre Kerzen auf die Gräber ihrer lieben Verstorbenen stellten. Die Zeiten haben sich halt geändert und aus den Kerzen sind eben grelle Lichter geworden – was soll‘s? Weihnachtsgebäck gibt’s doch auch schon knapp nach dem Sommerurlaub! Wir leben unsere Vorfreude auf Weihnachten auf eine andere Weise aus und möglichst schon früh im November, verdrängen auf diese Weise jeden Gedanken an Tod und Tote.

In Kevelaer freue ich mich jedenfalls auf den Krippenmarkt und vor allem darüber, dass der Eröffnungszeitpunkt n a c h dem November liegt.

Mechel nickt und meint nachdenklich: „Dat kö‘je int Alde Testament all läse – et geft voer alles ennen Tid.“

Euer Hendrick

Alte Namen

Nun haben wir den St. Martin für die Kinder schon wieder hinter uns, auch den zeitlich parallelen Elften im Elften für die Karnevalisten. Alles läuft seinen normalen Gang im Jahresablauf und ich tue auch nichts anderes, als mir auf meinen Rundgängen mein Städtchen anzusehen. Da will ich zum Beispiel natürlich wissen, wie es um die ehemalige Bogenstraße, sprich, den heutigen Antwerpener Platz steht.

Auf dem Weg dorthin komme ich dieses Mal vom Stadtzentrum aus nicht über die Maasstraße, sondern nehme den Weg über die Gartenstraße. Kennen Sie nicht oder nicht mehr? Das ist die heutige Kardinal-von-Galen-Straße.

Moment! Da fällt mir ein, da gab es doch einen Bischof in Münster mit diesem Namen. Er soll ein sehr streitbarer und mutiger Mann gewesen sein, der den Nazis von unserem Kapellenplatz aus und per Hirtenbrief die Leviten gelesen hat.

Absolut berechtigt, dass Stadt und Kirche diesen Mann heute besonders würdigen – siehe Plakette und Amboss an der Kerzenkapelle, siehe Namensgebung unseres Gymnasiums. Auch auf dem diesjährigen Krippenmarkt soll seiner gedacht werden.

Und jetzt muss ich eine Ergänzung anhängen: Dieser verdiente Bischof und Kardinal ist in unserer Stadt an zwei weiteren Stellen namentlich erwähnt: Zum einen durch die obige Gartenstraße, die man ihm zu Ehren umgetauft hat; zum anderen hat die Stadt Kevelaer vor etlichen Jahren bereits einen kleinen Platz nach ihm benannt.

Dort steht in Holz geschnitzt (?) eine Art Marterl mit dem Text „Graf-von Galen-Platz“, darüber das bischöfliche Wappen. Siehe Foto aus 2013, das an der Antoniusstraße entstand.

Meine liebe Mechel schaut mich an und meint: „So bekend köj nimmer worre. Äwel Busmann­stroot es ok satt.“

Euer Hendrick

St. Martin und St. Petrus

Da waren die kleinen und größeren Kinder wieder versammelt mit ihren selbstgebastelten, gekauften oder mit Omas, Opas hilfreicher Hand hergestellten Laternen und Lampions. Sie zogen durch Kevelaers Straßen und sangen dem heiligen Martin zu Ehren ihm die bekannten Lieder vor. Einigermaßen hübsch war es anzusehen und – hin und wieder – auch anzuhören.

Wenn doch nur alle gesungen hätten …

Selbstverständlich hat in dieser Jahreszeit und diesen Novembertagen keine andere Person solchermaßen „Konjunktur“ wie St. Martin. Er hat es aber auch verdient aufgrund seiner selbstlosen und hilfreichen Tat für den armen Mann am Wegesrand.

Jetzt gibt es natürlich noch viele andere Heilige, zu deren Ehren jedoch keine Umzüge veranstaltet und auch keine Lieder gesungen werden. Verdient hätten sie es bestimmt ebenfalls, denn auch unter ihnen befinden sich einige, die durch große Hilfsbereitschaft und Opfer bekannt wurden.

Aber so sind nun mal unsere Traditionen: dem St. Martin und dem St. Nikolaus bringt man zu gegebener Zeit ein Ständchen nach dem anderen, wenn auch bei Letzterem die Umzüge wegfallen.

Mir fällt ein anderer Heiliger ein, der es wahrlich ebenso verdient hätte, gerade in diesen Zeiten: St. Petrus. Was könnte sich dieser Mann einen noch bekannteren, besseren Namen verschaffen! Als Herrscher der Wolken und des Wetters möge er endlich mal an die Bauern, die Gärtner, die Rheinschiffer, ach was, an die ganze Bevölkerung mit ihren Gärten denken und es anständig, d.h. nicht nur für ein paar Minuten regnen lassen.

