Sie hören aktuell Tag und Nacht die Raketen. Gewalt, Krieg, Missachtung der Menschenwürde – plötzlich ist alles wieder ganz nah. Nur viel schlimmer.
Seit 2002 leitet die österreichische Ordensfrau Schwester Hildegard Enzenhofer das Pflegeheim Beit Emmaus für palästinensische Frauen mit Behinderungen oder altersbedingten Erkrankungen und Gebrechen.

Etwa 30 Frauen leben dort, werden versorgt, gepflegt. Dürfen dort in Würde leben. Das Beit Emmaus (Haus Emmaus) liegt in dem kleinen Dorf Al Qubeibeh im Westjordanland. Jener Region, in der auch der Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde ist. „Jerusalem ist etwa 30 Kilometer entfernt, Gaza etwa 80 Kilometer“, berichtet Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Vorsitzende der „Aktion pro Humanität“ (APH) aus Kevelaer.

Nicht direkt von den Anschlägen betroffen

Am Niederrhein ist man in deutlicher Sorge um die Menschen dort. Die Kevelaerer Medizinerin konnte nun mit Schwester Hildegard telefonieren. „Alle sind unverletzt, das Pflegeheim ist nicht direkt von den Anschlägen betroffen – bisher“ so die Meldungen von dort. APH unterstützt seit einigen Jahren die kleine Einrichtung von Schwester Hildegard und ihren Mitschwestern, Salvatorianerinnen. „Wir helfen vor allem, die Pflegesituation vor Ort zu erleichtern und das Team dort in seinem Dienst zu unterstützen“, so Elke Kleuren-Schryvers. APH konnte u.a. dank der Unterstützerinnen und Unterstützer vom Niederrhein Pflegebetten anschaffen und immer wieder den Kauf von Nahrungsmitteln unterstützen. Sogar ein Fahrstuhl konnte mitfinanziert werden – mittels Unterstützung von APH, der Komturei Duisburg des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und des Deutschen Vereins vom Heiligen Land.

Während es aktuell für viele Pilger aus Deutschland und auch vom Niederrhein dringlich darum geht, in Sicherheit und nach Hause zu kommen, steht das für die engagierte Salvatorianer-Ordensfrau im Beit Emmaus wohl nicht zur Debatte. Schwester Hildegard und ihre Mitschwestern sind bei allen militärischen Auseinandersetzungen in den letzten beiden Jahrzehnten immer an der Seite ihrer Patientinnen geblieben. Auf die Frage nach konkreter Hilfe sagt Sr. Hildegard einfach nur: „Man kann momentan nicht helfen, weil es nichts mehr zu kaufen gibt bei uns. Doch glücklich haben wir einige Vorräte, haben unseren Garten.“

Bitte um intensives Beten

Nach der israelischen Abriegelung des  Westjordanlandes ist die Lage noch einmal ungleich schwerer geworden für die Menschen dort. Schwester Hildegard klingt erschöpft, aber sie alle seien nicht verzweifelt. „Eine Botschaft jedoch gibt es, die sie uns allen hier derzeit dringlich senden will“, so Kleuren-Schryvers. „Eine einzige, große Bitte, um unser aller intensives Beten dafür, dass diese fortgesetzte, Menschen verachtende und vernichtende Gewalt endet und Vermittlung Einzug hält. Frieden ist der größte, wichtigste Wunsch.“

„Sonstige Hilfen braucht es im Augenblick nicht“, so Schwester Hildegard ganz ruhig.

Gerade in diesem Jahr feiert das Projekt Beit Emmaus sein 50-jähriges Bestehen. „Liebevolle Pflege soll jeder bedürftige Mensch erfahren dürfen – unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht. Diese Überzeugung leben wir Salvatorianerinnen im Beit Emmaus, im Dorf Qubeibeh im Westjordanland“, so wird Schwester Hildegard unlängst in einer Fachzeitschrift zitiert.

Auf dem Gelände des Pflegeheims gibt es auch eine exzellente Kranken- und Altenpflegeschule für junge palästinensische Frauen und Männer, die sonst kaum Chancen auf gute Ausbildungen haben.

Kennengelernt haben die Niederrheiner Schwester Hildegard und das Beit Emmaus bei einer Pilgerreise ins Heilige Land, gemeinsam mit Weihbischof Rolf Lohmann, der ja auch APH-Kuratoriumsmitglied ist.

Erleichterung im APH-Team

Im APH-Team ist man erleichtert, Schwester Hildegard erreicht zu haben. „Sie ist eine starke, eine mutige, eine Mut machende Frau, die interreligiösen Dialog von morgens bis abends ganz praktisch lebt“, so die APH-Vorsitzende. „Bei sehr vielen Friedensaktionen hier in Kevelaer hat sie uns aus der Ferne begleitet. Mit den Patientinnen des Beit Emmaus hat sie im vergangenen Jahr ein beeindruckendes Friedenstuch gestaltet zu ihrer aller Lebenssituation dort.

Sie inspiriert uns immer wieder für unsere eigene humanitäre Arbeit, durch ihr authentisches Wirken, ihre Menschenliebe“.

Weihbischof Rolf Lohmann fügt noch einen weiteren Aspekt hinzu:

„Es liegen Tage des Erschreckens hinter uns. Die Nachrichten, die uns aus dem Heiligen Land erreichen, sind unerträglich. Gewalt, Hass und Unmenschlichkeit sind nie hinzunehmen und zu tolerieren. Sie zerstören ein friedliches Zusammenleben und verhindern ein Zugehen aufeinander.
Im Beit-Emmaus wird eine Kultur des Zusammenlebens über alle Fragen der Religionszugehörigkeit hinweg gelebt und die caritative Sorge steht im Vordergrund. Für dieses beispielhafte christliche Zeugnis bin ich – gerade in diesen Zeichen – sehr dankbar.“