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Eine musikalische Stunde im Niederrheinischen Museum

Gut 60 Gäste waren im Foyer des Niederrheinischen Museums erschienen, um den Klängen der jungen Musiker beim Kammerkonzert zu lauschen. „Das ist ja sonst nur für unsere ‚Spezialisten‘ hier, und für das gute Wetter ist das gut besucht“, freute sich Musiklehrerin Maren Brezinka über die Resonanz. Ihrem Mann Thomas war es vorbehalten, die Gäste zum Konzert zu begrüßen. „Es gibt eine Vereinbarung mit dem Museum, dass wir hier jeden Mittwoch sein dürfen. Dafür spielen wir im Gegenzug zweimal im Jahr umsonst hier“, sagte er. Dann setzte er sich ans Klavier.

Den Anfang machte Johannes Lehnen am Cello, der mit Thomas Brezinka Edward Mollenhauers „The infant Paganini“ darbot – eine recht „flotte“ Komposition, die das elfjährige Mitglied des Niederrheinstreichorchesters aber mit seinen technischen Fertigkeiten schon recht sicher bewältigen konnte. Im Anschluss daran durfte die gebürtige Xantenerin Victoria Peters ihr Können am Klavier präsentieren. Unfassbar schnell ließ sie zum Einstieg von „Präludium und Fuge Nr. 21 in B -Dur“ von Johann Sebastian Bach die Finger über die Tasten fliegen. Anschließend gelang es ihr, die komplexe, heiter-tänzerische Struktur der Komposition auf elegante Art und Weise dem Zuhörer zugänglich zu machen.

Eine glockenhelle, klar artikulierende Stimme

„Vier Lieder über Sehnsucht und Liebe“ (Thomas Brezinka) brachte dann die Sopranistin Charlotte Langner im Zusammenspiel mit Anton Brezinka am Klavier zu Gehör. Die 17-Jährige, die bei Maren Brezinka Bratsche lernt und Gesangsunterricht nimmt, überzeugte mit ihrer glockenhellen, klar artikulierenden Stimme unter anderem bei Robert Schumanns „Erstes Grün“. Sie unterstrich dabei, warum sie 2017 und 2018 Bundessiegerin beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ geworden war. Danach kündigte Thomas Brezinka „etwas ganz Besonderes“ an – und zwar Mendelssohn-Bartholdys „Quartett f-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello“. „Es reißt einen vom Stuhl. Sie können zwischendurch klatschen, müssen es aber nicht“, sagte Brezinka und versprach nicht zu viel.

Denn der aus der Schule hervorgegangene Bratschist Jannis Hoesch hatte mit Assia Weissmann (Violine), Albert Steinberger (Violine) und Ching-Jung Chung (Cello) drei kongeniale Jungkollegen in der Semesterpause mitgebracht. Alle vier lernen an renommierten Musikhochschulen in München, Karlsruhe, Salzburg und Nürnberg, sind Bestandteil besonderer deutscher Orchester. Diese Qualität übertrug sich auch auf die Interpretation des Quartetts, das die Wut, Verzweiflung und Trauer des Komponisten nach dem damaligen Tod seiner geliebten Schwester vor allem im „Allegro vivace assai-Presto“ und im „Finale“ mit inniger Tiefe zum Ausdruck bringen konnte.

Dabei funktionierte das Ensemble als harmonisch aufeinander eingehendes Klangkollektiv hervorragend. Der Applaus am Ende war ein berechtigter Ausdruck der Anerkennung für die Darbietung der Künstler, die noch zwei kleine Zugaben – darunter eine Polka von Schostakowitsch – als Schmankerl nachschoben.

Sparkasse sponsert Defibrillator fürs Kevelaerer Museum

Ein wenig sieht es ja aus wie ein Objekt moderner Kunst, was da neuerdings an einer Wand des niederrheinischen Museums in Kevelaer hängt. Doch das knallgelbe Werk, das den Titel „Lifeline AUTO“ trägt, ist ein Defibrillator, der im Ernstfall Leben retten kann. Auch Laien können mit diesem Gerät ganz schnell und unkompliziert wichtige Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Herzrhythmusstörungen sachgemäß durchführen.

Das Gerät misst beispielsweise, ob eine Schockabgabe nötig ist, und gibt über einen Lautstprecher genaue Anweisungen an den Helfer. Eine Spende der Sparkasse Goch-Kevelaer-Weeze machte die Anschaffung möglich, über die sich Museumsleiterin Veronika Hebben, der Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Thomas Müller und Landrat Wolfgang Spreen bei der Übergabe sehr freuten.          