Eine Ruhmestat hat er aber doch schon vollbracht, so lobt ihn die Mechel und da muss ich mich anschließen: „Hän hätt leste Freijdag ons Kävelse Blage int Drööge lotte loope. Es dat dann gar neks?“

Euer Hendrick

Nachbarn

Ich bin eigentlich sehr froh, dass ich nicht „weitab der Zivilisation“, sondern rechts und links und auch gegenüber mit Menschen zusammen lebe – mit Nachbarn eben.

Ein kurzes Wort, aber besetzt mit vielen Gedanken an Tradition und frühere Zeiten, wo das Miteinander noch einen viel höheren Stellenwert hatte, als es heute aussieht. Da half man sich gegenseitig bei größeren Dingen wie dem Hausbau oder auch kleinen wie dem Tragen helfen nach dem Einkaufen. Fragen und Bitten wie „Kannste mal eben rüber kommen? Ich hab da ein Problem…“ stellte man ebenso selbstverständlich, wie es die prompte Hilfe gab, die darauf erfolgte.

Solche Dinge erlebt man heutzutage gefühlt immer weniger. Ein Generationenproblem ist das nicht, wohl aber, so scheint’s, eine Frage der Generationen. Doch auch bei den jüngeren Altersgruppen sind gottlob noch traditionsbewusste und –bemühte Ausnahmen zu finden.

Monate und Jahre gehen dahin, in denen man den Nachbarn zur Rechten fast täglich sieht, sich freundlich mit dem auf der Linken unterhält, sich zu Geburtstagen und zum Nachbarschaftsfest ebenso wie zu traurigen Anlässen trifft.

Alles läuft seinen gewohnten Gang, bis ein Möbelwagen in der Straße steht und die liebe Nachbarin – zwar lange angekündigt – aber gefühlt plötzlich und unerwartet wegzieht. Ein letztes Mal „Kannste mal eben kommen – ich krieg den Wasserhahn im Keller nicht zu.“ Natürlich geht man hin, leistet auf diese Weise dem unvermeidlichen Abschied auch noch Vorschub.

Was dann noch bleibt, ist ein letzter Händedruck, eine Umarmung noch, und das Motorengeräusch des abfahrenden Wagens will man gar nicht hören. Tja – das sind Nachbarn.

Mechel verdrückt ein Tränchen und seufzt: „Ek hoap, dat in dat läge Hüß wehr enne guije Noaber intrekkt.“

Euer Hendrick

Wer billig kauft…

Oha! Da hatte ich zu früh die „Begutachtung“ des auf uns zu kommenden Fahrradunterstandes an der Rathausrückseite beendet. Ich hatte schon abgedreht und wollte meinen Weg fortsetzen, als ich nach ein paar Schritten wieder stehenblieb. Was hatte ich da soeben gesehen? Kehrt marsch, zurück und noch einmal genauer hingeschaut. Die vorige Woche erwähnte „provisorische Holzkonstruktion“ hat ja bereits eine endgültige Bedachung erhalten: Teerpappe!

Bravo, die Sparfüchse! Das solide gedachte Angebot mit einem Glasdach war also entschieden zu teuer, somit nehme man erstens ein billigeres Angebot für die Gesamtkonstruktion an und dazu noch besagte Teerpappe oder Kebu-Folie oder wie so ein Zeugs gerade heißen mag. Folgekosten sind absehbar, denn sowas hat mit Sicherheit nicht die Lebensdauer von Glas. Wenn man sich schon per allgemeinen Beschluss für so ein überflüssiges Ding wie diesen Fahrradunterstand entscheidet (wenn’s das alleine wäre!), dann sollte man auch den so soliden Anfang auch konsequent zu Ende bauen und dem Steuerzahler weitere Kosten ersparen.

Aber der wird die temporäre Kostenersparnis (?) loben und honorieren.
Und zum „Sparen“ gehört dann wohl auch noch dies: Neben dem unsäglichen Fahrradgedöns entsteht gleichzeitig eine Raucherecke, windgeschützt, unter demselben Dach, ergo zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Hat man sich denn mal die Mühe gemacht und ist um den Bau herumgelaufen? Dann hätte man vielleicht in die Berechnungen einbezogen, dass rund um die ehemalige Deutsche Bank genügend überdachte, gemauerte(!) Raucherecken zur Verfügung stehen, nebst zwölf vorhandenen, soliden Säulenquadern zum Schutz der Qualmer gegen den Westwind.

Wie lautet Mechels vieldeutiger Kommentar zu meinen Bedenken? „Dor fallt mej neks mer in.“

Euer Hendrick

Kävele – gän Berge schnejbelaeje

Der Niederrhein – ein flaches Land? Ja, fast überall, wenn ich mal die Sonsbecker Schweiz als Ausnahme und Folge der letzten Eiszeit betrachte. Na ja, den Oermter Berg und andere „Puckels“ gibt es ja auch noch.

