Gewissenhaft macht sich Manuel Vloet auf dem Zettel an seinem Klemmbrett Notizen, als er mit Mundschutz die Tische im Handwerklichen Bildungszentrum Moers abgeht, an denen die Prüflinge die Ergebnisse ihrer zuvor geleisteten Arbeit aufgestellt haben.
„Hier haben wir alle Anforderungen, die wir brauchen. Hier finden auch drei überbetriebliche Lehrgänge statt. Wer hier nicht steht, der hat vorher schon gepennt“, lacht Vloet. Als mittlerweile dritte Generation kann der 31-jährige Bäckermeister aus Kevelaer im Prüfungsausschuss als Meisterbeisitzer die Prüflinge des jeweilige Jahrgangs mit abnehmen.
„Wir sind drei Parteien – der Lehrerpart, der Gesellenpart und der Meister eines eigenen Betriebes. Dadurch ergibt sich bei der Bewertung der Gesamtdurchschnitt.“ Das sei wichtig hinsichtlich des mathematischen Aspekts. „Ein Meister sieht die Dinge oft anders als ein Gesellen-Beisitzer. Dieser Gesamtblick ergibt dann im Schnitt die Gesamtnote.“ Für die Prüfung gelten ganz klare Anforderungen: „Brot herstellen, ein Spitz- und Mehrkornbrötchen herstellen. Die Zutaten dazu können sie selbst bestimmen. Die Rezepte kontrollieren wir.“
Dazu kommen noch ein Hefezopf und ein Snack – „irgendwas mit Fülling.“ Dabei entstehen besondere Kreationen, die Vloet so selbst noch nicht entdeckt hat. „Da war was mit Spargelfüllung. Einer hatte Wachteleier mit Spinat, das habe ich so noch nicht gesehen. Da sind pfiffige Sachen dabei.“ An einem Tag hat er einen „Pulled-pork-Snack“ geprüft. „Das war was Zeitgemäßes: Blätterteig mit Pulled-pork-Barbecue, das war für mich so ganz neu.“
Vloet absolvierte vor zehn Jahren seine Prüfung
Die dreiköpfige Kommission bewertet dann den Gesamteindruck. „Dazu zählen die Vorbereitungen, wie gearbeitet und gebacken wird, dafür gibt es Teilpunkte. Und natürlich auch zu der Verkäuflichkeit oder Unverkäuflichkeit der Ware.“ Wenn das Produkt am Ende gravierend schlecht ist oder verbrannt, dann gehen natürlich viele Punkte verloren. „Oder wenn da ein halb gebackenes Brötchen ist, das Pappe ist, das geht nicht.“
Von Vorteil ist dabei, dass sich Manuel Vloet als durchaus noch junger Bäcker in diese Situation der Prüflinge einfühlen kann – schließlich hat er selbst in Moers im Jahr 2010 seine Prüfung absolviert. Die Prüfungen in Corona-Zeiten sind naturgemäß von anderem Charakter als die in den Jahren zuvor. „Wir haben mehr zu tun, weil wir aufgrund der Abstandsregeln nicht so viele Prüflinge wie sonst auf einmal abnehmen können – das sind sechs Prüfungen bei 24 Leuten.“
Neun kommen aus dem Bezirk Geldern, 15 aus dem Bezirk Dinslaken. „Früher war es nur Geldern, aber mittlerweile wird das Handwerk ja immer kleiner, da legt man sich ein bisschen zusammen.“ Der Ablauf der Prüfungen sei dann natürlich anders. „Wir haben einen Fünf-Etagen-Ofen. Aber wegen Corona machen wir maximal vier Prüflinge, die jeweils an ihrem eigenen Tisch stehen und für sich vorbereiten können. Wir machen die größtmögliche Sicherheit, die geht.“
Prüfung unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen
Händehygiene und Desinfektion seien da wichtig und die Maskenpflicht sei natürlich eine Maßnahme, die man im Normalfall nicht bräuchte. „Das ist schwieriger, weil man damit durch die Gegend rennt. Und wenn man in der Backstube steht, ist es mit dem Atmen noch schwieriger“, erläutert Vloet.
Auf der anderen Seite ist er aber froh, dass man diesen Prüfungsbetrieb überhaupt so aufrechterhalten kann. „Sonst hieße es, du bleibst ein Jahr länger Geselle. Dann verdienen die in der Zeit auch weniger, wenn es nicht gerade faire Betriebe gibt, die damit anders umgehen. Aber die meisten würden es wohl nicht tun.“ Wie immer hat er sich bereiterklärt mitzuwirken. Wichtig sei, dass man sich in der Innung aktiv engagiere und sich mit einbringe.
Was das Bäckerhandwerk in Kevelaer anbetrifft, da sieht Vloet einen rückläufigen Trend ohne solche Betriebe wie Kammann, Pooten oder Tebart. „Das ist schon eine Katastrophe – und welche Auswirkungen Corona haben wird, sehen wir nachher.“ Man habe zwar Betriebe wie Stinges, Kamps oder Büsch – „aber das sind keine Handwerker mehr, sondern schon Großbetriebe“, meint er.
Denn wenn die mit ihren fertigen Produkten zur Auslieferung abends um 20 Uhr schon losfahren, dann sei das im Grunde keine Frischware im klassischen Sinne mehr. „Bei Janssen-Heursen oder bei uns sagt man noch: Das Brot ist noch nicht fertig.“
Weniger Kundschaft im eigenen Betrieb
Unter der Corona-Krise leiden würde auch der eigene Betrieb am Krankenhaus. „Vor unserem Hauptgeschäft dort ist die Frequenz wesentlich weniger. Und das Café hat zu.“ Wenn man bei zwei Personen mit Kuchen und Kaffee von sechs Euro redet, „dafür ist der Aufwand mit der ganzen Hygiene schon heftig.“ Was ihm auch Probleme macht, ist das Eintragen der Besucher in Listen. „Erst heißt es Trouble mit dem Datenschutz – und jetzt liegen Telefonnummern offen aus.“
Der eigene Betrieb bilde kontinuierlich aus. „Wir haben dieses Jahr zwar keinen Bäckerlehrling im Abschluss, aber einen bei uns aktuell im Betrieb.“ Es gebe immer wieder Bewerbungen. Was das angeht, sieht Vloet die Situation für das Handwerk nicht ganz so schlecht. Allerdings sei auch zu beobachten, dass viele, die das Bäckerhandwerk lernten, „das als Einstieg benutzen, um sich weiterzubilden und später gerne in die Lebensmitteltechnik rüberzugehen.“
Um den eigenen Laden macht sich Manuel Vloet aber keine Sorgen. „Ich will noch einige Jahre machen. Wir haben bei uns zwei Leute, die jung bei uns sind. Die haben wir selbst ‚rangezüchtet‘. Die könnten mit mir bis zum Ende gehen.“