Energie fürs Museum

Das Büro und die Gestaltung der eigenen Arbeitsumgebung überhaupt, geben gemeinhin in hinreichendem Maße Auskunft über den sie beherbergenden Menschen. Alles sich diesem ersten Eindruck anschließende, kommt eher der Kolorierung jener im Geiste entstandenen Skizze gleich.

Nolens volens Voyeur
Betritt man das Büro von Veronika Hebben, fällt einem zunächst die reich bestückte Bücherwand auf, die den nüchternen Besprechungstisch zur Hälfte wie einen Schutzmantel umschließt. Auf der gegenüberliegenden Seite: große Fenster – die Chefin im Glashaus einerseits, terrariumartiger Einblick andererseits. Der Passant auf dem Weg zum Museum wird nolens volens zum Voyeur. Aber auch die transparenteste Verwaltung kennt ihre Grenzen und so werden fortan neugierige Blicke an Stoffbahnen abgeschmettert.
Nach Aufwärm- und Anlaufphase im Niederrheinischen Museum ist Veronika Hebben nun seit Juli in Amt und Würden als Leiterin dieses auch über die Stadtgrenzen hinaus in der Region bedeutenden Hauses. Im Gespräch mit ihr zweifelt man keine Minute daran, dass sie es genau so gewollt hat. Und noch weniger zweifelt man an ihrer Begeisterung und ihrem Tatendrang – Wo nimmt sie dieses Übermaß an Energie her? Diese wird sie in jedem Falle brauchen, ist sie doch fortan nicht mehr nur Wissenschaftlerin, sondern darüber hinaus auch noch für Verwaltung, Personal und Gebäude des Museums zuständig. Nach eigenem Bekunden hat sie aber nicht nur einen Sinn dafür, Dinge zu strukturieren und zu organisieren, sondern sogar Spaß daran – ihr Schreibtisch deutet solches an.
In Kevelaer erblickte sie das Licht der Welt und nach Kevelaer kehrte sie zurück. Dazwischen liegen Kindheit und Jugend in Weeze, das Abitur in Geldern und ein Auslandsjahr in der ‚Neuen Welt‘, wo der Wunsch reifte, sich mit den Wurzeln der ‚Alten Welt‘ näher zu beschäftigen. Auch der Gedanke, ihre praktische Seite zu betonen und an die Kunstakademie zu gehen, stand im Raum, aber Dinge zu hinterfragen und deren Theorie zu ergründen, reizte sie mehr. Ein Studium in den Fächern Kunstgeschichte, Archäologie und katholische Theologie an der Universität Köln war die Folge. Begeisterung für Architektur und Denkmalpflege trat hinzu. Die bereits in der Studienzeit aufgenommene Tätigkeit in der Dombauhütte war gewiss Überzeugungstat. Schöne und große gotische Kirchen gibt es andernorts auch, »den Dom« aber nur in Köln – auch hier spürt man sie wieder, die ansteckende Begeisterung.