Und sogar mitten in unserer Stadt soll es sogar Berge geben!

Da muss ich doch einmal genauer hinschauen. Bei herrlich-goldenem Oktoberwetter machte mir letzte Woche mein Rundgang durch Kevelaer so richtig Spaß.

Ich treffe einen guten Bekannten in der Kurve der ehemaligen Bogenstraße. Wir haben gedanklich die ehemalige Schule im Rücken, die vor vielen Jahren neben dem St. Marien-Kindergarten stand. Dies diene mitsamt dem beigefügten Foto zur Orientierung für die folgende kleine Erinnerungsgeschichte.

Antwerpener Platz.

Der Bekannte, nennen wir ihn Heinrich, und ich bestaunen die vor uns aufgetürmten riesigen Sand- und Erdhaufen auf dem Antwerpener Platz. „Podomme, dat sin joa omöndege Berge“, meint er. Und fügt gleich hinzu: „Dor mott ek an die Sandberge in de Schravelse Heij denke, wor wej as Blage gespölt hebben.“ „Stimmt,“ sage ich, „die Kinder aus der Jugendherberge toben da heute immer noch herum.“ Und zu dem für Kevelaer außergewöhnlichen Thema „Berge“ weiß ich auch etwas beizusteuern. „Guck dir mal an, was auf der Hüls passiert. Da siehst du auch solche Ungetüme…“

Twistedener Straße.

Eines ist aber gewiss und diene allen Kevelaerern als kleiner Trost:
Die Berge, die wir sonst so aus der ganzen Welt kennen, sind allesamt noch höher, noch älter und vor allem viel beständiger als die aktuellen, die wir zurzeit vor Augen haben.

Trotzdem hat Mechel noch eine augenzwinkernde Warnung parat: „Pas mers op, dat dor gänne Schnej drop kömt. Dann häj’e dij Hööp dor noch weekelang herömlegge.“

Euer Hendrick

För Land en Lüj

Da habe ich meiner lieben Mechel und mir mal einen schönen Nachmittag gegönnt: Fernab vom Hochdeutsch und Beamtendeutsch hörten wir mehrere Stunden lang einer Sprache zu, die in der Gefahr steht, allmählich im Grau der Vergangenheit zu verschwinden. Es ist „nur“ ein Dialekt, eine Mundart – aber wie viel Liebe zur Heimat und all ihren Dönekes und verschmitzten Nickeligkeiten hörten wir aus den Vorträgen heraus …

Es war nicht nur unser „Kävels Platt“ zu hören, denn in anderen Ortschaften des Niederrheins entstand im Laufe der Jahrhunderte auch ein Platt, dem unseren sehr ähnlich, mit anderen Schattierungen und Bedeutungen. Ein paar Kilometer Abstand von Kevelaer reichen zu solchen kleinen Abänderungen schon aus. Es ist aber zum Beispiel völlig unerheblich, ob ich „mej“ oder „min“ sage. „Gej könnt mej / min es …“ Die Fortsetzung dieses Satzes kennt jeder; aber wie hart und aggressiv käme das auf Hochdeutsch herüber und wie harmlos, ja geradezu heimisch hört sich dieselbe Aufforderung „op Platt“ an. (Man muss ihr ja nicht nachkommen …)

Diese Sprache, dieser Dialekt muss unbedingt erhalten und weiter gepflegt werden. Denn nicht nur an obigem Beispiel ist zu erkennen, wie dadurch dem täglichen Umgang die Hektik und die Schärfe genommen werden.

Mechel war nach dem letzten Vortrag und vor allem nach Absingen des Heimatliedes „Wor hör ek t’hüß“ ganz ergriffen und hauchte: „Sech, wat was dat schön! Dat mott noots vanseläwe geböre, dat wej ons Modertaal vergäte.“

Euer Hendrick

Stille Rundgänge – Nachdenkliches

Jeden Morgen prüfe ich mit einem Blick aus dem Fenster, ob sich ein Rundgang durch die Stadt wettermäßig normal durchführen lässt oder ob es ein kalter, vielleicht nasser Tag werden wird. Nach diesem langen und heißen Sommer wäre das ja auch mal eine Option.

So etwas wie Wettervorhersage kennt unsereiner ja nicht so gut. Da muss ich mich immer auf Anzeichen in der Natur verlassen. Heute Morgen stelle ich fest, dass der Herbst tatsächlich gekommen ist und so beschließe ich, mich einmal aus dem geschäftigen Treiben der Stadt auszuklinken und meinen Rundgang anders zu gestalten. Also habe ich für eine Stunde die Kiepe abgeschnallt: denn dort, wohin ich gehen will, wird es nichts zu verkaufen geben.

