Madame Jacqueline, eine gutmütige, kräftige und sehr resolute Dame fortgeschrittenen Alters, schwingt sich beherzt auf ihr Mofa-Taxi.  Ihr quietschgelber turbanähnlicher Hut mit den opulenten gelben Rüschen hat sie sich noch einmal fest über die Ohren gezogen, dann strahlt sie das elfköpfige technisch-medizinische APH-Team vom Niederrhein aufmunternd an, das klettert denn auch auf den Sozius des jeweiligen Mofafahrers und schon geht’s ab in den afrikanischen Busch. Über staubige und ausgewaschene Trampelpfade rumpeln die Niederrheiner Madame Jacqueline hinterher. „Visite“ auf den Dörfern ist angesagt. Schauen, wie es den Müttern, vor allem den (Klein)-Kindern geht, die nach ihrer medizinischen Behandlung und Rekonvaleszenz im Krankenhaus der Kevelaerer Aktion pro Humanität (APH) in Gohomey, in Benin (Westafrika), wieder in ihre Dörfer zurückgekehrt sind  und dort nachbetreut werden. Neben der nun schon mehrere Jahre nachhaltigen, finanziellen Unterstützung des APH-Krankenhaueses (u. a. Mutter-Kind-Klinik, Pädiatrie) durch die Rotary Clubs Xanten und Geldern ist auch das sozialmedizinische „Außenprojekt“ dank rotarischer Hilfe möglich. Immer wieder findet das APH-Team da verlässliche Hilfe – vermittelt und bearbeitet durch die Rotarier Hans-Dieter Kahrl (Geldern) und Hans Hermann Pieper (Xanten).

Kinderarzt Dr. Hans Hermann Pieper gehörte mit seiner Frau Annemarie (Intensivschwester in Wesel) denn auch jetzt wieder zur APH-Delegation, die – wie immer auf eigene Kosten – nach Benin reiste, um im Krankenhaus, das inzwischen vom beninischen Staat den Hospital-Status zuerkannt bekam, mit anzupacken.  Mit dabei waren auch wieder die Familie Dr. Klein/Dr. Sturm aus Kevelaer (Zahnmedizin/Allgemeinmedizin), Dr. Rüdiger Kerner (Chefarzt am  Marienhospital Kevelaer), OP-Pfleger Dirk Henricy (Krankenhaus Xanten), Silvia Köbbel und vom APH-Vorstand Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Henrike van Briel und Heike Waldor-Schäfer.

Madame Jacqueline hebt ihren rechten Arm: Absitzen. Die Mofa-Truppe hat ein kleines Dorf erreicht, schlichte Lehmhütten zumeist – doch auch mitten im Busch gibt es inzwischen viele einfache, gemauerte Einzimmerhäuschen, die mit einem Wellblechdach versehen sind – den einzigen Raum teilt sich eine mehrköpfige Familie. Gekocht wird vor dem Haus auf offenem Feuer, ein paar magere Ziegen und laufen herum, ab und an ein Huhn.

Mit dem Mofa auf Visite. Foto: wasch

Das APH-Team wird schon erwartet. Die Sozialarbeiterin des APH-Krankenhauses ist da und auch eine kleine zarte Frau mit einem kleinen Jungen auf dem Arm. Die junge Mama heißt Basilia und lächelt schüchtern. Einige Wochen hat sie mit ihrem kleinen Sohn in der Kinderabteilung des Hospitals gelebt – sie konnte ihr Baby nach der Geburt nicht stillen, der Kleine war unterernährt und in Folge immer wieder schwer krank. Doch nun sitzt sie stolz auf einer kleinen Bank und der Knirps guckt neugierig auf die Besucher aus Europa. Eine kleine Priestergemeinschaft (St. Raphael de Dogbo) hat der jungen Mutter eine Unterkunft gegeben und sie im Dorf aufgenommen. „Es ist toll zu sehen, wie sich der Kleine erholt hat, wie wichtig und wie gut es ist, dass wir auch die Mütter und ihre Kinder in den Dörfer weiter betreuen können“, so Hans Hermann Pieper. Madame Jacqueline  lässt keinen ihrer kleinen Patienten aus den Augen, sorgt verlässlich dafür, dass die betreuten Kinder regelmäßig gewogen und medizinisch untersucht werden, dass die Mütter zur Nachsorge kommen, den Milchersatz richtig zubereiten … .

