Energie fürs Museum

Das Büro und die Gestaltung der eigenen Arbeitsumgebung überhaupt, geben gemeinhin in hinreichendem Maße Auskunft über den sie beherbergenden Menschen. Alles sich diesem ersten Eindruck anschließende, kommt eher der Kolorierung jener im Geiste entstandenen Skizze gleich.

Nolens volens Voyeur
Betritt man das Büro von Veronika Hebben, fällt einem zunächst die reich bestückte Bücherwand auf, die den nüchternen Besprechungstisch zur Hälfte wie einen Schutzmantel umschließt. Auf der gegenüberliegenden Seite: große Fenster – die Chefin im Glashaus einerseits, terrariumartiger Einblick andererseits. Der Passant auf dem Weg zum Museum wird nolens volens zum Voyeur. Aber auch die transparenteste Verwaltung kennt ihre Grenzen und so werden fortan neugierige Blicke an Stoffbahnen abgeschmettert.
Nach Aufwärm- und Anlaufphase im Niederrheinischen Museum ist Veronika Hebben nun seit Juli in Amt und Würden als Leiterin dieses auch über die Stadtgrenzen hinaus in der Region bedeutenden Hauses. Im Gespräch mit ihr zweifelt man keine Minute daran, dass sie es genau so gewollt hat. Und noch weniger zweifelt man an ihrer Begeisterung und ihrem Tatendrang – Wo nimmt sie dieses Übermaß an Energie her? Diese wird sie in jedem Falle brauchen, ist sie doch fortan nicht mehr nur Wissenschaftlerin, sondern darüber hinaus auch noch für Verwaltung, Personal und Gebäude des Museums zuständig. Nach eigenem Bekunden hat sie aber nicht nur einen Sinn dafür, Dinge zu strukturieren und zu organisieren, sondern sogar Spaß daran – ihr Schreibtisch deutet solches an.
In Kevelaer erblickte sie das Licht der Welt und nach Kevelaer kehrte sie zurück. Dazwischen liegen Kindheit und Jugend in Weeze, das Abitur in Geldern und ein Auslandsjahr in der ‚Neuen Welt‘, wo der Wunsch reifte, sich mit den Wurzeln der ‚Alten Welt‘ näher zu beschäftigen. Auch der Gedanke, ihre praktische Seite zu betonen und an die Kunstakademie zu gehen, stand im Raum, aber Dinge zu hinterfragen und deren Theorie zu ergründen, reizte sie mehr. Ein Studium in den Fächern Kunstgeschichte, Archäologie und katholische Theologie an der Universität Köln war die Folge. Begeisterung für Architektur und Denkmalpflege trat hinzu. Die bereits in der Studienzeit aufgenommene Tätigkeit in der Dombauhütte war gewiss Überzeugungstat. Schöne und große gotische Kirchen gibt es andernorts auch, »den Dom« aber nur in Köln – auch hier spürt man sie wieder, die ansteckende Begeisterung.

Die unsichtbare Trias
In Washington, D.C. genoss sie die dortige Museumskultur – Ausstellungen von Weltrang bei freiem Eintritt. Nun ist Kevelaer in jeglicher Hinsicht nicht Washington – Was sind also ihre Visionen für das hiesige Museum? Die Basis für ihre Arbeit sieht sie ganz klassisch: die ‚unsichtbare Trias‘ aus Sammeln, Bewahren und Forschen wird für den Besucher durch Ausstellung und Vermittlung erlebbar. Jedes dieser Wesensmerkmale eines Museums sollte sich auch hier in Kevelaer wiederfinden. Besonders am Herzen liegt ihr die Stärkung der Rolle des Museums als außerschulischer Lernort. Ein Bereich, in dem sie noch deutliches Entwicklungspotential ausmacht, ist der Anteil durch Schulklassen an der Besuchermenge doch derzeit ein kleiner. An dieser Stelle greift ein Stück weit auch der Gedanke an, sich in einigen Teilen des Hauses der Weiterentwicklung der Dauerausstellung zu widmen. Manches ist für sie ein wenig in die Jahre gekommen – unausweichlich in so einem großen Haus. Überhaupt möchte sie wieder mehr Aufmerksamkeit auf die ständig ausgestellten Exponate lenken und sich nicht nur in an „Superlativen“ orientierten Sonderschauen verlieren – ein Trend, der selbst um Kevelaer keinen Bogen macht.
So wie die volkskundliche Sammlung Abbild des Lebens ist, sieht Veronika Hebben ‚ihr‘ Museum eingebettet in das Kevelaerer Leben. Sie wünscht sich eine gute Vernetzung mit Stadt und Region. Nicht nur das Museumsinnere wird ihre Arbeit prägen, sondern auch die schon mitten im Gange befindliche Umgestaltung des Umfeldes. Die „Hinterhofsituation“ macht sie dabei als einen Grund für den Dornröschenschlaf aus. Die Neugestaltung der angrenzenden Plätze bewegt sie sichtlich. Der Wunsch nach einer Verbesserung der Zugangssituation vom Luxemburger Platz her, erscheint da nur folgerichtig. Bäume und innerstädtisches Grün sind ihr wichtig; aber dort, wo sie hingehören und nicht die ihr liebe Architektur verdecken – Stadt als Kulturraum. An Ideen und Willen sich einzubringen, mangelt es ihr sichtlich nicht – ihre offene und gewinnende Art wird dieses richten.
Ihre Herkunft aus heimischen Landen begreift sie als Vorteil. Sie kennt Land und Leute, manche Vorgeschichte und Konstellation. Das wird ihr die Arbeit gewiss erleichtern. Die Liebe zu Land und Leuten strahlt sie offensiv aus. Dennoch ist die Vermittlung von Kunst und Kultur auf dem Lande kein leichtes Geschäft. Sie zählt dabei auf den Niederrheiner, der nach ihrem Urteil doch „relativ offen ist und Neues annimmt“, dabei aber gleichzeitig mit Heimat und Tradition verbunden ist. Beides ist für sie in Kevelaer lebendig und nicht nur Kulisse. Erst jüngst konnte sie dem Wettener Schützenverein mit Plaketten aus dem Museumsbestand aushelfen – so bleibt museales Bewahren in der Traditionspflege vital.

Weniger kontemplativ
Am Schluss bleibt sie dann aber doch stehen, die Frage nach dem scheinbar unendlichen Energiereservoir dieser Frau, vor allem die Frage nach dessen Quelle. Rekreation findet sie in der Natur – die niederrheinische Landschaft und die sie durchschlängelnde Niers haben es ihr angetan. Und wenn es dann doch mal etwas weniger kontemplativ sein soll, lässt sie sich als Gegenpol zur Unmenge an der für ihre Arbeit nötigen Fachliteratur gern von Büchern und Filmen aus dem Genre Fantasy gefangen nehmen. Und Musik ist da auch noch: „So ziemlich alles von Klassik bis Hiphop“.
Irgendwie wird auch an dieser Stelle deutlich, dass sich Veronika Hebben nicht in vorgefertigte Schubladen einsortieren lässt – ihre Vielfalt an Interessen und ihr Brennen für ihre Ideen ist zu groß, um eine vereinfachende Zuordnung vornehmen zu können.