An der Gelderner Straße biege ich hinter dem ehemaligen Postamt ab und bin mit wenigen Schritten auf dem Friedhof. Viele bekannte Kevelaerer liegen hier in ihrer letzten Ruhestätte.

Als erstes sehe ich das Grab des berühmten Künstlers und Kirchenmalers Friedrich Stummel, später bete ich kurz bei den Heimatdichtern Theodor Bergmann und Jupp Tenhaef. Und dann schlendere ich weiter und betrachte nachdenklich die teils liebevoll gepflegten Ruhestätten der mir unbekannten Leute, angefangen von A wie Arians über J wie Jansen (in allen möglichen Schreibvarianten) bis Z wie Zumkley.
Liebevoll gepflegt? Ja, gottlob gibt es sie immer noch, aber:

Es fällt mir auf, dass ihre Anzahl geringer geworden ist. An einigen Grabstellen hat es einen gewissen Kahlschlag gegeben, will sagen: Es gibt sie nicht mehr. Unkraut und / oder Rindenmulch bedecken die Stellen, wo man einst dem oder der Verblichenen gedachte. Nach kurzem Nachdenken fallen mir ein paar Gründe ein: Es gibt keine Angehörigen mehr, verzogen oder verstorben, die sich um die Grabpflege kümmern können, oder diese Angehörigen sind selbst zu alt für diese Arbeit. Vielleicht fehlt auch hier und da das Geld für einen Friedhofsgärtner.

Not macht erfinderisch – auch auf dem Friedhof: Man entscheidet sich verstärkt für Rasengräber oder Urnen. Die Stunde auf dem Kevelaerer Friedhof hat mir, wie im Vorhinein zu erwarten war, keinen geschäftlichen Gewinn eingebracht und dennoch bin ich ein wenig reicher geworden: Ich sehe auf jeden Fall den christlichen Brauch, seine Verstorbenen in Ehren zu bestatten – auf welche Weise auch immer.

Mechel meinte nachher zu mir und dann, wenn sie hochdeutsch spricht, wird sie ernst: „Man lebt tatsächlich nicht nur vom Geld allein. Rundgänge dieser Art sind mindestens ebenso wichtig.“

Euer Hendrick

Madonna Maria

Da gibt es einen Kevelaerer, einen älteren Herrn sozusagen, der zu vielen Gelegenheiten und Feiern wie Klassentreffen, Nachbarschaftsfesten und Ähnlichem eingeladen wurde und immer noch wird. Er sitzt dabei aber nicht am Tisch und trinkt sein Bier und erzählt und erzählt von alten Kevelaerer Zeiten. Nein, er untermauert seine Geschichten und Geschichtchen mit vielen Bildern – man kann sie auch Beweisfotos nennen – , die er in Form eines altmodischen Diavortrags, mit gleichermaßen „fossilem“ Projektor und –tisch versteht sich, den gespannt lauschenden Gästen erläutert.

Besonders spannend wird es dann an den Stellen, wo er nicht nur die Schönheiten der Stadt aufzeigt, die es zweifellos gibt; es wird auch, bei aller humoriger Erzählweise, hin und wieder Kritik geübt oder der mahnende Zeigefinger erhoben, wie dieses Beispiel zeigt:

Ältere Kevelaerer erinnern sich, dass 1928 die Skulptur der Schutzmantelmadonna eingeweiht wurde. Wenn man rechts neben der 14. Kreuzwegstation nach Westen schaute, sah man sie am Ende des Weges an der Mauer stehen, die dort den Friedhof begrenzt.

Bereits 1934 (wahrscheinlich) wurde sie an ihren jetzigen Standort versetzt und sie steht bis heute für unser aller Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege.

Nun gehe ich mal wieder über den Friedhof und finde an so manchen – etwas kleineren – Grabdenkmälern und -steinen gelbe Warnzettel, mit denen die Angehörigen ermahnt werden, aus Unfallschutzgründen etwas mehr für die Standfestigkeit zu tun. Sofort kommt mir wieder die große Madonnenskulptur in den Sinn mit ihrem vermutlich tonnenschweren Gewicht. Die steht da nun seit 84 Jahren, in Wind und Wetter, hat bedenkliche Risse, wenn man genauer hinschaut. Wo bleibt denn da die besagte Warnung? Oder ist sie nur versteckt? Die Zuständigkeit für die wahrscheinlich längst notwendige Reparatur / Restaurierung oder wie man es nennen mag, liegt klar auf der Hand.

Mechel habe ich das alles auch erzählt und sie meint: „Ek hoap, dat ok in Zukunft neks passiert; äwel weete kann ek et ni …“

Euer Hendrick