Mit Hilfe der Rotarier soll in 2024 die Pädiatrie, also die Kinderabteilung im APH-Hospital, erweitert werden. In der Woche, in der die Niederrheiner im Projekt waren, sind sieben schwer unterernährte Kinder aufgenommen worden – alle haben ihre Mutter bei der Geburt oder kurz danach verloren. Sorgen bereitete vor allem ein Zwillingspärchen, vier Wochen alt, eines der kleinen Wesen wog gerade einmal 1780 Gramm. „Zwei Tüten Mehl sind schwerer“, sagt Hans Hermann Pieper leise. Am folgenden Tag sind die Bettchen, in denen die Kleinen lagen, leer. „Sie haben es nicht geschafft“.

Gute Nachrichten

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Madame Jacqueline hat nahe der Pädiatrie im APH-Projekt in Gohomey eine kleine Gruppe Frauen zusammengetrommelt. Alle haben kleine Kinder auf dem Schoß, viele Zwillinge und sogar Drillinge sind dabei. Die Kleinen sind wohlauf – ihre Mütter sind tot – doch sie  werden  nun von Großmüttern, Tanten, Schwestern, Cousinen großgezogen – APH hilft dabei – dank der Spendenhilfe vom Niederrhein.
Und auch in der kleinen Zahnarztpraxis, die die Familie Klein aus Kevelaer auf dem Gelände des Krankenhauses aufgebaut hat, gibt es gute Nachrichten. Ab Januar wird eine junge beninische Zahnmedizinerin, Dr. Liliane, dort arbeiten.

Wie wichtig das ist, zeigte ein dramatischer Zwischenfall. Eine junge Frau, im siebten Monat schwanger, erreichte mit letzter Kraft die Klinik – sie hatte aufgrund einer schlimmen Zahnentzündung einen großen Abszess am Hals, konnte nicht mehr essen, zeigte Symptome einer Blutvergiftung – Eile war geboten. Gemeinsam versorgten Dr. Roland Klein und Dr. Kathrin Sturm die Frau zahnmedizinisch, Dr. Rüdiger Kerner übernahm die Narkose, Dr. Liliane  die Nachversorgung – eine Woche nach dem Eingriff konnte die werdende Mama wieder in ihr Dorf zurück.

Neue Aufgaben

Wenige Tage, bevor die Niederrheiner sich auf den Weg nach Benin machten, hatte das APH-Team eine bemerkenswerte Nachricht erreicht: „Wir haben Hospital-Status“, so APH-Gründerin Dr. Elke Kleuren-Schryvers. „Wir sind vom Staat anerkannt und nun offiziell das 45. Hospital in Benin – nach fast 30 Jahren medizinischer Arbeit vor Ort freut uns das jetzt sehr.“  Das hat den ein oder anderen Vorteil, man rutscht u. a. eher in Förderprogramme hinein – aber das Team vor Ort muss jetzt in kurzer Zeit auch eine Reihe von administrativen Dingen umsetzen, dazu gehört u. a. ein neues buchhalterisches System.
Und aktuell geht es schon los mit neuen Aufgaben, so fand im APH-Hospital vom 18. bis 22. Dezember die Nationale Hospitalwoche Benins statt – eine nationale Info- und Schulungswoche zum Thema Qualitäts- und Sicherheitskontrolle im Gesundheitswesen.

Der deutsche Botschafter in Benin, Dr. Stefan Buchwald, besuchte dann auch noch das Projekt und zeigte sich beeindruckt. „Dass das Centre Medical Gohomey etwas Besonderes ist, das ahnte ich schon. Aber was ich hier nun gesehen habe, ist wirklich sehr, sehr beeindruckend.“