Die unsichtbare Trias
In Washington, D.C. genoss sie die dortige Museumskultur – Ausstellungen von Weltrang bei freiem Eintritt. Nun ist Kevelaer in jeglicher Hinsicht nicht Washington – Was sind also ihre Visionen für das hiesige Museum? Die Basis für ihre Arbeit sieht sie ganz klassisch: die ‚unsichtbare Trias‘ aus Sammeln, Bewahren und Forschen wird für den Besucher durch Ausstellung und Vermittlung erlebbar. Jedes dieser Wesensmerkmale eines Museums sollte sich auch hier in Kevelaer wiederfinden. Besonders am Herzen liegt ihr die Stärkung der Rolle des Museums als außerschulischer Lernort. Ein Bereich, in dem sie noch deutliches Entwicklungspotential ausmacht, ist der Anteil durch Schulklassen an der Besuchermenge doch derzeit ein kleiner. An dieser Stelle greift ein Stück weit auch der Gedanke an, sich in einigen Teilen des Hauses der Weiterentwicklung der Dauerausstellung zu widmen. Manches ist für sie ein wenig in die Jahre gekommen – unausweichlich in so einem großen Haus. Überhaupt möchte sie wieder mehr Aufmerksamkeit auf die ständig ausgestellten Exponate lenken und sich nicht nur in an „Superlativen“ orientierten Sonderschauen verlieren – ein Trend, der selbst um Kevelaer keinen Bogen macht.
So wie die volkskundliche Sammlung Abbild des Lebens ist, sieht Veronika Hebben ‚ihr‘ Museum eingebettet in das Kevelaerer Leben. Sie wünscht sich eine gute Vernetzung mit Stadt und Region. Nicht nur das Museumsinnere wird ihre Arbeit prägen, sondern auch die schon mitten im Gange befindliche Umgestaltung des Umfeldes. Die „Hinterhofsituation“ macht sie dabei als einen Grund für den Dornröschenschlaf aus. Die Neugestaltung der angrenzenden Plätze bewegt sie sichtlich. Der Wunsch nach einer Verbesserung der Zugangssituation vom Luxemburger Platz her, erscheint da nur folgerichtig. Bäume und innerstädtisches Grün sind ihr wichtig; aber dort, wo sie hingehören und nicht die ihr liebe Architektur verdecken – Stadt als Kulturraum. An Ideen und Willen sich einzubringen, mangelt es ihr sichtlich nicht – ihre offene und gewinnende Art wird dieses richten.
Ihre Herkunft aus heimischen Landen begreift sie als Vorteil. Sie kennt Land und Leute, manche Vorgeschichte und Konstellation. Das wird ihr die Arbeit gewiss erleichtern. Die Liebe zu Land und Leuten strahlt sie offensiv aus. Dennoch ist die Vermittlung von Kunst und Kultur auf dem Lande kein leichtes Geschäft. Sie zählt dabei auf den Niederrheiner, der nach ihrem Urteil doch „relativ offen ist und Neues annimmt“, dabei aber gleichzeitig mit Heimat und Tradition verbunden ist. Beides ist für sie in Kevelaer lebendig und nicht nur Kulisse. Erst jüngst konnte sie dem Wettener Schützenverein mit Plaketten aus dem Museumsbestand aushelfen – so bleibt museales Bewahren in der Traditionspflege vital.

Weniger kontemplativ
Am Schluss bleibt sie dann aber doch stehen, die Frage nach dem scheinbar unendlichen Energiereservoir dieser Frau, vor allem die Frage nach dessen Quelle. Rekreation findet sie in der Natur – die niederrheinische Landschaft und die sie durchschlängelnde Niers haben es ihr angetan. Und wenn es dann doch mal etwas weniger kontemplativ sein soll, lässt sie sich als Gegenpol zur Unmenge an der für ihre Arbeit nötigen Fachliteratur gern von Büchern und Filmen aus dem Genre Fantasy gefangen nehmen. Und Musik ist da auch noch: „So ziemlich alles von Klassik bis Hiphop“.
Irgendwie wird auch an dieser Stelle deutlich, dass sich Veronika Hebben nicht in vorgefertigte Schubladen einsortieren lässt – ihre Vielfalt an Interessen und ihr Brennen für ihre Ideen ist zu groß, um eine vereinfachende Zuordnung vornehmen zu können.

