Einigen Kirchenbesucherinnen und Kirchenbesuchern mag das neue Bild, das die hintere Wand der St.-Petrus-Kirche im Kevelaerer Ortsteil Wetten schmückt, schon aufgefallen sein. Das 1,88 Meter hohe und 1,32 Meter breite Kunstwerk zeigt die sogenannte „Heilige Sippe“, unter anderem mit Johannes dem Täufer, allerdings noch im Kindesalter. Und auch dessen Vater Zacharias gehört zu den acht dargestellten biblischen Persönlichkeiten.

Pfarrer Andreas Poorten, Dennis Hartjes und Berthold Steeger (v.l.) haben gemeinsam ermöglicht, dass die Replik der Altarretabel nun in der Wettener Kirche hängt. Foto: Bischöfliche Pressestelle / Christian Breuer

Wenn Dennis Hartjes die Geschichte erzählt, die hinter dem Bild steckt, können die Zuhörerinnen und Zuhörer nur staunen. Hartjes ist in Wetten aufgewachsen und inzwischen leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für die Geschichte des Bistums Münster am Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Universität Münster. Für seine Doktorarbeit über die Geschichte der Wettener Pfarrgemeinde forschte er im dortigen Pfarrarchiv – und stieß dabei auf die Notiz, dass man 1917 nach dem Tod des damaligen Pfarrers Theodor van Kempen beim Ausräumen des alten Pfarrhauses einen Bücherschrank verkaufte. Dessen Rückwand bildete ein mittelalterliches Ölgemälde. Der Käufer, ein Antiquitätenhändler, machte einen guten Gewinn, als er den Wert erkannte und es, nun nicht mehr als Bücherschrank, an das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld veräußerte. Seither wird das Original des bedeutenden niederrheinischen Malers Derick Baegert (um 1440 – um 1515) im dortigen Magazin aufbewahrt.

Und dort spürte Hartjes es gemeinsam mit Diakon Berthold Steeger 2019 wieder auf. Bald entstand die Idee, das Kunstwerk zurück nach Wetten zu holen – aufgrund der klimatischen Bedingungen in der Kirche und des hohen Versicherungswertes war jedoch schnell klar, dass das Original im Museum verbleiben muss. Stattdessen wurde, finanziert vom Kirchbauverein St. Petrus Wetten, eine hochwertige digitale Vorlage angefertigt und daraus eine Replik in Originalgröße erstellt – nicht auf Holz, sondern auf Aluminium. „Das ist ein Verfahren, das sich bereits bewährt hat“, sagt Steeger. Nachdem die Tischlerei Selders aus Wetten einen Rahmen angefertigt hatte, konnte das Kunstwerk Anfang Dezember nach vier Jahren der Planung in der Kirche installiert werden.
„Wir sehen hier nur einen Ausschnitt des ursprünglichen Bildes“, erklärt Hartjes. Vor seiner Verwendung als Rückwand des Bücherschranks war das Fragment Teil eines sogenannten Altarretabels, also ein großes Bild eines mittelalterlichen Altaraufsatzes.

Als der Altar nicht mehr genutzt wurde, hatte man das Kunstwerk offenbar zersägt und zum Teil zum profanen Möbelstück umgebaut. Was mit den weiteren Fragmenten geschah, liegt im Dunkel der Geschichte. „Es ist auch nicht klar, wann das geschehen ist“, erläutert Hartjes.

Über den ursprünglichen Altar ist nichts bekannt, eigentlich nicht mal, ob er wirklich in Wetten stand. „Die Darstellung ist typisch für einen Marienaltar, ein solcher ist in Wetten für das Jahr 1497 belegt“, weiß der Doktorand. Unstrittig ist jedenfalls, dass das Kunstwerk im Wettener Pfarrhaus sein Dasein als Bücherschrank fristete, „die Verbindung nach Wetten ist also in jedem Fall gegeben“.

Andreas Poorten, Pfarrer der Pfarrei St. Antonius Kevelaer, zu der auch Wetten gehört, freut sich über die Replik. „Die Wand war bisher leer. Das formatfüllende Bild der Heiligen Sippe passt dort sehr gut hin“, sagt er und lädt dazu ein, das Kunstwerk beim nächsten Besuch der Kirche näher zu betrachten.

Dabei hilft auch ein Faltblatt, das in der Kirche kostenlos ausliegt. Das gibt nicht nur Auskunft darüber, wer neben Zacharias und Johannes dem Täufer noch zu sehen ist, sondern auch darüber, was es mit den drei Fliegen auf sich hat, die Derick Baegert vor mehr als 500 Jahren in das Bild gemalt hat. „Je länger man es betrachtet, desto mehr Details fallen einem auf“, verspricht Hartjes lachend.