Eine große Kunst

Man muss Heinz Henschel nicht persönlich gekannt haben, um sich vorzustellen, wie er da am Sonntag saß. Vermutlich an einem einfachen Biertisch, vor sich ein großes Glas Gerstensaft oder einen Pott Kaffee, auf einer wohl kunterbunten Wolke seines eigenen Kosmos‘. Man ahnt ein bescheidenes Lächeln unter dem mächtigen Schnauzbart. Und ganz viele Besucher der Ausstellungseröffnung schauten am Sonntag mal kurz nach oben und winkten ihm zu, diesem Mann, der aus Freundschaft zu Menschen in den Achterhoek kam und der sich mit dem Landstrich und den Menschen hier vor seinem Tod ein wenig anfreundete.
Man wird nicht jeden Tag einen unbekannten Künstler entdecken. Aber dass Heinz Henschel einen Kevelaerer zum „Gralshüter“ seines bis dato weitgehend unentdeckten Nachlasses wählte, ist nicht nur für diesen ein Glücksfall. Das Niederrheinische Museum Kevelaer bekommt mit der Ausstellung „Wanderer zwischen den Welten“ die Chance, sich nicht nur als Hüter verstaubter Exponate zu präsentieren – was durchaus, inklusive der entsprechenden Arbeit des ,Staubwischens‘ eine ehrbare Aufgabe ist – sondern auch als ein Raum für Entdeckungsreisen ins Unbekannte.
Es wird eine Diskussion darum geben, wer Heinz Henschel denn nun ist. Ein Künstler? Ein Handwerker? Ein Kunsthandwerker? Das Kevelaerer Museum wagte den Schritt, diesen Unbekannten mit offenen Armen aufzunehmen. Die Experten standen genauso mit offenem Mund vor den Werken dieses Mannes, wie es heute die Besucher der Ausstellung tun. Ich habe niemanden getroffen, der nicht zumindest verwundert den Kopf schüttelte, als er zum ersten Mal auf ein Werk von Heinz Henschel traf. Und das ist mehr, als mancher Künstler mit seinem Gesamtwerk geschafft hat.
Dass man dies alles in Kevelaer erleben darf, ist natürlich ebenfalls ein Glücksfall. Es zeigt aber auch, was wir hier brauchen: Ideen, Visionen, Fantasie. Und dann die Kraft, das auch zeigen zu wollen. Das kann nicht jeder, schon keiner allein. Deshalb sind solche mutigen Menschen wie die Ausstellungsmacher im Kevelaerer Museum so wichtig. Sie sehen über Tellerränder. Sie zerreden ihre Ideen nicht, sie präsentieren sie. Oft sogar ehrenamtlich. Man sollte ihnen zusehen, man sollte ihnen zuhören, man sollte sie wertschätzen. Man sollte all das „weiter so“ und „haben wir immer schon so gemacht“ über Bord werfen. Das tut sich von allein. Wir müssen wieder offen werden für das, was wir sehen, und wertschätzen, dass wir es sehen können.
Das Kevelaerer Museum zeigt nur einen Teil des Henschelschen Kosmos‘. Aber es hat den Mut, die Museumswelt für einen Mann zu öffnen, der uninterpretiert ist. Der (noch) nicht etabliert ist. Der auf dem „Kunstmarkt“ noch „ohne Wert“ ist. Das macht diese Ausstellung so wertvoll. Sie fordert im übertragenen Sinne Unvoreingenommenheit ein. Denn hier kann sich buchstäblich jeder noch selbst ein Bild machen, ohne sich auf berufene Münder berufen zu können.
Ich kann nur jedem raten, der sich von Fantasie beflügeln lassen kann, sich diese Ausstellung anzusehen. Er wird Heinz Henschel entdecken. Und vielleicht wird er ihm sogar einen kurzen Gruß nach oben auf die bunte Wolke schicken.

Michael Nicolas

Veronika Hebben wird neue Leiterin des Kevelaerer Museums

Kevelaer. Der Vorstand des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte e.V. hat in seiner jüngsten Sitzung wichtige Weichen für die Zukunft gestellt: Einstimmig wählten die Mitglieder des Trägervereins die derzeitige stellvertretende Leiterin Veronika Hebben zur Nachfolgerin von Dr. Burkhard Schwering, der am 30. Juni 2018 in Ruhestand geht. An der Sitzung nahmen neben Landrat Wolfgang Spreen als dem Vorsitzenden die weiteren Vorstandsmitglieder Zandra Boxnick (Allgemeine Vertreterin des Landrates), Dr. Dominik Pichler (Bürgermeister Wallfahrtsstadt Kevelaer) und Peter Hohl (Vorsitzender des Vereins für Museumsförderung Kevelaer e.V.) teil. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit Frau Hebben eine gute Nachfolgerin für die Leitung des Museums gefunden haben“, betont Landrat Wolfgang Spreen.
Das Niederrheinische Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte im Herzen der Wallfahrtsstadt Kevelaer präsentiert auf rund 4.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche mehr als 20 Dauerausstellungsbereiche beispielsweise aus den Bereichen Handwerk, Kunstwerk, Regionalgeschichte und Wallfahrt. Mittlerweile hat das Museum zwölf Sammlungen bekommen. Daneben runden museumspädagogische Angebote und Sonderausstellungen den Jahreskalender des Museums ab. Aktuell bereitet das Niederrheinische Museum die Ausstellung „Alles für die Katz“ vor, die im Mai eröffnet wird. „Das Niederrheinische Museum bewahrt unser niederrheinisches Kulturgut, entwickelt bewährte Schwerpunkte weiter und öffnet sich immer mehr für die Bildende Kunst“, so Spreen. „Der Vorstand freut sich auf die künftige Zusammenarbeit mit der neuen Museumsleiterin.“